Quran im Islam
Der Quran im Islam

Mehr zum Autor siehe: Allama Sayyid Muhammad Husain Tabatabai

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Der Quran im Islam

Einwände und Antworten

Einwand: Sie haben unter dem Vorwand, die Vernunft sei nicht imstande, Verstöße gegen das Gesetz zu verhindern, die Pflicht der Gesetzgebung, oder, um sich der Quranischen Ausdrucksweise zu bedienen, das Hinführen des Menschen zu seiner artspezifischen Glückseligkeit, der Vernunft entrissen und der Offenbarung und der Berufung überlassen, während die Gesetze und Bestimmungen der Offenbarung ebenfalls außerstande sind, da etwas zu erreichen und die Verstöße zu verhindern. Im Gegenteil, die Verstöße gegen die religiösen Bestimmungen sind noch zahlreicher und die Neigung der Menschen, sie einzuhalten, viel geringer.

Antwort: Die Wegweisung ist eine Sache und deren Befolgung eine andere. Die Schöpfung hat nach dem allgemeinen Gesetz der Rechtleitung den Zweck, die Spezies Mensch durch irgendein Mittel zu einem Gesetz, das seine Glückseligkeit gewährleistet, hinzuführen, jedoch nicht, ihm den Weg der Übertretung praktisch zu verbauen oder die Menschen zur Befolgung der Gesetze zu zwingen.

Die Tatsache, dass wir die Gesetzesübertretungen, die keine Folgen für die Handlungsfreiheit der Handelnden haben, als Grund für die Unzulänglichkeit der Vernunft erachten, besagt nicht, dass die Vernunft das Handeln nicht verhindert, sondern besagt lediglich, dass die Vernunft in diesen Fällen überhaupt kein Urteil fällt und zu keiner gegenseitigen Hilfe und Befolgung des Gesetzes aufruft, denn die Vernunft entscheidet nur der Not gehorchend, weil die Nachteile der Störungen, die die Handlungsfreiheit schließlich doch behindern, überwiegen. Wer nach diesem Prinzip entscheidet, wird vom Verstoß gegen das Gesetz, der ja Handlungsfreiheit bedeutet, nicht abraten und die Befolgung des Gesetzes, die ja im Grunde die Einschränkung der Freiheit ist, nicht empfehlen, wo keine Störung und Behinderung zu befürchten ist.

Da die Vernunft nicht in jedem Falle zur Befolgung des Gesetzes rät, kann sie kein ausreichendes Mittel zur ständigen Rechtleitung des Menschen sein. Dagegen gebietet die Offenbarung ausnahmslos die allgemeine und ständige Einhaltung des Gesetzes und überlässt die Entscheidung einem allmächtigen und allwissenden Gott, der in jeder Situation die Menschen beobachtet und ihnen ohne Diskriminierung ihre guten Werke belohnt und ihre bösen Taten bestraft.

Gott der Erhabene sagt:

„Die Entscheidung steht Gott allein zu.“ (12:40)

Und er sagt noch:

„Wenn dann einer (auch nur) das Gewicht eines Stäubchens an Gutem getan hat, wird er es zu sehen bekommen. Und wenn er (auch nur) das Gewicht eines Stäubchens an Bösem getan hat, wird er es (ebenfalls) zu sehen bekommen.“ (99:7-8)

Und er sagt:

„Wahrlich, Allah wird zwischen ihnen am Tage der Auferstehung entscheiden. Er ist über alles Zeuge.“ (22:17)

Und es heißt weiter:

„Wissen sie denn nicht, dass Allah weiß, was sie geheim halten, und was sie bekanntgeben?“ (2:77)

und:

„Allah beobachtet alles.“ (33:52)

Daraus ergibt sich deutlich, dass eine Offenbarungsreligion eher geeignet ist, Verstöße und Übertretungen zu verhindern, als die normalen von Menschen gemachten Gesetze, denn die letzten Mittel, die diese zur Verhinderung der Gesetzesübertretungen zur Verfügung haben, sind die Menschen selbst, die die offenen Taten ihrer Mitmenschen beurteilen und das Strafmaß für die Gesetzesbrecher bestimmen. Sie können jedoch erst handeln, wenn die Exekutive stark und das Verbrechen offen kundig genug ist.

