97. Predigt – Über die
Gefährten
(Diese
Predigt wurde gehalten) über seine (a.) Gefährten sowie die
(Gefährten) des Gesandten (s.).
Wenn dem Unterdrücker auch eine
Zeitspanne gewährt wird, so verfehlt ihn doch Sein Griff
nicht. Er
wacht über ihn, während er seinen Weg passiert, bis dass etwas
in seiner Kehle ihn würgt. Doch bei Dem, in Dessen Hand meine
Seele liegt, jene Leute
werden über euch die Oberhand gewinnen, nicht weil sie mehr
Recht dazu haben als ihr, sondern wegen ihrer Eile zur
Falschheit ihres Anführers und wegen eurer Schwerfälligkeit in
Bezug auf mein Recht. Die Völker sind dahin gekommen, das
Unrecht ihrer Herrscher zu fürchten, und ich bin dahin
gekommen, das Unrecht meiner Untergebenen zu befürchten.
Ich habe euch zum Kampf und zur
Anstrengung (auf dem Wege Allahs) aufgerufen, aber ihr seid
nicht hervorgetreten. Ich habe euch (meine Warnung) hören
lassen, aber ihr habt nicht zugehört. Ich habe euch gerufen,
insgeheim und öffentlich, doch ihr seid dem nicht
nachgekommen. Ich habe euch aufrichtigen Rat gegeben, aber ihr
habt (ihn) nicht akzeptiert. Seid ihr so anwesend, als ob
(ihr) abwesend wärt, und derartige Diener, als ob ihr Herren
wärt? Ich trage euch Weisheiten vor, doch ihr wendet euch
davon ab, und ich ermahne euch mit weitreichender Ermahnung,
aber ihr zerstreut euch davor. Ich sporne euch zum Kampf an
gegen die Übertreter, doch obwohl ich noch nicht ans Ende
meiner Predigt angelangt bin, sehe ich euch, wie ihr euch
zerstreut wie die Söhne von Saba. Ihr kehrt zu euren
Sitzplätzen zurück und betrügt einander durch eure
Ermahnungen. Ich habe euch am Morgen gerade gerichtet, ihr
aber kommt zu mir am Abend zurück mit verbogenem Rücken. Der
Geraderichtende ist nicht imstande (euch zu führen), da der
Geradezurichtende sich nicht korrigieren lässt.
Oh ihr Leute, deren Körper anwesend, doch
deren Verstand abwesend ist und die unterschiedliche Wünsche
haben! Ihre Befehlshaber werden durch sie geprüft. Euer
Anführer gehorcht Allah, während ihr euch ihm widersetzt, und
der Anführer der Syrer widersetzt sich Allah, doch man
gehorcht ihm. So wünschte ich, bei Allah, dass Muawiya einen
Austausch mit mir macht wie Dinare gegen Dirhams,
dass er zehn von euch von mir nimmt und er mir einen von ihnen
gibt.
Ihr Leute Kufas, ich bin durch euch in
drei Dingen und zwei (anderen) heimgesucht worden: Ihr seid
taub, obwohl ihr Gehör habt, stumm, obwohl ihr sprechen könnt,
und blind, obwohl ihr Augen habt. Ihr seid weder wahrhaftig
aufrichtig im Aufeinandertreffen (der Schlacht) noch
verlässliche Brüder in der Heimsuchung! Mögen eure Hände mit
Erde bedeckt werden! Oh ihr, die ihr ähnlich wie Kamele seid,
deren Hirte abwesend ist. Immer, wenn sie von einer Seite
zusammen getrieben werden, zerstreuen sie sich von der
anderen. Bei Allah, es ist so, als ob ich euch als das sehe,
was ich bei euch vermute. Wenn der Krieg intensiv und der
Beschuss hitzig wird, werdet ihr von dem Sohn des Abu Talib
weg zerstreut werden, wie eine Frau vor Scham davonrennt,
deren Gewand sich von vorn öffnet. Ich bin sicherlich ein
klarer Beweis von meinem Herrn und auf dem Wege meines
Propheten, und ich bin wirklich auf dem klaren Weg, von dem
ich immer (etwas) auflese.
