Zivilisation und ...

Reise einer Wienerin in das Heilige Land

Ida Pfeiffer

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Reise von Beirut nach Damaskus, Baalbek und dem Libanon

1. Juli 1842

Um ein Uhr nachmittags waren wir alle vor dem Gasthof des Herrn Battista versammelt, und eine Stunde später saßen wir zu Pferd und eilten den Toren der Stadt zu. Anfangs ritten wir in dem tiefen Sandmeer, das diese Stadt umgibt, bald aber gelangten wir in das schöne Tal, welches sich malerisch am Fuß des Libanon ausdehnt, und zogen dann auf schönen, von Pinienwäldern und Maulbeerpflanzungen beschatteten Wegen dem Vorgebirge zu.

Doch nun ging es immer steiler und gefährlicher den großartigen Libanon hinan, auf treppenförmigen, oft kaum fußbreiten, häufig durch Bächelchen und Spaltungen durchbrochenen Stiegen. Es währte lange, bis ich die Furcht so ganz besiegte, um schwelgend in den Reizen dieser erhabenen, für uns Europäer so ganz ungewöhnlichen Gegenden mich einzig und allein der Vorsicht des Pferdes zu überlassen, das sicher und fest den Fuß zwischen die übereinandergeworfenen Felsblöcke setzte, ohne auch nur ein einziges Mal zu straucheln, so vorsichtig und an die schlechten Wege gewöhnt sind diese Tiere. Viel hatten wir über den Franzosen zu lachen, der es nicht über sich gewinnen konnte, bei besonders gefährlichen Stellen auf dem Pferd zu bleiben. Er stieg jedesmal ab, wurde aber doch endlich des ewigen Auf- und Absteigens müde und überwand seine Furcht, besonders als er sah, daß wir uns so zuversichtlich auf die Pferde verließen und uns nur mit der Ansicht des Gebirges beschäftigten. Nie wird es möglich sein, die unvergleichlichen Formen dieses Gebirges würdig zu beschreiben. Die riesig übereinandergeschichteten Felsenkolosse schimmern in den schönsten Farben, und freundlich liegen zwischen ihnen die frischen, anmutigen Täler und die bald einzeln auf Hügeln stehenden, bald aus dichten Oliven- und Maulbeerpflanzungen hervorblickenden Dörfer.

Die Sonne senkte sich zum Meer und warf durch die klare, reine Luft ihre letzten Strahlen auf die höchsten Zacken der mächtigen Berge. Alles vereinte sich zu einem Gemälde, das man, einmal gesehen, nie vergißt.

Besonders merkwürdig ist das Farbenspiel der Felsenmassen; es umfaßt nicht nur alle Hauptfarben, sondern auch alle Abstufungen derselben, ja sogar ein Gemisch davon wie zum Beispiel Violett, Blaugrün usw. Manche Felsen waren mit einem Rot belegt wie Zinnober; an einigen Stellen fanden wir kleine Schichten von reinem Schwefel, und so gab es immer etwas Schönes, etwas Fremdartiges zu sehen. Die fünf Stunden, in welchen wir von Beirut bis zum Dorf Elhemsim ritten, wo wir übernachteten, vergingen uns wie Augenblicke. Der Chan bei Elhemsim war schon von einer Karawane besetzt, welche Früchte und Waren von Damaskus brachte, und so blieb uns nichts übrig, als unser Zelt aufzuschlagen und darunter zu kampieren.

2. Juli 1842

Die Morgensonne fand uns zum Aufbruch bereit, und bald erreichten wir eine Anhöhe, von der wir eine entzückende Aussicht genossen. Vor uns stiegen die hohen, stellenweise mit Schnee bedeckten Rücken des Libanon empor, und hinten senkte sich das Gebirge, bedeckt von Weinpflanzungen, Oliven- und Pinienwäldern, hinab zum Gestade des Meeres. Wir standen so hoch, daß die Wolken, die über dem Meer und der Stadt Beirut schwebten, tief unter uns lagen und uns den Anblick von Beirut entzogen.

