Zivilisation und ...

Reise einer Wienerin in das Heilige Land

Ida Pfeiffer

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Aufenthalt in Konstantinopel

Skutari

Ich wählte zu dem Ausflug nach diesem berühmten Begräbnisort der Türken einen Freitag, um zugleich die schreienden Derwische besuchen zu können.

Auf einem leichten Kaïk durchschnitt ich, in Gesellschaft eines französischen Arztes, den Bosporus. Wir fuhren an dem einige hundert Schritt von der Küste Asiens im Meer stehenden, so viel besungenen Leanderturm vorüber und gelangten sehr bald an unser Ziel.

Ein eigenes Gefühl ergriff mich, als ich zum erstenmal in meinem Leben einen andern Weltteil betrat. Es war mir, als ob ich jetzt erst getrennt, unendlich weit von meiner Heimat wäre. Später, als ich an Afrikas Küste landete, machte es nicht halb soviel Eindruck mehr auf mich.

Nun stand ich also in dem Weltteil, aus dem der Mensch seinen Ursprung herleitet, in dem er hochgestiegen und auch wieder so tief gefallen, daß ihn Gott in seinem gerechten Zorn bald für immer vertilgt hätte. Und hier in Asien war es wieder, wo Gottes Sohn erschien, um den gefallenen Menschen die Palme der Rettung zu reichen. Mein lang genährter, heißer Wunsch, diesen merkwürdigsten der Weltteile zu betreten, war nun erfüllt, und mit Gottes Hilfe hoffe ich mit froher Zuversicht auch jene Stellen zu erreichen, von welchen das wahre Licht der Menschheit ausging!

Skutari ist der Ort, nach dem der Muselman mit dem Verlangen sieht, dort einst begraben zu werden. Kein anderer Glaubensgenosse darf da unter ihnen aufgenommen werden. Hier fühlen sie sich heimisch und ihres Propheten würdig. Es ist daher auch der großartigste Begräbnisort der Welt. Stundenlang kann man in diesem Zypressenwald von Grab zu Grab wandeln, ohne das Ende zu erreichen.

Auf den Grabsteinen der Männer sind Turbane, auf jenen der Frauen und Kinder Blumen und Früchte ausgemeißelt, meistens eine erbärmliche Arbeit.

Die Hauptstraße und die Nebengassen sind in Skutari nicht eben, aber doch etwas besser gepflastert und nicht gar so eng wie in Pera. Ganz besonders schön nimmt sich die große Kaserne auf der Spitze im Vordergrund aus, mit der wundervollen Aussicht nach dem Meer von Marmara und nach dem einzig schönen Bosporus.

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