Zivilisation und ...

Reise einer Wienerin in das Heilige Land

Ida Pfeiffer

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Aufenthalt in Konstantinopel

Der Bazar

In die eigentliche Stadt Konstantinopel gelangt man auf einer großen, langen und breiten hölzernen Brücke, die über das Goldene Horn führt. Die Stadt hat etwas bessere Gassen und Pflasterung wie Pera. Reges Leben herrscht nur auf und in den Bazaren und am Meeresgestade. In den übrigen Gassen ist es ziemlich tot.

Der Bazar ist von unendlichem Umfang, mit bunten, gedeckten, sich durchkreuzenden Gassen, die das Licht von oben erhalten. Jeder Handelsartikel hat seine eigene Straße. In der einen sitzen lauter Goldarbeiter, in der andern die Schuhmacher, hier sieht man nichts als Seidenstoffe, dort wieder echte Schals usw.

Jeder Kaufmann hat einen kleinen, offenen Kramladen, vor welchem er sitzt und die Vorübergehenden beständig zum Kaufen einlädt. Wer etwas kaufen oder ansehen will, setzt sich auch vor die Bude. Die Kaufleute sind sehr gutmütig und gefällig: willig entfalten und zeigen sie ihre Schätze, selbst wenn sie merken, daß man nicht im Sinn hat, etwas zu kaufen. Ich stellte mir jedoch die Auswahl und Pracht der Waren viel großartiger vor, als ich sie fand; das kommt aber daher, weil man die wahren Schätze der Kunst und Natur wie echte Schals, Edelsteine, Perlen, kostbare Waffen, Goldstickereien und so weiter nicht hier suchen darf; diese sind in den Wohnungen oder Magazinen der Eigentümer hinter Schloß und Riegel wohl verwahrt. Dorthin muß man wandern, wenn man das Vorzüglichste sehen will.

Am zahlreichsten sind die Gassen der Schuh- oder Pantoffelmacher. Da sieht man eine Pracht und einen Reichtum, den man sich nicht leicht vorstellen kann. Es gibt Pantoffeln, von denen das Paar tausend Piaster (ein Piaster gilt in der Türkei fünf Kreuzer), ja wohl noch mehr kostet. Sie sind mit Gold bestickt und mit Perlen und Edelsteinen geziert.

Auf dem Bazar ist beständig eine so große Lebhaftigkeit, daß man Mühe hat sich durchzudrängen, obwohl der Mittelraum sehr breit ist und man nur selten Reitenden oder Fahrenden auszuweichen braucht. Allein die Bazare und Bäder sind die Versammlungs- und Unterhaltungsorte der türkischen Frauenwelt. Unter dem Vorwand des Kaufens oder Badens schlendern sie oft halbe Tage herum und unterhalten sich mit Plaudern, mit Liebesabenteuern oder mit Warenansehen.

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