Weinpflanzungen sind auf diesen Gebirgen sehr häufig, doch ranken sich die Reben weder an Bäumen hinan wie in Italien, noch sind sie an Stöcken befestigt wie bei uns in Österreich; sondern beinahe wild wachsend erheben sie sich etwas vom Stamm und senken sich dann wieder zur Erde. Der Wein dieser Gebirge ist vortrefflich, etwas süß, sehr feurig und von goldgelber Farbe.

Wir zogen immer noch aufwärts, wenig belästigt von Hitze, doch einen gefährlichen, wirklich schaudererregenden Weg über Felsen und Klippen an furchtbaren Abgründen vorüber.

Unsere ledernen Flaschen waren hier für uns nutzlos, denn an Wasser hatten wir keinen Mangel; aus jeder Felsenspalte quoll eine reine, kristallhelle Wasserflut hervor, in der sich wunderbar die in den schönsten Farben schimmernden Steinmassen spiegelten.

Nach einem fünfstündigen, äußerst beschwerlichen Ritt gelangten wir endlich auf den Rücken des Libanon, wo wir einen Chan fanden und uns eine Stunde Ruhe gönnten. Dieser Punkt bietet einen schönen Anblick. Die beiden höchsten Bergrücken des Libanon und Antilibanon bilden hier ein Tal, bei drei Stunden lang und fünf bis sechs Stunden breit. Unser Weg zog sich über den Bergrücken hinab und mehrere Stunden in dieser malerisch gelegenen Ebene fort bis zu dem Dorf Medj del Andaar, in dessen Nähe unsere Zelte aufgeschlagen wurden.

Selten wohl mag eine Europäerin in diese Gegenden kommen, ich mußte daher den Eingeborenen ein ungewöhnlicher Anblick sein. Deshalb kamen auch an jedem Ort, wo wir anhielten, viele Weiber und Kinder zu mir, betrachteten mich von allen Seiten, betasteten meine Kleider, setzten meinen Strohhut auf und sprachen oder deuteten beständig mit mir. Hatten sie zufällig etwas Eßbares wie Gurken, Früchte oder sonst etwas bei sich, so ermangelten sie nie, mir selbes mit der größten Gutmütigkeit anzubieten, und immer machte es ihnen Freude, wenn ich etwas davon nahm. An dem heutigen Abend versammelten sich ebenfalls mehrere um mich, wobei ich Gelegenheit hatte, mir die Tracht dieses Gebirgsvolkes genauer zu besehen, welche, den Kopfputz ausgenommen, dieselbe ist wie in Palästina und überhaupt in ganz Syrien; die Weiber tragen blaue Hemden, die Männer weiße Hemden, weite Beinkleider und eine Binde, manchmal auch noch einen Spenzer; die Wohlhabenden sogar Kaftane und Turbane. Der Kopfputz der Weiber ist höchst originell, aber er kleidet nicht besonders. Sie tragen nämlich vorne über der Stirn ein mehr als schuhlanges blechernes Horn, schlagen darüber ein weißes Tuch, das hinten zusammengeheftet wird und in Falten hinabhängt. So kleiden sich jedoch nur die Wohlhabenden, deren man wenig genug sieht. Die Ärmeren haben ein bedeutend kleineres Horn und meistens sehr schmutzige Tücher darüber geschlagen. Bei der Feldarbeit legen sie es gewöhnlich ab, weil es sie im Tragen der Lasten auf dem Kopf hindern würde. Die reichen Gebirgsbewohner, Männer und Weiber, kleiden sich orientalisch, jedoch behalten die Weiber das Horn bei, welches dann von Silber ist.

