Vierter Teil
Dienstag, 15. Mai
Heute morgen stellt mich der Fürst D... Seiner Hoheit
Zelleh-Sultan, dem Bruder Seiner Majestät des Schahs, dem
Vezir von Ispahan und Irak, vor. Aufeinander folgende Gärten
führen bis zu seinem Schloß, sie sind natürlich voller weißer
Heckenrosen und rosa Rosen; sie werden verbunden durch Tore,
vor die man Wächter aufgestellt hat, und diese Tore tragen
alle das persische Wappen: über dem Gesims ein Löwe und eine
Sonne.
Ich erwartete bei diesem Satrapen den Luxus von
Tausendundeiner Nacht, einen sprichwörtlichen Reichtum zu
finden; aber es war eine vollständige Täuschung, sein moderner
Palast könnte jedem Beliebigen gehören, wenn nicht die
wunderbaren Teppiche wären, die zu betreten eine Entweihung
ist. In dem Salon, wo Seine Hoheit uns empfängt, liegen Bücher
auf dem Schreibtisch aufgestapelt, und geographische Karten
hängen eingerahmt an den Wänden. Zelleh-Sultan ist verbindlich
und geistreich, er hat einen schneidenden Blick, ein bitteres
Lächeln. Ich lasse hier eine kurze Schätzung der beiden
benachbarten Völker folgen, die wörtlich von ihm stammt: »Von
den Russen haben wir stets nur gute Dienste erfahren. Von den
Engländern im Süden unseres Landes beständige
Eroberungsversuche, und zwar mit Benutzung von Mitteln, wie
sie das ganze Weltall an ihnen kennt.«
In derselben Gegend der Stadt liegen die großen Gärten und
das verlassene Schloß der alten Sophis-Könige, Nachfolger des
Schah-Abbas, deren Dynastie sich immer eleganter, immer
verfeinerter bis zur afghanischen Überschwemmung hielt (1721
nach unserer Zeitrechnung). Auch hier herrschen die
Heckenrosen, aber vor allem die rosenroten Rosen, man sieht
jedoch auch jene altmodischen Blumen, die man bei uns kennt,
und die man »Priesterblumen« nennt: Löwenzahn, Rittersporn,
Ringelblume, Tausendschön und Levkojen. Die Rosenstöcke
wachsen hier so groß wie Bäume, die Platanen sind Riesen –
immer von unten beschnitten, wie weiße Säulen geformt –, sie
bilden regelmäßige Alleen, die mit ihrer ein wenig dunklen
Fliesenpflasterung die langen, geraden, altmodisch
abgesteckten Wasserbassins einrahmen. Der Palast, der inmitten
dieser Schatten, dieser zwei- oder dreihundert Jahre alten
Lustgärten thront, nennt sich der Palast der vierzig Spiegel.
Man sieht ihn stets über seinem eigenen Bilde liegen, das von
einer ruhigen Wasserfläche zurückgeworfen wird, darum nennt
man ihn auch den Palast der vierzig Säulen, obgleich er in
Wirklichkeit nur zwanzig hat, aber die Perser zählen das
umgekehrte Spiegelbild mit, das seit Jahrhunderten nicht von
dieser blanken, trostlosen Fläche vor der Schwelle
verschwunden ist. In unseren Augen erscheint dieser Palast die
seltsame Linienführung, die übertriebene Schlankheit der
achämenidischen Baukunst zu besitzen; die wunderbar hohen,
gebrechlichen Säulen tragen ein flaches Dach, und sogar die
langen gestützten Platanen, die es umgeben, setzen in dem Park
die aufrechtstrebende Linie fort. Ungeheure Vorhänge, seit der
Verheerung der Barbaren verschwunden, bildeten scheinbar den
Abschluß vor den Sälen, in die das Auge heute bis zum
Hintergrunde, wie in eine Art prächtig ausgestatteter Halle
vordringen kann. Zur Zeit der prunkvollen Empfänge, als alle
diese Vorhänge geöffnet waren, konnte man von draußen den
Schah in einer glitzernden, goldenen Ferne, gleich einem
Götzenbild auf seinem Thron sitzen sehen. Der Hauptfarbenton
zeigt ein mattes Gold, ein blasses Rot; aber die Säulen mit
ihrer Mosaikbekleidung aus Spiegelstückchen, die das Alter
oxydiert hat, schimmern wie Silber.
