Nahdsch-ul-Balagha - Pfad
der Eloquenz
Als der
Befehlshaber der Gläubigen (a.) von der Kanzel der Moschee in
Kufa eine Predigt hielt, sagte al-Asch´ath ibn Qais zu ihm, da
er gegen einige Worte Einspruch erhob: „Oh Befehlshaber der
Gläubigen, das ist doch zu deinen Ungunsten, nicht zu deinen
Gunsten“, und er
(a.) senkte seinen Blick und sagte dann:
Was lässt dich wissen, was zu meinen
Ungunsten und was zu meinen Gunsten ist? Der Fluch Allahs und
der Fluch der Verfluchenden möge auf dir lasten! (Du bist) ein
Weber (von Lügengespinsten) und Sohn eines Webers (von
Lügengespinsten)! (Du bist) ein Heuchler und Sohn eines
Ungläubigen. Bei Allah, du warst vom Unglauben das eine Mal
gefesselt und vom Islam das andere Mal, doch weder dein Geld
noch deine Abstammung haben dich von einem der beiden
ausgelöst! Wahrhaftig, der Mann, der sein eigenes Volk zum
Schwert führte und den Tod zu ihnen treibt, der verdient es,
dass die Nächsten ihn verabscheuen und die Entferntesten ihm
nicht vertrauen!
Sayyid al-Radhi sagte: Er (Imam Ali, a.)
meint, dass er (al-Asch´ath) erst in Zeiten des Unglaubens
gefangen genommen wurde und einmal in den Zeiten des Islams.
Mit den Worten: ´...der sein eigenes Volk zum Schwert
führte’ spielte er (Imam Ali, a.) auf das Ereignis an, als
al-Asch´ath mit Chalid ibn al-Walid in Yamama war, wo er sein
Volk täuschte und gegen es eine Intrige schmiedete, bis Chalid
sie angriff. Nach diesem (Ereignis) nannte sein Volk ihn „Urf
al-Nar“,
was bei ihnen ein Name für den Verräter unter ihnen war.
Al-Asch´ath
ibn Qais al-Kindi war ein Zeitgenosse des Propheten Muhammad
(s.). Sein eigentlicher Name war Madi Karib und sein Beiname
Abu Muhammad, aber wegen seinem zerzausten Haar war er bekannt
als „al-Asch´ath“ (jemand mit zerzaustem Haar). Als er nach
der Berufung des Propheten (s.) zum Prophetentum mit seinem
Stamm nach Mekka kam, lud der Prophet (s.) ihn und seinen
Stamm ein, den Islam anzunehmen. Als der Islam nach der
Auswanderung etabliert wurde und Abgesandte in großer Zahl
nach Medina kamen, kam auch er mit den Banu Kinda zum
Propheten und nahm den Islam an. Der Autor von „al-Isti´ab“
schreibt, dass dieser Mann nach der Zeit des Propheten (s.)
wieder zu einem Ungläubigen wurde, aber erneut den Islam
annahm, als er während des Kalifats von Abu Bakr als
Gefangener nach Medina gebracht wurde, obwohl auch dieses Mal
sein Islam nur vorgetäuscht war. Daher schreibt Scheich
Muhammad Abduh in seinen Anmerkungen zu Nahdsch-ul-Balagha:
„So wie Abdullah ibn Ubayy ibn Salul ein Gefährte des
Propheten (s.) war, so war al-Asch´ath ein Gefährte von Ali
(a.), und beide waren hochgradige Heuchler.“
Er verlor
eines seiner Augen in der Schlacht von Yarmuk. Ibn Qutaiba
zählte ihn unter die Einäugigen mit auf. Abu Bakrs Schwester
Umm Farwa bint Abi Quhafa, die erst die Frau eines Mannes der
Banu Azd war, dann von Tamim al-Darimi, wurde in dritter Ehe
mit al-Asch´ath verheiratet. Aus dieser Ehe wurden drei Söhne
geboren, Muhammad, Isma´il und Ishaq. Die Biographie-Bücher
zeigen, dass sie blind war. Ibn Abu´l Hadid hat die folgende
Aussage von Abu´l Faradsch zitiert, aus dem ersichtlich wird,
dass al-Asch´ath später in die Ermordung Imam Alis (a.)
