67. Predigt – Nach der Nachricht von Saqifa
Als die Nachrichten von Saqifa
den Befehlshaber der Gläubigen (a.) nach dem Ableben des
Gesandten (s.) Allahs erreichten, fragte er, was die Helfer [ansar]
gesagt hätten, und es hieß, dass sie gesagt hatten: „Ein
Anführer von uns, ein Anführer von euch (den Muhadschirun)“,
und da sagte er (a.):
Habt ihr denn nicht gegen sie
argumentiert, dass der Gesandte Allahs (s.) verfügt hatte,
dass denen (unter den Helfern [ansar]), die Gutes tun, auch
Gutes erwiesen werden wird, und dass denen, die Schlechtes
getan haben unter ihnen, Nachsicht gewährt werden soll?
Sie antworteten: „Und worin besteht
darin dann das Argument gegen sie?“ Und er (a.) erwiderte:
„Wenn das Imamat für sie bestimmt gewesen wäre, dann wäre
das (oben genannte) Vermächtnis nicht für sie.“ Dann sagte
er: „Was haben die Quraisch gesagt?“, und sie sagten:
„Sie argumentierten damit, dass sie zum (Stamm-)Baum des
Gesandten (s.) Allahs gehören.“ Er (a.) erwiderte: „Sie
argumentierten mit dem Baum, doch sie vernachlässigten die
Frucht.“
Erläuterung
Saqifa Nu´mani bzw. Saqifa Bani Saad, oder kurz oft auch als
„Saqifa“
bekannt, ist ein Ort in Medina, der für einen der traurigsten
Kapitel der islamischen Geschichte steht. An dem Ort
versammelten sich unmittelbar nach dem Ableben des Prophet
Muhammad (s.) eine Anzahl seiner Gefährten und stritten sich
um die Nachfolge, wobei nicht islamische Argumente im
Vordergrund standen, sondern Stammesstreitigkeiten.
Bei dem, was
in Saqifa geschah, bestand augenscheinlich das größte Argument
der Auswanderer [muhadschirun] gegen die Helfer [ansar] sowie
die Grundlage des Erfolgs der Erstgenannten darin, dass sie
zum Stamm des Propheten (s.) gehörten und somit kein anderer
das Kalifat verdienen würde. Aufgrund dessen war die große
Menge der Helfer [ansar] bereit, vor den drei anwesenden
Auswanderern [muhadschirun] ihre Waffen zu strecken, und diese
schafften es, das Kalifat an sich zu reißen, indem sie ihre
Abstammung ins Feld führten. Daher schreibt al-Tabari in
Verbindung mit den Ereignissen bei Saqifa, dass, als die
Helfer [ansar] sich bei Saqifa versammelten, um ursprünglich
Sa´d ibn Ubada den Treueid zu leisten, Abu Bakr, Umar und Abu
Ubaida ibn al-Dscharrah ebenfalls davon erfuhren und dort
eintrafen. Umar hatte sich für diese Gelegenheit etwas
ausgedacht, doch Abu Bakr hielt ihn ab und stand selber auf.
Nachdem er Allah, die Befreiung Mekkas durch die Auswanderer [muhadschirun]
und deren Vorangehen im Islam gepriesen hatte, sagte er:
„Das sind jene, die Allah vor allen anderen verehrten und den
Glauben an Allah, die Gefährten des Propheten und seine
Verwandtschaft. Diese allein verdienen daher das Kalifat, und
wer gegen sie aufsteht, begeht Übertretung.“
Als Abu Bakr
seine Predigt beendet hatte, stand al-Habab ibn al-Mundhir auf
und sagte, an die Helfer [ansar] gewandt: „Oh Schar der
Helfer [ansar]! Gebt nicht eure Zügel in die Hände anderer.
Das Volk ist unter eurer Obhut. Ihr seid Männer von Ehre,
Reichtum, Stamm und (eine stattliche) Versammlung. Wenn die
Auswanderer [muhadschirun] in einigen Angelegenheiten einen
Vorzug euch gegenüber genießen, dann habt auch ihr Vorzüge
ihnen gegenüber in anderen Angelegenheiten. Ihr habt ihnen in
euren Häusern Zuflucht gewährt. Ihr seid der kämpfende Arm des
Islam. Mit eurer Hilfe stand der Islam auf eigenen Füßen. In
euren Städten wurde das Gebet zu Allah in Freiheit verrichtet.