Doch die Offenbarungsreligion hat erstens wie die irdischen Gesetze und Regime besondere Beobachter für die offenen Taten der Menschen. Sie hat zweitens durch die religiöse Pflicht, „das Rechte zu gebieten und das Verwerfliche zu verbieten“[1], jeden Menschen ohne Ausnahme zum Beobachter der Taten seiner Mitmenschen und zum Wächter über das Gesetz bestellt. Es ist drittens ein Bestandteil des religiösen Glaubens, dass die guten und die bösen Taten der Menschen registriert und bis zum Tage des Gerichts aufbewahrt werden. Darüber hinaus weiß Gott über die Menschen und ihre Taten bestens Bescheid. Er ist immer und überall anwesend und beobachtet alles.

Zu den Strafen, die die Menschengesetze für jedes Vergehen bestimmt haben, kommen noch diejenigen hinzu, die nach religiösem Glauben am Tage des Gerichts ausnahmslos und ohne Ansehen der Person verhängt werden. Der erhabene Gott sagt:

„O ihr, die ihr glaubt, gehorchet Allah und gehorchet dem Gesandten und den Leuten des Befehls unter euch.“ (4:59)

Und er sagt:

„Und unter den gläubigen Männern und Frauen sind einige Beschützer der anderen. Sie gebieten, was recht ist, und sie verbieten, was verwerflich ist.“ (9:71)

Und er sagt:

„Über euch sind wahrlich Hüter gesetzt: Vornehme, die alles schreiben und wissen, was ihr tut.“ (82:10-11)

Und er sagt:

„Dein Herr wacht über alles.“ (34:21)

Ein weiterer Einwand: Nach dem bisher Gesagten gebietet die Vernunft nicht in jedem Falle, die Gesetze einzuhalten und Verstöße dagegen zu verhindern. Diese Feststellung widerspricht jedoch einigen Überlieferungen, die von den Imamen aus dem Hause des Propheten überliefert worden sind. Nach diesen Überlieferungen hat der erhabene Gott seinem Geschöpf zwei Beweisgründe zur Verfügung gestellt: Einen äußeren Beweisgrund, nämlich den Propheten, und einen inneren Beweisgrund, die Vernunft. Doch die Vernunft trifft – wie wir oben erfuhren – nicht immer eine Entscheidung über die Gesetzesverstöße und kann daher auch nicht als Beweisgrund in Anspruch genommen werden.

Antwort: Die Handlung der praktischen Vernunft besteht ausnahmslos darin, Gewinne zu erzielen und Schäden zu vermeiden. Wenn der gewinnsüchtige Mensch, der sich die anderen dienstbar zu machen versucht, dem Zwang der Umstände gehorchend die gegenseitige Hilfe akzeptiert und wenn dieser Zwang von denen herrührt, deren Aktivitäten dieser Mensch zu seinen Gunsten ausnutzen will, oder von denen ausgeübt wird, die die Strafgesetze anwenden, wird die Vernunft in anderen Fällen, in denen sie keinem Zwang unterliegt, die Notwendigkeit der Gesetzestreue nicht verlangen und die Gesetzesverstöße nicht ablehnen.

Ist jedoch das Gebot Gottes – wie es die Offenbarungstheorie erfordert – die Quelle dieses Zwanges, so dass die ausnahmslose Bestrafung der Vergehen und die Überwachung der guten und der bösen Taten dem allgegenwärtigen, allwissenden und allmächtigen Gott überlassen worden ist, so spielt hier die Vernunft, die sich ja beim Fehlen des Notstandes weigert zu entscheiden, keine Rolle und entscheidet so, wie die Offenbarung entschieden hat.

Der erhabene Gott sagt:

„Ist etwa einer, der über einen jeden steht, (um ihn) für das (zu belangen), was er begangen hat, wie die anderen?“ (13:33)

Und er sagt:

„Es gibt niemanden, über den nicht ein Hüter eingesetzt wäre.“ (86:4)

Und er sagt:

„Ein jeder haftet für das, was er begangen hat.“ (74:38)

[1] Vgl. dazu Heiliger Quran 3:104, 3:114, 9:71, 9:112, 22:41

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