Man sagte uns, die Reise durch die Gebirge der Drusen und Maroniten sei höchst unsicher, und riet uns daher, eine Eskorte mitzunehmen; da wir aber beinahe alle Stunden Karawanen begegneten, fanden wir eine solche Vorsicht ganz unnötig und gelangten auch glücklich ohne den geringsten Unfall nach Damaskus.

3. Juli 1842

Diesen Morgen hatten wir durch zwei Stunden einen höchst angenehmen und ziemlich guten Weg, bis wir an eine Felsschlucht gelangten, die uns kaum den Eingang zu gestatten schien. Immer enger und enger traten die Felsmassen zusammen, und wir zogen auf schmalen Pfaden an einem ausgetrockneten Strombett über Steingeröll fort. Kaum fanden wir oft Raum genug, den uns entgegenkommenden Karawanen auszuweichen. Dachten wir einen solchen Engpaß mit Mühe überstanden zu haben und ins Freie zu gelangen, gleich wurden wir in eine noch traurigere und ödere Schlucht verschlagen. So ging es einige Stunden, bis die Felsmassen zu Sandbergen wurden und jede Vegetation verschwand. Da erklommen wir die letzte Höhe: Damaskus, die »vielgepriesene Stadt des Orients«, lag vor uns.

Überraschend ist ihr Anblick allerdings, wenn man, heraustretend aus den unwirtbaren Felsen und Sandgebirgen, zu seinen Füßen ein üppig großes Tal ausgebreitet sieht, das durch sein frisches Grün den seltsamsten Gegensatz zu seiner öden Umgebung bildet, und in der Mitte dieses Tales, eingefaßt von Gärten und zahllosen Bäumen, die langgedehnte Stadt mit den freundlichen Moscheen und den schlanken, hoch emporragenden Minaretten; doch so entzückend schön, um mit manchen Reisenden ausrufen zu können: »Dies ist der schönste Punkt auf Erden!«, fand ich ihn bei weitem nicht.

Die Ebene, in der Damaskus liegt, zieht am Fuß des Antilibanon fort bis zu dem Berg Schech und ist auf drei Seiten von Gebirgen, aber von den ödesten, die man sich vorstellen kann, von lauter Sandgebirgen, umgeben. Auf der vierten Seite verläuft sich die Ebene in die Sandwüste. So reich dies Tal an Wasser ist, da von allen Bergen Quellen herabströmen, deren man aber von unserem Standpunkt aus keine einzige sah, so hat sie doch keinen Strom. Das Wasser kommt und verschwindet unter dem Sand, nur zunächst der Stadt und in derselben entfaltet es seinen Reichtum.

Noch hatten wir von dem Hügel, wo wir Damaskus zuerst erblickten, eine gute Stunde bis an die Pflanzungen. Diese bestehen aus großen Gärten von Mischmisch, Nuß-, Granatäpfel-, Orangen- und Zitronenbäumen, mit Lehmwänden eingesäumt, von breiten, langen Straßen durchzogen und von rauschenden Quellen erfrischt. Lange ritten wir im Schatten dieser fruchtspendenden Wälder, bis wir durch ein großes Tor die Stadt betraten. Unsere begeisterte Erwartung von der vielbesungenen Götterstadt wurde bei jedem Schritt bedeutend herabgestimmt.

Die Häuser sind durchgängig aus Lehm und Erde, und unzählige garstige Erker aus Holz sowie auch dergleichen Gitter vor den Fenstern geben dem Ganzen ein widerliches, beengendes Ansehen. Damaskus ist durch Tore, die bald nach Sonnenuntergang geschlossen werden, in viele Stadtteile geschieden. Durch viele solche Tore sowie auch durch den längsten Teil des Bazars mußten wir wandern, um an das Franziskanerkloster zu gelangen.

Wir hatten an dem heutigen Tag einen Weg von elf Stunden bei einer Hitze von fünfunddreißig bis sechsunddreißig Grad Réaumur zurückgelegt und durch den glühendheißen Wind, der noch dazu seinen Sand mit sich führte, unendlich viel gelitten. Unsere Gesichter waren so verbrannt, daß wir uns füglich für Abkömmlinge von Beduinen hätten ausgeben können. Diesen einzigen Tag fühlten wir auch unsere Augen ein bißchen angegriffen.