Bewahrt euch vor Spaltung und Zerstreuung und haltet vereint
an eurem Recht fest. Wenn die Auswanderer [muhadschirun] euer
Recht nicht anerkennen, dann soll ein Anführer von uns und
einer von euch sein.“
Kaum dass
al-Habab sich niedergesetzt hatte, nachdem er dies gesagt
hatte, erhob sich Umar und sprach: „Es kann nicht sein,
dass es zwei Herrscher gleichzeitig gibt. Bei Allah, die
Araber werden niemals zustimmen, dass ihr dem Staat vorsteht,
da der Prophet nicht aus eurer Mitte kam. Wahrlich, die Araber
werden nicht den kleinsten Einwand dagegen haben, dass das
Kalifat demjenigen erlaubt ist, in dessen Haus das
Prophetentum ruht, damit der Herrscher ebenfalls aus dem
gleichen Hause kommt. Denen, die dagegen sind, können klare
Argumente vorgelegt werden. Wer mit uns im Hinblick auf Macht
und Herrschaft Muhammads (s.) in Konflikt gerät, stützt sich
auf das Falsche, ist ein Sünder und fällt der Vernichtung
anheim.“
Nach Umar
stand al-Habab wieder auf und sagte zu den Ansar: „Schaut,
bleibt auf eurem Standpunkt und achtet nicht auf die Meinung
dieses Mannes oder seiner Unterstützer. Sie wollen euer Recht
mit Füßen treten. Wenn sie nicht darauf eingehen, dann treibt
sie aus euren Städten und nehmt das Kalifat ein. Wer sonst
könnte berechtigter dazu sein als ihr?“
Als al-Habab
geendet hatte, beschimpfte Umar ihn. Es wurden von jener Seite
ebenfalls schlechte Worte verwendet, und dessen Position
begann sich zu verschlechtern. Als er das sah, wollte Abu
Ubaida ibn al-Dscharrah die Helfer [ansar] beruhigen und sie
auf seine Seite ziehen. Er sagte: „Ihr Helfer [ansar]! Ihr
seid diejenigen, die uns unterstützt und uns in jeder Weise
unterstützt haben. Ändert nun nicht eure Wege und gebt nicht
euer (gutes) Verhalten auf.“
Aber die
Helfer [ansar] weigerten sich, ihre Meinung zu ändern. Sie
waren bereit, Sa´d ihren Treueid zu leisten, und die Leute
wollten gerade zu ihm gehen, als ein Mann aus Sa´ds Stamm,
Bashir ibn Amr al-Chazradschi aufstand und sagte:
„Zweifellos kamen wir wegen der Anstrengung [dschihad] und
unterstützten die Religion, aber Gottgefälligkeit und Gehorsam
gegenüber Seinem Propheten war darin unser Ziel. Es steht uns
nicht an, uns Überlegenheit anzumaßen und in Sachen des
Kalifats Unruhe zu stiften. Muhammad (s.) war von den
Quraisch, und sie haben ein größeres Recht darauf (auf das
Kalifat), und sie sind geeigneter dafür.“
Sobald Bashir
diese Worte gesagt hatte, entstand Zerwürfnis unter den
Helfern [ansar], und das war auch sein Zweck, weil er es nicht
aushalten konnte, dass ein Mann der Helfer [ansar] so hoch
aufsteigen würde, der nicht zu seinem Stamm gehörte. Die
vorislamischen Streitigkeiten der Helfer [ansar] traten wieder
offen zutage. Die Auswanderer [muhadschirun] zogen den
größtmöglichen Vorteil aus diesem Zerwürfnis unter den Helfern
[ansar], und Umar und Abu Ubaida beschlossen, Abu Bakr den
Treueid zu schwören. Sie wollten gerade dafür vortreten, als
Baschir als Allererster seine Hand auf die Abu Bakrs legte,
und danach leisteten Umar und Abu Ubaida ihm den Treueid. Dann
kamen die Angehörigen von Baschirs Stamm und schworen den
Treueid.
Während
dieser Zeit war der Befehlshaber der Gläubigen (a.) mit der
Totenwaschung und dem Begräbnis des Propheten (s.)
beschäftigt. Als er später von der Versammlung bei Saqifa
hörte und davon erfuhr, dass die Auswanderer [muhadschirun]
über die Helfer [ansar] die Oberhand gewonnen hatten, indem
sie hervorgehoben hatten, dass sie vom Stamm des Propheten
waren, äußerte er den schönen Satz, dass sie mit dem Stammbaum
argumentiert, gleichzeitig aber dessen Früchte vernachlässigt
hatten, welche die Mitglieder seiner Familie waren. Das heißt,
wenn der Anspruch der Auswanderer [muhadschirun] aufgrund der
Tatsache bestanden hätte, das sie vom Stamm des Propheten
waren, wie konnten dann diejenigen, welche die Früchte dieses
Baumes waren, wie Imam Ali (a.) ignoriert werden?