Zivilisation und ...

Reise einer Wienerin in das Heilige Land

Ida Pfeiffer

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Aufenthalt in Konstantinopel

Feste in Konstantinopel

Während meiner Anwesenheit in dieser Stadt war ich so glücklich, einigen recht interessanten Festen beizuwohnen. Das schönste darunter war jenes am 23. April, dem Sterbetag Mohammeds.

Schon am Vorabend hatten wir ein feenartiges Zauberbild. Es wurden die Spitzen aller Minarette mit Hunderten von Lämpchen erleuchtet, und da es eine große Menge solcher schlank gebauter Türmchen gibt, so kann man sich das Flammenmeer in den Lüften vorstellen. Die türkischen Schiffe boten dasselbe Schauspiel im Hafen dar. An jeder Luke, wo sonst der Schlund einer Kanone herausstarrte, stand statt derselben eine große Lampe. Um neun Uhr abends wurden von jedem Schiff Salven gegeben, und in demselben Augenblick, als geschossen wurde, verschwanden die Lampen, Blitz und Pulverdampf umgaben die Schiffe, und gleich darauf, wie durch einen Zauberschlag, standen die Lampen wieder an ihrem Platz. Dies wiederholte sich dreimal.

Der Morgen des 23. wurde mit dem Donner der Kanonen begrüßt. Alle türkischen Schiffe hatten ihre Flaggen gehißt, und farbige Papiergirlanden schlangen sich bis an die höchsten Spitzen der Masten.

Um neun Uhr ging ich in Gesellschaft mehrerer Fremden nach Konstantinopel, um den feierlichen Zug des Großherrn nach der Moschee zu sehen. Militär war so wie bei uns zu beiden Seiten aufgestellt. Den Anfang des Zuges bildeten das Offizierkorps und die Beamten des Staates, jedoch folgte immer nach zwei Offizieren oder Beamten deren Dienerschaft, meist zwölf bis fünfzehn Leute in sehr gemischten Anzügen, halb europäisch, halb türkisch, halb militärisch; kurz ein rechtes Quodlibet. Dann kamen die Prachtpferde des Sultans, herrliche Tiere, größtenteils echte Araber, die mit reich mit Gold, Edelsteinen und Perlen bestickten Decken geziert waren und stolz ihre Köpfe unter schönen Schwungfedern wiegten. Ihre stolze Haltung und ihr schöner Gang entzückten alle Pferdekenner. Hierauf folgten viele Pagen zu Fuß; diese sind aber keine Jünglinge wie in andern Ländern, sondern erprobte Männer. In ihrer Mitte ritt der jugendliche Kaiser, gehüllt in seinen Mantelkragen, den Fez geschmückt mit einem schönen Reiher, welcher von dem größten Diamant, der in Europa existiert, gehalten wird, auf dem Kopf. Wo der Sultan vorüberzog, begrüßte ihn der Freudenruf des Militärs, nicht der des Volkes. Das Militär beschloß den Zug; die Haltung desselben ist jedoch nicht halb so stolz und erhaben wie jene der Pferde, was ich ganz natürlich finde; letztere darf kein böses Auge betrachten, während erstere ganz der Willkür ihrer Offiziere anheimgestellt sind. Auch ich möchte lieber des Sultans Pferd als dessen Soldat sein.

Die Uniformen der Offiziere, die mit Gold überladen sind, gleichen sehr jenen unserer Husaren. Die Gemeinen haben recht bequeme Hosen und Jacken aus blauem Tuch mit roten Aufschlägen; manche hatten ganz rote Jacken. Die Artilleristen haben rote Brustlätze. Ihre Fußbekleidung ist unter aller Kritik; einige haben Stiefel, oft sogar mit Sporen, andere Schuhe, die hinten eingetreten und ganz zerrissen waren; manche wieder Pantoffeln. Strümpfe trägt keiner, und so blickt überall der nackte Fuß hervor. Ebenso ungeregelt ist die Zusammenstellung der Mannschaft, gar oft steht ein Zwerglein neben einem Riesen, ein zwölf oder vierzehnjähriger Junge neben einem angehenden Greis, ein Schwarzer neben einem Weißen usw.

Es war bei diesem Fest sehr viel Volk versammelt, und bei allen Fenstern sah man nichts als vermummte Frauenköpfe.

Man warnte uns, diesem Fest beizuwohnen, da es ein rein religiöses sei und der Fanatismus der Muselmänner den Franken Unannehmlichkeiten zuziehen könne. Aber Gott sei Dank, die Neugierde der Gesellschaft, mit welcher ich ging, war größer als ihre Furcht, wir drängten uns überall durch, und ich hatte abermals Gelegenheit, mich zu überzeugen, daß man den guten Türken in manchem unrecht tut. Nicht nur, daß wir von niemandem beleidigt wurden, wir errangen sogar mit leichter Mühe recht gute Plätze.