Obwohl wir sehr ermüdet im Kloster ankamen, so hatten wir doch nichts Eiligeres zu tun, als den Staub abzuschütteln, die brennenden Augen zu waschen und zum französischen und englischen Konsul zu eilen, so begierig waren wir, die vielgerühmten Schönheiten im Innern dieser Lehmhütten zu sehen.

Durch eine niedere Tür traten wir in einen Gang, aus diesem in einen großen Hof, und da war es, als ob wir wie mit einem Zauberschlag auf den Schauplatz eines jener phantasiereichen Märchen der »Tausendundeinen Nacht« versetzt würden: alle Pracht des Morgenlandes lag vor unseren trunkenen Blicken. In der Mitte des mit großen Steinplatten belegten Hofes war ein großes Wasserbassin mit einem Springbrunnen angebracht, das eine angenehme Kühle verbreitete. Orangen- und Zitronenbäume neigten ihre goldenen Früchte zur kristallreinen Flut, und an den Seiten liefen Blumenbeete mit wohlduftenden Rosetten, Balsaminen, Rosen, Oleander usw. bis zu den Stufen, welche in den Empfangssaal führten. Alles schien aufgeboten, dieses große, hochgewölbte, dem Hof zu halboffene Gemach glänzend und herrlich auszuschmücken. Schwellende Diwane, mit den reichsten Stoffen überzogen, liefen rings an den Wänden, die, reich und kunstvoll mit Spiegeln, geschnitzten und gemalten Arabesken, mit Mosaikarbeiten und Vergoldungen verziert, eine nie geahnte Pracht entfalteten. Im Vordergrund dieses Zaubergemaches sprudelte ein Wasserstrahl in ein Marmorbecken. Der Boden war ebenfalls mit Marmor, der in verschiedenen Farben die schönsten Zeichnungen bildete, belegt, und über das Ganze jener Zauber des Geschmackes hingehaucht, der den Orientalen so eigen ist und der dem Reichen, Prächtigen auch den Reiz des Anmutigen zugesellt. Die Gemächer, wo die Frauen sich aufhalten und ihre vertrauteren Besuche empfangen, sind ähnlicher Art wie das eben beschriebene, doch etwas kleiner, nicht so reich ausgestattet und vorne ganz offen. Die übrigen Zimmer liegen gleichfalls um den Hof, zwar einfach, aber freundlich und bequem eingerichtet.

Wie wir es in diesen Häusern fanden, ebenso sieht es auch in jenen der Orientalen aus, nur laufen die Eingänge der Frauengemächer in einen andern Hof als jene der Männer.

Nachdem wir alles zu Genüge besehen und bewundert hatten, kehrten wir in unser gastliches Kloster zurück. Diesen Abend bewirteten uns die geistlichen Herren. Eine ziemlich gute Mahlzeit nebst Wein und gutem Brot gab uns zum Teil die verlorenen Kräfte wieder.

In Beirut machte man uns ordentlich bange vor der Unzahl gewisser kriechender Tierchen, die sich gern in jede Fuge der Bettstellen einnisten, so daß ich mich nur mit Überwindung und Abscheu zur Ruhe begab; aber unbelästigt verging diese und die folgende Nacht.

4. Juli 1842

Damaskus ist eine der ältesten Städte des Orients, und doch sieht man keine Ruinen, ein Beweis, daß nie großartige Gebäude existierten und daß an den Stellen der unbrauchbar gewordenen alten gleich wieder neue erstanden.

Wir besuchten heute den Sitz allen Reichtums, den großen Bazar. Er ist größtenteils gedeckt, aber nur mit Strohmatten oder Balken. Zu beiden Seiten sind hölzerne Buden aneinandergereiht, die alle möglichen Artikel enthalten, vorzüglich aber Eßwaren, deren Wohlfeilheit wirklich beispiellos genannt werden kann.