verwickelt war: „In der Mordnacht kam Ibn Muldscham zu
al-Asch´ath ibn Qais, und beide zogen sich in eine Ecke der
Moschee zurück und saßen dort, als Hudschr ibn Adi an der
Seite vorbeiging und al-Asch´ath zu Ibn Muldscham sagen hörte:
’Beeil dich jetzt, sonst wird dich das Licht der Dämmerung
entehren’. Als Hudschr das hörte, sagte er zu al-Asch´ath: ´Du
Einäugiger, du bereitest dich darauf vor, Ali zu töten´, und
er eilte zu Ali ibn Abi Talib (a.), aber Ibn Muldscham war ihm
zuvorgekommen und traf Ali mit dem Schwert, als Hudschr
zurückkam, riefen die Leute: ’Ali ist getötet worden!’“
Es war seine
Tochter, die später Imam Hassan (a.) vergiftete. Mas´udi
schrieb: „Seine (Hassans) Frau Dscha´da bint al-Asch´ath
vergiftete ihn, während sich Muawiya mit ihr verschworen
hatte, dass er ihr hunderttausend Dirham zahlen und sie mit
Yazid verheiraten würde, wenn sie ihn vergiften würde.“
Sein Sohn
Muhammad ibn al-Asch´ath spielte eine aktive Rolle in den
Intrigen gegen Muslim ibn Aqil
in Kufa und beim Vergießen des Blutes Imam Hussains (a.) in
Kerbela.
Nach der
Schlacht von Nahrawan hielt der Befehlshaber der Gläubigen
(a.) eine Predigt in der Moschee von Kufa über die schlechten
Auswirkungen der ihm aufgezwungenen Verhandlungen, als ein
Mann aufstand und sagte: „Oh Befehlshaber der Gläubigen,
erst hast du uns von dieser Verhandlung abgehalten, doch
danach erlaubt. Wir können nicht verstehen, welches dieser
beiden das Richtigere war.“ Als er das hörte, schlug der
Befehlshaber der Gläubigen (a.) die eine Hand über die andere
und sagte: „Das ist der Lohn derer, die einen festen
Standpunkt aufgeben“, d.h. das ist das Ergebnis eurer
eigenen Taten, da ihr Festigkeit und Vorsicht aufgegeben und
auf „Verhandlungen“ bestanden habt, aber al-Asch´ath
missverstand das dahingehend, als ob der Befehlshaber der
Gläubigen (a.) sagen wollte, dass er sich Sorgen machte, weil
er Verhandlungen akzeptiert hatte, so sagte er: „Oh
Befehlshaber der Gläubigen, das bringt Schande über dich!“,
worauf der Befehlshaber der Gläubigen (a.) in harschem Ton
sagte: „Was weißt du, was ich sagen will, und was verstehst
du schon, was für und was gegen mich ist. Du bist ein Weber
(von Lügengespinsten) und der Sohn eines Webers (von
Lügengespinsten), aufgezogen von Ungläubigen und einem
Heuchler. Der Fluch Allahs und der gesamten Welt möge auf dir
lasten!“
Verschiedene
Kommentatoren haben geschrieben, dass es mehrere Gründe gab,
warum der Befehlshaber der Gläubigen (a.) al-Asch´ath einen
Weber nannte. Der vordergründige Anlass könnte darin liegen,
dass er und sein Vater möglicherweise Weber waren wie viele
Leute an seinem Geburtsort. Allerdings kann das nicht der
entscheidende Grund für die Erwähnung durch Imam Ali (a.)
gewesen sein, weil er jeden anständigen Beruf ehren würde.
Der
entscheidende Grund, warum Imam Ali (a.) ihn „Weber“ nannte,
liegt darin, dass damit eine Person bezeichnet wird, die gegen
Allah und den Heiligen Propheten (s.) Ränke schmiedet und
daraus Lügengewebe spinnt, was die Besonderheit der Heuchler
ist. Daher wird in der bekannten Sammlung von Überlieferungen
„Wasa´il al-Schia“ über Imam Sadiq (a.) erwähnt, dass der
Weber verflucht ist, als er erklärte, dass mit Weber eine
Person bezeichnet wird, die gegen Allah und den Propheten (s.)