Der weit geöffnete, schweigende Palast scheint nicht der
Wirklichkeit anzugehören, und doch ist sein Spiegelbild in
diesem traurigen Wasserbecken noch weit unwahrscheinlicher. An
dem Rande des viereckigen Bassins, das schon so lange das
Schloß der verschwundenen Könige widerspiegelt, halten
ungekünstelte, kleine Statuen aus grauem Kiesel, so wie in
Persepolis, Blumentöpfe in die Höhe. Der Umkreis ist mit
großen, grünlichen Fliesen gepflastert, über die einst die
vielen gestickten, vergoldeten Babuschen dahineilten. Und
überall Rosen, Heckenrosen, die sich an den glatten, weißen
Stämmen der Platanen hinaufwinden.
Im Innern herrscht das rote Gold, herrschen die geduldigen
Spiegelmosaiks, die stellenweise noch wie Diamanten funkeln
können; unter den kleinen Kuppelgewölben vereinen die
Arabesken und Zellen sich zu einer nicht entwirrbaren
Verschlingung. Ganz im Hintergrunde erhebt sich in der Mitte
ein gewaltiger spitzbogiger Rahmen und umgibt den Thron und
den Herrscher gleichsam mit einer Strahlenkrone; er scheint
wie mit Eiszapfen, mit Rauhreif ausgelegt zu sein; und über
den Gesimsen fügen sich die Bilder in wunderbar feiner
Ausführung aneinander, sie stellen Festgelage,
Schlachtenszenen dar; man sieht dort einige altertümliche,
übertrieben schöne Könige, mit langen Augenwimpern, mit
langen, seidenweichen Bärten, der Körper ist in Goldbrokat
gehüllt, und sie sind mit Edelsteinketten behangen.
Hinter diesen traumhaften Sälen, die sich immer wieder auf
der Oberfläche des Wassers verdoppeln, liegen, geschützt von
den Bäumen, zahllose Nebengebäude, sie erstrecken sich bis zu
dem Palast, der heute von Zelleh-Sultan bewohnt wird. Es waren
dies die Harems der Prinzessinnen, der untergeordneten Frauen,
auch lagen hier die Speicher für die aufgehäuften Vorräte, für
die phantastischen Reichtümer: Speicher für die Kasten und
Kisten, Speicher für die Fackeln, Speicher für die Gewänder
usw., und hier hat man auch das Weinlager zu suchen, von dem
Chardin im siebzehnten Jahrhundert uns erzählt, daß es
angefüllt sei mit Schalen und Karaffen, »aus venezianischem
Glas, aus Porphyr, aus Beilstein, aus Korallen, aus kostbaren
Steinen«. – Es gibt hier sogar unterirdische Säle aus weißem
Marmor, die man für die heißen Sommertage erbaut hatte, und an
deren Wänden wirkliches Wasser herabfloß.
Von meinen morgendlichen Streifzügen kehre ich in dem
Augenblick zurück, wo die Muezzine zum Mittagsgebet rufen (es
ist zwölf Uhr, oder kurz davor). In Ispahan geben die
Gebetsausrufer die Stunde an, wie es bei uns die Schläge der
Turmuhren tun. Sie singen mit ernstem Ton, was man in den
anderen Ländern des Islam nicht kennt. In der benachbarten
Moschee stehen mehrere Muezzins zusammen, sie rufen, sie
wiederholen in langgezogenen Lauten den Namen Allahs, und es
umgibt sie das Schweigen des Mittags, der Schlaf und das
Licht, das mit jedem Tage stechender wird. Während ich ihnen
lausche, scheine ich dem Weg ihrer Stimme folgen zu können,
ich fühle sie über die geheimnisvollen Wohnungen der Umgegend
dahinstreichen, über alle diese Gärten voller Rosen, in deren
Schatten die Frauen, die man niemals sieht, ohne Maske
vertrauensvoll im Schutz der hohen Mauern sitzen.