Die kostbaren und wertvollen Waren werden wie in Konstantinopel nicht ausgestellt, diese muß man in den verschlossenen Magazinen suchen. Die Buden gleichen ärmlichen Kramläden, der Kaufmann sitzt in der Mitte seines Warenlagers. Wir durchschritten den Bazar nur flüchtig, um bald zur großen Moschee zu gelangen, welche im Mittelpunkt desselben liegt. Da wir aber nicht einmal ihren Vorhof, viel weniger sie selbst betreten durften, so mußten wir uns begnügen, die großmächtigen Portale anzustaunen und nur ganz verstohlene Blicke in den Vorhof hineinzuwerfen. Diese Moschee war ursprünglich eine christliche Kirche.

Ausgezeichnet schön ist der Chan, ebenfalls in der Mitte des Bazars. Er soll der schönste im ganzen Orient sein. Das hohe, kühn gewölbte Portal ist mit Marmor belegt und mit schönen Skulpturarbeiten verziert. Das Innere bildet eine großartige Rotunde, um welche in den höhern Räumen abgeteilte und mit Schreibtischen für die Kaufleute versehene Galerien laufen, während unten in den Hallen die Waren in Kisten und Ballen aufgeschichtet liegen und an den Seiten die Gemächer für die reisenden Kaufleute angebracht sind. Boden und Wände sind größtenteils mit Marmor belegt.

Überhaupt scheint man in Damaskus den Marmor sehr zu schätzen. Alles, was für schön und kostbar gilt, ist entweder aus reinem Marmor oder doch zum Teil mit dieser Steinart ausgelegt. So ist ein niedlicher Springbrunnen auf einem kleinen Platz am Bazar aus Marmor ausgeführt und ein Kaffeehaus gegenüber dieser Fontäne, das größte und besuchteste, mit einigen kleinen Marmorsäulen verziert. Doch alle diese Gebäude, selbst das große Badhaus nicht ausgenommen, würden nicht halb so gerühmt und betrachtet werden, wenn sie in einer bessern Umgebung stünden. So aber glänzen sie freilich aus den Lehmhütten und Lehmhäusern von Damaskus hervor.

Nachmittags besuchten wir die Grotte des heiligen Paulus, die gleich außerhalb der Stadt liegt. An der Stadtmauer zeigte man uns die Stelle, wo dieser Heilige zu Pferd über die Stadtmauer sprang, unbeschädigt den Boden erreichte und sich vor seinen Feinden in diese nahe Grotte flüchtete, deren Eingang sich hinter ihm geschlossen und erst als die Verfolgung nachgelassen, wieder geöffnet haben soll. Jetzt ist von dieser Grotte nichts mehr zu sehen als ein unbedeutender steinerner Bogen, gleich einer Brücke gespannt. Grabmäler neuerer Zeit aus gemauerten, mit großen Steinplatten bedeckten Gewölben sieht man viele in der Nähe dieser Grotte.

Wir statteten noch mehrere Besuche ab. Überall fanden wir dieselbe innere Pracht und Einteilung, nur in einem Haus mehr, in dem anderen minder. Überall wurde mit Kaffee, Scherbet und Nargileh aufgewartet und in den Wohnungen der Türken ein langweiliges Gespräch durch den Dolmetscher geführt.

Eigentliche Spaziergänge oder Belustigungsorte gibt es hier nicht. Die Zahl der Franken ist zu unbedeutend, als daß sie für sich einen Ort des gemeinsamen Vergnügens schaffen könnten, und der Türke fühlt ein solches Bedürfnis gar nicht. Er schlendert höchstens vom Bad in das Kaffeehaus, tötet da in gedankenlosem Hinstieren seine Zeit, raucht dabei aus der langen Wasserpfeife und schlürft Kaffee dazu. Die Kaffeehäuser, obwohl sie im ganzen Orient die am meisten besuchten öffentlichen Orte sind, gleichen überall wahren Baracken. Sie sind durchgängig klein und meist nur aus Holz ausgeführt.

