Der Quran im Islam
In welchem Sinne ist der Mensch gesellig?
Es ist unbestritten, dass der Mensch
gesellig ist und dass er schon immer in Gesellschaft lebte,
wobei sich die Menschen gegenseitig halfen, um ihre
Bedürfnisse zu befriedigen. Die Frage ist nun, ob er die
gegenseitige Hilfe und die Zusammenarbeit von Natur aus will
und von Anfang an bestrebt ist, seine Aktivitäten in
Gemeinschaft mit anderen zu entfalten und von dem Ertrag der
gemeinsamen Arbeit je nach seinem gesellschaftlichen Gewicht
seinen Anteil zu bekommen?
Soweit wir es feststellen können, hat die
menschliche Natur Bedürfnisse, Gefühle und Wünsche, durch die
in dem Menschen Kräfte mobilisiert werden. In diesem Stadium
weiß der Mensch noch nichts über die Bedürfnisse und Wünsche
der anderen. Um seine Bedürfnisse zu befriedigen, macht sich
der Mensch alle Dinge dieser Welt nutzbar. Er nimmt sie zu
Hilfe, um sein Ziel zu erreichen. Alle Pflanzen von den
Blättern bis zu den Wurzeln, alle Tiere und Tierprodukte
werden zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse verbraucht.
Er stellt sie in seinen Dienst, um die Vorteile zu genießen,
die sie ihm bringen.
Wird ein Mensch von dieser Eigenart, der
alles, was er vorfindet, in den Dienst seiner Interessen
stellt, seine Mitmenschen respektieren, wenn er ihnen
begegnet? Wird er anders verfahren und ihnen aufrichtig die
Hand zur gegenseitigen Hilfe und Zusammenarbeit reichen und
auf einen Teil seines Gewinns verzichten, um sie daran zu
beteiligen? Niemals! Doch einerseits empfindet der Mensch
zahlreiche Bedürfnisse, die er allein nicht befriedigen kann,
und weiß, dass er zu diesem Zweck teilweise die Hilfe seiner
Mitmenschen braucht, andererseits jedoch sieht er ein, dass
die Kraft, die er besitzt und die geheimen Wünsche, die er
hegt, auch andere Menschen, die ihre Interessen verteidigen
und darauf nicht verzichten, gleichermaßen treiben.
Daher beugt er sich dem Zwang der
gesellschaftlichen Zusammenarbeit und gibt einen Teil des
Ertrages seiner Arbeit zur Behebung der Bedürfnisse anderer
Menschen ab und bekommt als Gegenleistung einen Anteil an
ihrem Gewinn, um seine Mängel zu beheben. Tatsächlich
beteiligt er sich an einem allgemeinen Handel, der stets
betrieben wird und bei dem alles zum Verkauf steht.
Die Arbeit der Gesellschaft ergibt
schließlich den Gesamtertrag, aus dem jeder je nach seinem
gesellschaftlichen Gewicht, d.h. je nach dem Wert seiner
Arbeit, seinen Anteil erhält. Aus diesen Erörterungen wird
deutlich: Die ursprüngliche Eigenart des Menschen erfordert,
dass er versucht, die anderen in seinen Dienst zu stellen und
den Ertrag ihrer Arbeit zu seinem Zweck zu nutzen. Er beugt
sich lediglich notgedrungen dem Zwang der Solidargemeinschaft.
Die Beobachtung kindlichen Verhaltens macht dies besonders
deutlich: Das Kind verlangt ohne Wenn und Aber alles, was es
gerade wünscht. Es versucht, seinem Verlangen mit Weinen
Nachdruck zu verleihen. Mit fortschreitendem Alter betritt es
die gesellschaftliche Szene, erkennt die Situation und
verzichtet allmählich auf übertriebene Wünsche, bis es als
erwachsener Mensch vollständig in die Gesellschaft integriert
wird und seine Maßlosigkeit in gewissem Sinne vergisst.
Ein anderer Beweis für diesen Sachverhalt
ist die Tatsache, dass der Mensch der Solidargemeinschaft und
deren Erfordernissen rücksichtslos den Rücken kehrt, seine
Mitmenschen in seinen Dienst stellt und den Gewinn ihrer
Arbeit ohne Gegenleistung beansprucht, sobald er die
notwendige Macht dazu erlangt.
Der erhabene Gott weist im Quran auf
diese Solidargemeinschaft hin:
„Wir haben ihren Lebensunterhalt im
diesseitigen Leben unter ihnen verteilt und den einen von
ihnen einen höheren Rang verliehen als den anderen, damit die
einen von ihnen die anderen sich dienstbar machen würden.“
(43:32)
Das ist ein Hinweis auf den tatsächlichen
Zustand dieser menschlichen Solidargemeinschaft, in der jedes
Mitglied in einem bestimmten Lebensbereich den anderen
überlegen ist, so dass sich die Menschen bis zu einem gewissen
Grad voneinander unterscheiden. Jeder versucht, sich die
anderen auf dem Gebiet, auf dem er überlegen ist, dienstbar zu
machen und ihre Handlungen zu seinen Gunsten zu nutzen. Daher
sind die Mitglieder einer Gemeinschaft miteinander verwoben
und bilden eine gesellschaftliche Einheit.
Es heißt weiter:
„Doch der Mensch ist ungerecht.“
(14:34)
und:
„Er ist ja wirklich ungerecht und
töricht.“ (33:72)
Der Vers weist daraufhin, dass der Mensch
seiner Natur entsprechend darauf aus ist, sich alles dienstbar
zu machen und dass er daher persönliche Grenzen überschreitet
und Anspruch auf den Gewinn von anderen erhebt