Vorspiel
Wer mit mir kommen und die Zeit der Rosenblüte in Ispahan
sehen will, der entschließe sich, langsam in Etappen an meiner
Seite zu wandeln, so wie im Mittelalter.
Wer mit mir kommen und die Zeit der Rosenblüte in Ispahan
sehen will, der mache sich gefaßt auf die Gefahren eines
Rittes über unwegsame Pfade auf stürzenden Pferden und auf das
Gewirre der Karawansereien, wo man übereinander geschichtet in
einer Nische aus gestampftem Lehm zwischen Mücken und
Ungeziefer schläft.
Wer mit mir kommen und in ihrer trübseligen Oase, inmitten
ihrer Felder von weißem Mohn und ihrer Gärten von roten Rosen
die alte Stadt der Ruinen und der Mysterien, mit allen ihren
kleinen Kuppeln, ihren blauen Minaretts von unwandelbarer
Glasur aufsteigen sehen will, wer mit mir kommen und Ispahan
unter dem schönen Maienhimmel sehen will, der bereite sich vor
auf lange Märsche, in der sengenden Sonne, bei den rauhen
kalten Winden der höchsten Regionen, über diese Hochländer
Asiens, die hochgelegensten und ausgedehntesten der Welt, die
einst die Wiege der Menschheit waren, heute aber in Wüsten
verwandelt sind.
Wir reiten vorüber an Phantomen von Palästen aus mausgrauem
Kiesel, dessen Gestein dauerhafter und feiner ist als das des
Marmors. Dort wohnten einstmals die Herren der Erde, und an
ihrem Eingang wachen seit mehr als zweitausend Jahren Kolosse
mit großen Flügeln, von der Gestalt eines Stieres, dem Antlitz
eines Menschen und der Tiara eines Königs. Wir reiten vorüber,
aber hinfort sehen wir nichts als das unendliche Schweigen der
blühenden Gräser und der grünenden Gerste.
Wer mit mir kommen und die Zeit der Rosenblüte in Ispahan
sehen will, der mache sich gefaßt auf unermeßliche Ebenen, so
hoch gelegen wie die Gipfel der Alpen, bekleidet mit niedrigen
Kräutern und seltsamen bleichen Blüten, wo nur hin und wieder
ein aus taubengrauem Lehm erbautes Dorf auftaucht, mit seiner
kleinen baufälligen Moschee, deren Dom von entzückenderem Blau
ist, als das eines Türkis, wer mir folgen will, der füge sich
in eine lange Reihe von Tagen, deren Einsamkeit und
Eintönigkeit nur von Luftspiegelungen unterbrochen wird.