Die Tracht der Bewohner von Damaskus ist die gewöhnliche orientalische, doch in keiner Stadt sah ich die Leute durchgehends so gut gekleidet wie hier. Die Frauen gehen teils verschleiert, teils auch mit unbedecktem Gesicht. Ich sah recht hübsche Physiognomien unter ihnen, aber ganz besonders viele schöne Kindergesichtchen lächeln einem von allen Seiten neugierig entgegen.

In Beziehung auf ihre Religion müssen sie sehr fanatisch und überhaupt auch den Fremdlingen nicht gewogen sein. So wollte zum Beispiel der Maler S. den Chan, den Springbrunnen und einige andere interessante Gegenstände oder Ansichten abzeichnen. Er setzte sich zu diesem Zweck vor das große Kaffeehaus, um den Anfang mit dem Springbrunnen zu machen. Doch kaum hatte er die Mappe aufgerollt und die Zeichnung halb entworfen, als sich eine Schar Neugieriger um ihn gruppierte und, als sie seine Absicht gewahrte, ihn auf alle mögliche Art zu stören suchte. Erst stießen sie die ihm zunächst stehenden Kinder gegen ihn, daß er jeden Augenblick einen Stoß bekam und im Zeichnen gehindert wurde. Als er dessenungeachtet fortarbeitete, stellten sich mehrere Türken knapp vor ihn hin, um ihn der Ansicht des Springbrunnens zu berauben. Als Herr S. noch immer nicht den Platz räumte, hoben sie Steine auf und fingen an, nach ihm zu spucken. Nun war es höchste Zeit, sich zurückzuziehen. Herr S. packte eilig zusammen, um nach Hause zu eilen. Da brach dann die volle Wut des gemeinen Haufens aus. Man verfolgte ihn mit lärmendem Geschrei, ja einige warfen sogar mit Steinen nach ihm. Glücklicherweise erreichte er dennoch unbeschädigt unser Asyl, das Kloster.

Während Herr S. in Konstantinopel, Brussa, Ephesus und in mehreren andern Städten des Morgenlandes ungehindert zeichnen konnte, mußte er hier flüchten. So ist das hiesige, nach den Berichten mancher Reisenden gastfreundliche, gefällige Volk beschaffen.

Des folgenden Morgens mit Sonnenaufgang begab sich Herr S. auf die Terrasse des Klosters, um eine Ansicht der Stadt aufzunehmen. Auch hier ward er entdeckt, zum Glück aber erst nach einigen Stunden, da er seine Arbeit schon geendet hatte, so daß er gleich beim ersten Steinwurf ganz ruhig das Feld räumen konnte.

5. Juli 1842

Wir trafen hier den Grafen Z., welcher mit seiner Dienerschaft einige Tage vor uns angekommen war und heute die Reise nach Baalbek fortsetzen wollte.

Graf Z. hatte eigentlich im Sinn, von hier einen Ausflug nach der weltberühmten Stadt Palmyra zu machen, eine Reise, die hin und zurück zehn Tage erfordert hätte. Er ersuchte den Pascha, ihm zu diesem Endzweck eine sichere Eskorte zu geben. Sie wurde ihm aber versagt mit dem Bemerken, daß er, nämlich der Pascha, schon seit einigen Jahren niemandem mehr die Erlaubnis zu dieser gefahrvollen Reise erteile, da bisher noch alle Reisenden von den herumstreifenden Beduinen ausgeplündert und wohl gar gemordet worden seien; eine so große Eskorte aber, die stark genug wäre, allen Angriffen siegreich zu widerstehen, vermöge er nicht zu geben. Nach dieser abschlägigen Antwort wandte sich Graf Z. an einige Häuptlinge der Beduinen, die ebenfalls keine sichere Reise verbürgen konnten und dennoch sechstausend Piaster für die Begleitung forderten. Nun mußte wohl dieser Reise entsagt und dafür nach Baalbek und über die Höhen des Libanon zu den Zedern gegangen werden.

