Aufenthalt in Konstantinopel
Spazierfahrten oder Spaziergänge der Städter
An einem Sonn- oder Feiertag sind die Süßen Wasser von
Europa sehr besucht. Man fährt gewöhnlich in einem Kaïk über
das Goldene Horn, in welches das Süße Wasser einmündet, gegen
fünf viertel Stunden. Man kann aber auch zu Land dahin
gelangen.
Ein großer Rasenplatz, umschattet von Bäumen, ist das Ziel
der dahin wogenden Menge. Da sieht man Menschen von allen
Gegenden der Welt und von allen Farben in größter Harmonie auf
Teppichen, Matten und Polstern gelagert, die Pfeife im Mund,
sich mit Kaffee und Naschwerk labend. Recht viele hübsche
Jüdinnen sieht man darunter, die meist unverschleiert gehen.
An dem türkischen Feiertag, dem Freitag, geht es ebenso
lebhaft in den asiatischen Süßwassern zu, und hier gibt es für
uns Europäer mehr und Interessanteres zu sehen, indem da die
Mehrheit aus Türken und Türkinnen besteht. Letztere haben wie
überall das Gesicht ganz verhüllt, das Schönste aber, ihr
feuriges Auge, ist doch sichtbar.
Die Fahrt auf dem Meer zu den asiatischen Süßwassern ist
ohne Vergleich schöner und erhabener als die zu den
europäischen. Man fährt im Bosporus dem Schwarzen Meer zu, bei
dem neuen, wunderschönen Palast des Sultans vorüber. Dieser
Palast ist zwar auch nur aus Holz, aber die Säulen, Treppen
und das Erdgeschoß sind aus blendend weißem Marmor
überraschend schön gebaut. Die zwei vergoldeten Flügeltore
sind aus Gußeisen und sind Meisterwerke zu nennen. Sie wurden
in England um achttausend Pfund Sterling gekauft. Der Palast
ist oben terrassenartig, und eine wunderschöne Galerie,
ebenfalls nur aus Holz, aber künstlich geschnitzt, läuft um
diese Terrasse. Man fährt nun noch an den beiden alten
Schlössern, welche die Einfahrt nach Konstantinopel
beschirmen, vorüber und lenkt rechts nach den Süßen Wassern
ein. Die Lage dieses Ortes ist herrlich, er liegt in einem
schönen Tal, von grünenden Hügeln umfangen.
Sehr interessant ist die Fahrt nach Chalcedon, einer
Halbinsel im Marmarameer auf der Seite Asiens, die mit Skutari
zusammenhängt. Wir fuhren auf einem zweirudrigen Kaïk in fünf
viertel Stunden hin. Das herrlichste Wetter begünstigte uns.
Eine Menge Delphine umgaukelte unsern Kahn, und überall sah
man diese zahmen Fische sich herumtummeln und in die Lüfte
schwingen. Eine besondere Eigenheit dieser Tiere ist, daß sie
nie einzeln, sondern immer in Gesellschaft schwimmen, zu
zweien, vieren usw.
Die Ansichten, welche man auf dieser Fahrt genießt, sind
überaus reizend. Links fährt man ziemlich nah an Skutari, den
Vordergrund bilden niedere Gebirge, über welche der entfernte,
schneebedeckte Olymp herüberschillert. Die öden Prinzeninseln
nebst den beiden Hundsinseln sind gerade nicht das Schönste in
dieser Landschaft, dagegen sieht man aber rechts weit ins Meer
von Marmara und den größten Teil von der eigentlichen Stadt
Konstantinopel.
Auf Chalcedon ist nichts als ein Leuchtturm. Schöne
Rasenplätze mit einigen Bäumen und ein Kaffeehaus sind die
Anziehungspunkte der Städter.
Ein Ausflug zu Wasser nach Balukli ist empfehlenswert. Man
kommt an der ganzen türkischen Flotte, die sehr bedeutend ist,
vorüber und sieht das größte Schiff der Welt, den Mahmudie mit
hundertvierzig Kanonen, der unter dem letztverstorbenen Sultan
Mahmud erbaut wurde. Auch mehrere Dreidecker mit
hundertzwanzig Kanonen, wovon einige abgetakelt sind, und
außerdem viele Kriegsschiffe mit vierzig bis sechzig Kanonen
liegen im Hafen. Man fährt bei anderthalb Stunden im
Marmarameer links des großen Kais, der die Mauern
Konstantinopels umgibt. Hier sieht man erst recht die
ungeheure Ausdehnung dieser Riesenstadt. Wir kamen auch an den
Sieben Türmen vorüber, deren man aber nur fünf sieht, die
beiden anderen sollen zusammengestürzt sein. Haben diese Türme
keine andere Bestimmung, als die europäischen Gesandten bei
Unruhen oder Feindseligkeiten einzusperren, so können die
andern fünf wohl auch noch zusammenstürzen, denn eine solche
Schmach werden sich die europäischen Mächte von den
hinfälligen Türken schwerlich mehr gefallen lassen.
Gleich hinter den Sieben Türmen stiegen wir an Land und
gingen eine halbe Stunde lang durch öde, menschenleere Gassen
zum Stadttor hinaus in den Zypressenhain, der einen großen
freien Platz, worauf eine recht artige griechische Kirche
steht, dem spähenden Blick noch auf kurze Zeit verbirgt. An
den griechischen Osterfeiertagen soll es hier oft so toll
zugehen, daß blutige Köpfe nicht zu den seltensten
Erscheinungen gehören. In der Kirche befindet sich eine kalte
Quelle mit kleinen Fischen. Die Sage spricht, daß an den
Osterfeiertagen diese armen Tiere halb gebacken und dennoch
lebend herumschwimmen, weil einst, als Konstantinopel belagert
wurde, ein Feldherr behauptete, daß diese Stadt ebensowenig
eingenommen werde, als jenes Wunder sich ereignen könne.
Konstantinopel wurde eingenommen, und das Volk sieht seit
jener Zeit noch immer an diesem Tag dies unerhörte Wunder.
Auf dem Rückweg zu unserm Kaïk sahen wir am Ufer einen
ungeheuren Tintenfisch von mehr als vierzehn Fuß Länge,
welcher soeben gefangen und getötet worden war. Eine Menge
Fischer bemühte sich, dieses Untier mit Stricken und Stangen
an das Land zu bringen.
Die nähern Spaziergänge bei Pera sind der große und kleine
Campo, und etwas weiter entfernt die große Brücke, welche
Tophane mit Konstantinopel verbindet, eine der
unterhaltendsten Promenaden, indem man das Leben und Treiben
auf den beiderseitigen Ufern sieht. Auf dem kleinen Campo
befinden sich zwei fränkische Kaffeehäuser, vor welchen man
ganz nach europäischer Art auf Stühlen sitzt, sich einer
angenehmen Musik erfreut und sich dabei mit Gefrorenem laben
kann.