Intrigen plant bzw. „spinnt“.
Nach dem Wort
„Weber“ benutzte der Befehlshaber der Gläubigen (a.) im
Arabischen das Wort „Heuchler“, und es gibt keine Konjunktion,
kein Bindewort dazwischen, womit betont wird, dass er diese
beiden Worte in seiner Aussage im Zusammenhang sieht. Dann
erklärt er (a.) wegen dessen Heuchelei und dem Verbergen der
Wahrheit, dass er den Fluch Allahs verdient, wie Allah, Der
Erhabene, sagt: „Wahrlich, die aber verhehlen, was Wir
herabsandten an Zeichen und Führung, nachdem Wir es für die
Menschen klar gemacht haben im Buch, die wird Allah
verfluchen; und verfluchen werden sie die Fluchenden.“
Danach sagte
der Befehlshaber der Gläubigen (a.): „Du kamst nicht um die
Erniedrigung eines Gefangenen herum, als du ein Ungläubiger
warst, noch hat dich diese Schmach verschont, nachdem du den
Islam angenommen hattest und gefangen genommen wurdest.“
Als er noch
ein Ungläubiger war, geschah seine Gefangennahme
folgendermaßen: Als der Stamm der Banu Murad seinen Vater Qais
getötet hatte, versammelte er die Soldaten der Banu Kinda und
teilte sie in drei Gruppen ein. Über eine Gruppe führte er
selbst das Kommando, und über die anderen setzte er Kabs ibn
Hani und al-Qasch´am ibn Yazid al-Arqam als Kommandeure ein
und machte sich auf, um die Banu Murad anzugreifen. Doch wie
es das Unglück wollte, griff er anstatt der Banu Murad die
Banu Harith ibn Ka´b an. Als Resultat wurden Kabs ibn Hani und
al-Qasch´am ibn Yazid al-Arqam getötet, und dieser al-Asch´ath
wurde lebend gefangen genommen. Schließlich wurde er nach
Zahlung eines Lösegeldes von dreitausend Kamelen freigelassen.
Der Befehlshaber der Gläubigen (a.) bezog sich mit seiner
Aussage: „Dein Geld oder deine Abstammung können dich nicht
von beidem auslösen“ nicht auf das gezahlte Lösegeld, weil
er ja tatsächlich aufgrund von Zahlung von Lösegeld
freigelassen worden war, sondern er wollte damit sagen, dass
weder großer Reichtum noch seine hohe Position und Ansehen in
seinem Stamm ihm diese Schmach ersparen konnten, und er konnte
sich nicht davor selbst schützen, gefangen genommen zu werden.
Seine zweite
Gefangennahme ereignete sich, als der Heilige Prophet (s.) von
dieser Welt verschieden war und in der Region von Hadhramaut
ein Aufstand ausbrach, weil die Muslime dort es ablehnten, was
Abu Bakr dem dortigen Gouverneur Ziyad ibn Labid al-Bayadi
al-Ansari geschrieben hatte, dass er den Treueid der Leute an
Abu Bakr sicherstellen und Zakat und Almosen von jenen Leuten
eintreiben sollte. Als Ziyad ibn Labid zum Stamm der Abu Amr
ibn Muawiya ging, um die Zakat einzutreiben, fand er Gefallen
an der Kamelstute von Schaitan ibn Hudschr, die sehr schön und
von riesigem Körperbau war. Er sprang auf ihren Rücken und
ergriff von ihr Besitz. Schaitan ibn Hudschr war nicht damit
einverstanden, sie abzugeben, und sagte ihm, er solle eine
andere Kamelstute übernehmen, aber Ziyad war dagegen. Schaitan
ließ seinen Bruder al-Adda ibn Hudschr holen, um ihn zu
unterstützen. Als der kam, sprach er auch mit ihm, aber Ziyad
bestand auf seinem Entschluss und wollte auf keinen Fall von
der Kamelstute lassen. Zuletzt ersuchten beide Brüder Masruq
ibn Madi Karib um Hilfe. Folglich nutzte auch Masruq seinen
Einfluss, damit Ziyad auf die Kamelstute verzichtete, aber der
weigerte sich kategorisch, worauf Masruq wütend wurde, die
Kamelstute losband und sie Schaitan übergab. Daraufhin
entbrannte Ziyad in Zorn, sammelte seine Mannen und bereitete
sich zum Kampf vor. Auf der anderen Seite versammelten sich
nun auch die Banu Wali´ah, um sich ihnen entgegenzustellen,
aber sie konnten Ziyad nicht besiegen und wurden von ihm
niedergeschlagen. Ihre Frauen wurden fortgebracht und ihr
Eigentum geplündert. Schließlich mussten die Überlebenden sich
unter den Schutz von al-Asch´ath begeben. Al-Asch´ath
versprach ihnen Unterstützung unter der Bedingung, dass sie
ihn als Herrscher der Provinz anerkennen sollten. Die Leute
stimmten dieser Bedingung zu und seine Amtseinführung wurde
feierlich begangen. Nachdem seine Macht anerkannt war,
formierte er eine Armee und brach auf, um gegen Ziyad zu
kämpfen.