Wir zogen nun in Gesellschaft des Grafen Z. um die Mittagsstunde bei einer Hitze von vierzig Grad Réaumur aus den Mauern von Damaskus. Unser Zug bekam diesmal ein gar stattliches Ansehen durch die Ehrengarde, welche der Pascha dem Grafen Z. bis nach Baalbek mitgab, um ihm als Verwandten des Fürsten M. seine Hochachtung zu bezeigen.

Anfangs führte uns der Weg über einen Teil des Bazars, dann gelangten wir auf eine große herrliche Straße, welche die ganze Stadt durchschneiden und über eine deutsche Meile lang sein soll. Sie ist so breit, daß bequem drei Wagen nebeneinander fahren könnten, ohne Fußgeher zu belästigen. Nur schade, daß diese Straße, gewiß die schönste im ganzen Türkischen Reich, so unbenutzt bleibt, denn Wagen gibt es hier ebensowenig wie im übrigen Syrien.

Kaum verläßt man diese Bahn, so reitet man neben Gärten und Wiesen fort, zwischen welchen hin und wieder Sommersitze der Städter liegen. Auch auf dieser Seite strömen Bäche die Wege entlang und bewässern die üppigen Rasenteppiche und Haine. Wir überschritten den größten der Flüsse, den Barada (der aber nicht so breit und wasserreich ist wie der Jordan), auf einer ganz einfach gemauerten Brücke.

Doch auch diese schönen Bilder lagen uns bald im Rücken, und unsere Straße führte in die traurige Wüste. Auf der Spitze eines der Berge wies man uns ein kleines Denkmal, es sollte das Grab Abrahams bezeichnen. Stundenlang ritten wir nun fort über Flächen, Berge und Hügel aus Sand und lockerem Gestein, und so ermüdend der Tag unserer Ankunft zu Damaskus war, ebenso beschwerlich war auch der heutige. Von zwölf Uhr mittags bis ungefähr fünf Uhr abends ging es immerfort in dieser Wüstenei; wir litten unaussprechlich unter der Hitze. Nun aber hörte die Wüste auf, und plötzlich entfaltete sich vor unsern Augen ein Bild, so schön, so großartig, daß wir uns in die romantischen Gegenden der Schweiz versetzt glaubten. Ein Tal mit allen Reizen einer herrlichen Natur geschmückt, umsäumt von gigantischen, wunderbar geformten Felsmassen, breitete sich vor uns aus. Stürmisch brauste ein Wildbach von Fels zu Fels und brach sich schäumend an gewaltigen Blöcken, die sich einst von der Höhe losgerissen und hier auf ewig ihr Grab gefunden haben. Eine natürliche Felsenbrücke führte über die tosende Flut. Manch freundliche Hütte, deren Bewohner neugierig und halb verborgen vor dem Hausflur auf uns seltene Gäste blickten, lag zwischen den Felswänden. So ging es fort, Tal reihte sich an Tal, und das uns stets begleitende Flüßchen führte uns an Dörfern und Gärten, an himmlisch schönen Gegenden vorüber, auf herrlichen Pfaden nach dem großen Dorfe Zebedani, wo wir nach einem unausgesetzten Ritt von zehnthalb Stunden endlich haltmachten.

Die Eskorte, welche uns begleitete, bestand aus zwölf Mann, einem Ober- und Unteroffizier. Oft boten sie einen malerischen Anblick, wenn sie uns zum Vergnügen auf ebenen Wegen kleine Evolutionen aufführten, ihre behenden Pferde tummelten, sich gegenseitig angriffen, dann die einen flohen und die andern sie als Sieger verfolgten.