Die Griechen hatten an ihren Osterfeiertagen ein Fest auf dem großen Campo. An allen drei Tagen ziehen die Hamaks (Wasser- und Lastträger) nach dem Gottesdienst mit Spiel und Gesang, unter Lärm und Geschrei ihre Sacktücher in den Lüften schwingend, in Massen nach dem Campo, teilen sich da in verschiedene Gruppen und unterhalten sich so wie in allen Ländern. Es sind eine Menge Zelte aufgeschlagen, worunter gekocht und gebraten wird. Da sitzen ganze Gesellschaften auf dem Boden oder auf den Grabsteinen und essen und trinken in gemütlicher Ruhe; dort sieht man mehrere Schaukeln, überladen mit Männern und Kindern; da hört man einen Dudelsack sausen oder eine Pfeife und eine Trommel lärmen, daß man die Ohren zuhalten möchte, wobei ein wahrer Bärentanz aufgeführt wird. Sechs, acht Tänzer schließen um den Musikchor einen halben Zirkel, die beiden Flügelmänner dieser leichtfüßigen Erdentreter schwingen beständig ihre Sacktücher in die Höhe und tappen dabei plump und langsam im Kreis herum. Die Frauen können zwar bei diesem Fest erscheinen, aber sie dürfen weder am Tanz noch am Schaukeln teilnehmen. Sie halten sich dafür tapfer an das Naschwerk, an Kaffee und Leckereien jeder Art. Die wohlhabendere Klasse fährt an diesen Tagen nach Balukli, um das Wunder der halbgebackenen und dennoch lebenden Fische anzustaunen.

Da die Griechen nicht so gutmütig sind wie die Türken, so nehmen letztere selten teil an diesen Unterhaltungen. Türkinnen kommen gar nicht hin.

Am 8. Mai sah ich ein echt türkisches Fest in der Nähe des Pfeilplatzes.

In der Ebene, welche rings von Hügeln umgeben ist, bildeten Menschen aller Nationen einen weiten, aber dichten Kreis. Kawasse (Gendarmerie) hielten Ordnung, und einige Offiziere saßen im Kreis, um wieder ihre Kawasse im Zaum zu halten. Das Schauspiel begann. Zwei Ringer oder Gladiatoren traten auf, beinahe ganz entkleidet, nichts als ein Beinkleid von starkem Leder deckte die Hüften. Sie hatten sich den ganzen Körper mit Öl eingerieben, damit die Gelenke weich und rührig blieben und der Gegner bei jedesmaligem Anfassen abglitt. Sie machten dem Publikum mehrere Verbeugungen, fingen mit leichten Ringübungen an und setzten dazwischen auf Augenblicke aus, um Kraft und Ausdauer nicht zu schnell zu verlieren. Dann fing der Kampf neuerdings an und wurde immer hitziger, bis endlich einer von beiden als Sieger von der jubelnden Volksmenge begrüßt ward. Sieger ist der, welcher seinen Gegner so kräftig zu Boden wirft, daß er imstande ist, sich auf ihn wie auf ein Pferd zu setzen. Ein solcher Kampf währt gewöhnlich eine Viertelstunde. Der Sieger geht dann triumphierend im Kreis herum, den Lohn zu sammeln. Der arme Besiegte verbirgt sich hinter den Zusehern und wagt kaum den Blick zu erheben. Diese Spiele wiederholen sich durch mehrere Stunden; die einen treten ab, um von andern ersetzt zu werden.

Griechinnen, Türkinnen oder Armenierinnen dürfen an diesem Schauspiel nur von fern Anteil nehmen. Sie sitzen deshalb oben auf den Hügeln. Im übrigen geht es ebenso zu wie am griechischen Osterfest. Es wird gegessen, getrunken und getanzt. Von Bier, Wein oder Likör ist nirgend etwas zu sehen und folglich auch von keinem Betrunkenen.

Die türkischen Offiziere waren hier ebenfalls so artig, uns als Fremden die besten Plätze anzuweisen. Überhaupt hatte ich vielfach Gelegenheit, den Charakter des Muselmanen zu beobachten, und fand zu meiner Freude, daß er viel besser und ehrlicher ist, als die vorgefaßte Meinung uns glauben läßt. Selbst im Handel und in anderen Geschäften ist es besser, mit einem Türken zu tun zu haben als mit den andern Nationen, selbst unsere Glaubensgenossen nicht ausgenommen.

Die Witterung fand ich während meines Aufenthaltes in Konstantinopel vom 5. April bis 17. Mai 1842 ebenso veränderlich wie bei uns, so zwar, daß manchmal die Temperatur binnen vierundzwanzig Stunden um zwölf bis vierzehn Grad wechselte.

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