Die Ahl-ul-Bait
Schaut auf die Familie eures Propheten
und haltet euch an ihre Richtung. Folgt ihrer Fußspur, sie
werden euch niemals die Rechtleitung versagen und euch niemals
dem Verderben überantworten. Wenn sie sich erheben, dann
erhebt (auch) ihr euch, und wenn sie sich niederlassen, dann
lasst (auch) ihr euch nieder! Eilt ihnen nicht voraus, sonst
werdet ihr irregehen, und bleibt nicht hinter ihnen zurück,
sonst fallt ihr dem Untergang anheim. Ich habe die Gefährten
Muhammads (s.) gesehen, und ich habe niemanden unter euch
gesehen, der ihnen ähnelt! Sie begannen ihren Tag mit
zerzaustem Haar und Staub auf den Gesichtern
und verbrachten die Nacht in Niederwerfung und stehend (im
Gebet). Sie wechselten (bei der Niederwerfung) zwischen ihrer
Stirn und Wange. In der Erinnerung an ihre Rückkehr (zu Allah)
standen sie wie auf glühender Kohle. Als ob zwischen ihren
Augen (der Druck durch) die Knie von Ziegen wären durch die
Länge ihrer Niederwerfungen! Wenn Allah erwähnt wurde,
schwammen ihre Augen in Tränen, bis ihre Hemden feucht waren.
Sie zitterten vor Furcht vor der Strafe (Allahs), wie die
Bäume an einem stürmischen Tag zittern sowie vor Hoffnung auf
die Belohnung!
Erläuterung
In der Atmosphäre, die nach dem Propheten (s.) geschaffen
worden war, hatten die Ahl-ul-Bait (Prophetenfamilie) keinen
anderen Ausweg, als gezwungenermaßen abgeschlossen zu leben.
Das Ergebnis war, dass zahlreiche Leute über ihre Qualitäten
in Unkenntnis und mit ihren Lehren und Errungenschaften nicht
vertraut waren. Und es wurde damals in grober Missachtung der
Lehren des Islam als größter Dienst am Islam angesehen, sie zu
entwürdigen und sie von der Macht fern zu halten. Wenn Uthmans
offenkundige Missetaten den Muslimen keine Chance gegeben
hätten, ihre Augen zu öffnen, dann hätte es gar keine Frage
von Treueid an den Befehlshaber der Gläubigen (s.) gegeben,
und die zwischenzeitliche Macht wäre auf die gleiche Weise von
ihm zurückgehalten worden, wie es bis dahin auch der Fall
gewesen war. Doch all die, die in Medina für die weitere
Machtergreifung in Frage kamen, hatten aufgrund ihrer eigenen
Unzulänglichkeiten keinen Mut vorzutreten, während Muawiya in
seiner Hauptstadt Damaskus weilte, weit vom Zentrum entfernt.
Unter diesen Umständen gab es niemand anderen als den
Befehlshaber der Gläubigen (a.), der in Frage kam. Folglich
hefteten sich die Augen der Leute auf ihn. Aber es lag nicht
in ihrer Absicht, den Besten an die Macht zu bringen, dem es
ohnehin zustand, sondern die Notsituation des Machtvakuums
irgendwie zu überbrücken. Und dieselben gewöhnlichen Leute,
die ihr Mäntelchen nach dem Wind hängten, die auch anderen den
Treueid geleistet hatten, sprangen nun zu ihm, um ihm
(ebenfalls) den Treueid zu leisten. Dieser Treueid erfolgte
allerdings nicht aufgrund der Tatsache, dass sie sein Kalifat
als von Allah gegeben und ihn als einen göttlich legitimierten
Anführer ansahen, dem zu gehorchen verpflichtend war.