Auf der
anderen Seite hatte Abu Bakr dem Gouverneur von Jemen,
al-Muhadschir ibn Abi Umayya geschrieben, dass er mit einem
Kontingent Soldaten Ziyad zu Hilfe kommen solle. Al-Muhadschir
kam mit seinem Kontingent an, als sie sich gegenüberstanden.
Als sie einander von Angesicht zu Angesicht standen, zogen sie
die Schwerter und begannen bei al-Zurqan den Kampf. Am Ende
floh al-Asch´ath vom Schlachtfeld, nahm seine übrig
gebliebenen Mannen mit und schloss sich in der Festung
al-Nudschair ein. Der Gegner ließ sie aber nicht in Ruhe. Sie
belagerten die Festung. Al-Asch´ath überlegte, wie lange er
eingeschlossen in der Festung verharren konnte mit zu wenig
Ausrüstung und Männern, und dass er sich einen Ausweg
ausdenken musste. So stahl er sich eines Nachts heimlich aus
der Festung, traf mit Ziyad und al-Muhadschir zusammen und
verschwor sich mit ihnen, dass er das Tor zur Festung öffnen
lassen würde, wenn sie neun Mitgliedern seiner Familie
Zuflucht gewähren würden. Sie akzeptierten das und baten ihn,
die Namen jeder der neun Personen aufzuschreiben. Er schrieb
die neun Namen auf und händigte sie ihnen aus, aber aufgrund
seiner überkommenen Klugheit, vergaß er, seinen eigenen Namen
auf jene Liste zu schreiben. Nachdem er das geregelt hatte,
sagte er seinen Leuten, dass er ihnen Schutz gesichert hatte
und das Tor der Festung geöffnet werden würde. Als das Tor
geöffnet wurde, stürzten sich Ziyads Truppen auf sie. Sie
sagten, dass ihnen Schutz zugesichert worden sei, worauf die
Armee Ziyads sagte, dass das falsch sei und dass al-Asch´ath
nur für neun Mitglieder seiner Familie um Schutz ersucht habe,
deren Namen ihnen vorlägen. Kurz, achthundert Leute wurden mit
dem Schwert getötet und die Hände mehrerer Frauen abgehackt,
während entsprechend dem Abkommen neun Leute freigelassen
wurden, aber der Fall von al-Asch´ath wurde kompliziert.
Schließlich wurde beschlossen, dass er zu Abu Bakr geschickt
werden sollte, damit dieser über ihn entscheiden solle.
Letztendlich wurde er in Ketten nach Medina geschickt,
zusammen mit tausend weiblichen Gefangenen. Auf dem Weg
überhäuften ihn Verwandte und andere mit Flüchen, die Frauen
nannten ihn einen Verräter und einen, der seine eigenen Leute
dem Schwert auslieferte. Wer sonst kann ein größerer Verräter
sein? Doch, als er Medina erreichte, ließ Abu Bakr ihn frei,
und bei der Gelegenheit wurde er mit Umm Farwa verheiratet.