Es gab nur eine kleine Gruppe, die ihm den Treueid als eine
religiöse Pflicht schwor, da sie sein Kalifat als von Allah
festgelegt betrachteten. Ansonsten betrachtete ihn die
Mehrheit als einen Herrscher wie die anderen Kalifen und
hinsichtlich der Priorität erst an vierter Stelle, oder auf
dem Niveau eines normalen Mannes nach den ersten drei Kalifen.
Da das Volk, die Armee und die Staatsdiener von der Denkweise
und den Taten der vorangegangenen Herrscher beeinflusst waren
und sich ihre Art zu eigen gemacht hatten, reagierten sie mit
Ärger auf den Entzug unrechtmäßiger Privilegien, entzogen sich
dem Krieg und waren bereit, sich in Ungehorsam und Revolte
zu erheben. Weiterhin gab es unter ihnen, genauso wie unter
denen, die auf Seiten des Propheten (s.) standen, Leute, die
diese Welt anstrebten, und andere, die das Jenseits begehrten,
und in der gleichen Weise mangelte es nicht an weltlich
orientierten Leuten, die zwar augenscheinlich auf der Seite
des Befehlshabers der Gläubigen (a.) standen, aber in
Wirklichkeit Verbindungen zu Muawiya hatten, der einigen von
ihnen Positionen versprochen und andere mit der Versuchung des
Reichtums gelockt hatte. Sie als Schiiten
des Befehlshabers der Gläubigen (a.) zu betrachten und die
Schia dafür schuldig zu sprechen, kommt dem Verschließen der
Augen vor den Tatsachen gleich, denn der Glaube dieser Leute
war der gleiche wie der Glaube derjeniger, die den
Befehlshaber der Gläubigen (a.) als den Vierten in der Serie
ansahen.
Ibn Abu-l Hadid beleuchtet diese Leute in klaren Worten:
„Wer detailliert die Ereignisse während der Periode des
Kalifats des Befehlshabers der Gläubigen beobachtet, wird
wissen, dass der Befehlshaber der Gläubigen in die Enge
getrieben wurde, weil die, die seine wahre Stellung kannten,
sehr wenige waren, und weil die überwältigende Mehrheit nicht
diesen Glauben an ihn hatte, der obligatorisch war. Sie gaben
den vorherigen Kalifen den Vorzug über ihn und hielten das
Kalifat für einen Faktor für deren Vorzüglichkeit, und in
dieser Angelegenheit folgten die Späteren ihren Vorgängern und
argumentierten, dass, wenn die Vorausgegangenen nicht das
Wissen gehabt hätten, das die vorangegangenen Kalifen einen
Vorzug gegenüber dem Befehlshaber der Gläubigen gehabt haben,
sie nicht diese ihm vorgezogen hätten. Vielmehr war es so,
dass diese Leute den Befehlshaber der Gläubigen als einen
(gewöhnlichen) Bürger und Untergebenen kannten. Die meisten
derer, die in seiner Kompanie kämpften, taten das aufgrund von
Prestige oder aus arabischem Nationalismus, nicht aufgrund von
Religion oder Glauben.“
Das Gleichnis
über die Söhne von Saba in der Predigt hat folgenden
Hintergrund: Die Nachkommenschaft von Saba ibn Yaschub ibn
Qahtan ist als Stamm der Saba bekannt. Als diese Leute
begannen, Propheten zu fingieren, sandte Allah zur Strafe eine
Flut auf sie, die ihre Gärten überschwemmte, weshalb sie ihre
Häuser und Eigentümer verließen, um sich in verschiedenen
Städten niederzulassen. Dieses Sprichwort entstand aus dieser
Begebenheit heraus und wird dann angewandt, wenn Leute sich so
zerstreuen, dass es keine Hoffnung mehr gibt, sie wieder zu
vereinen.