Der Charakter dieser Naturmenschen ist im ganzen recht gemütlich. Freundlich und gefällig betrugen sie sich gegen uns, brachten uns Früchte und Wasser, sooft sie selbe erlangen konnten, führten uns sorgfältig die besten Wege und zeigten eine Aufmerksamkeit, trotz Europäern. Nur der Begriff von mein und dein scheint ihnen nicht immer deutlich zu sein. So zum Beispiel kamen wir an Feldern vorüber, auf welchen eine Pflanze wuchs, die in verkleinertem Maßstab ganz unseren Erbsen glich. An jeder Pflanze befanden sich mehrere Schoten, jede derselben enthielt zwei Erbsen. Unsere Begleiter eigneten sich eine tüchtige Portion davon an, speisten diese Frucht mit besonderem Vergnügen und teilten auch uns ihre Beute mit wahrer Herzlichkeit mit. Ich fand diese Erbsen nicht so zart und schmackhaft wie die unsrigen und gab sie dem Soldaten, der sie mir gegeben hatte, mit dem Bedeuten zurück, daß ich lieber Mischmisch haben möchte. Sogleich sprengte er davon; nach einer Weile kam er wieder und brachte mir eine ganze Ladung Mischmisch und kleine Äpfel, die er vermutlich auch aus einem der nächsten Gärten auf ewige Zeiten geborgt hatte. Ich führe dergleichen Kleinigkeiten an, weil sie mir charakteristisch scheinen. Herr S. hätte in Damaskus bald das Schicksal des heiligen Stephan gehabt, weil er einige Skizzen entwerfen wollte. Bei anderen Gelegenheiten sind diese Menschen wieder so gut und herzlich.

In diesen Gegenden herrscht ein ungemeiner Reichtum an Obst und ganz vorzüglich an Mischmisch oder Aprikosen. Die schönen darunter werden gedörrt, die überreifen und halb verfaulten in großen Kesseln zu einer Salse gekocht, die dann ungefähr eine Linie dick auf lange glatte Bretter gestrichen und in der Sonne getrocknet wird. Diese Flecken, die wie grobes braunes Leder aussehen, werden dann zusammengelegt und bilden nebst den gedörrten Mischmisch starke Handelsartikel, welche weit und breit verführt werden. In Konstantinopel, ja sogar in Serbien sah ich solche Flecken, die aus diesen Gegenden kommen.

Die Türken nehmen diese getrocknete Salse besonders gern auf Reisen mit. Sie schneiden sie dann in kleine Stücke, geben dieselben in eine Schale Wasser, lassen sie durch mehrere Stunden aufweichen und genießen dann dieses wirklich sehr gute, aromatisch schmeckende Getränk mit etwas Brot.

Von Damaskus bis Baalbek hat man achtzehn Stunden zu reiten. Graf Z. wollte des folgenden Tages um Mittag schon in Baalbek sein; es wurde uns daher nur eine kurze Frist zur Nachtruhe vergönnt.

Die Nacht war so mild und schön, daß wir der Zelte ganz entbehren konnten und unser Lager am Ufer eines Bächleins unter einem großen Baum aufschlugen. Lange floh uns der Schlaf, denn unserem Lager gegenüber war ein Kaffeeschank, vor welchem es bis tief in die Nacht hinein äußerst lebhaft zuging. Kleine Karawanen trafen ein, andere zogen wieder fort, und so gab es keine Ruhe. Erst in später Stunde wiegte uns die große Ermüdung in sanften Schlummer, aus dem wir jedoch schon nach einigen Stunden aufgeschreckt wurden, um unsere anstrengende Reise fortzusetzen.

6. Juli 1842

Wir ritten acht Stunden unausgesetzt abwechselnd in schönen Tälern, dann wieder durch kahle, einförmige Gegenden zwischen und auf den Höhen des Antilibanon. Um die Mittagsstunde erreichten wir den letzten Hügel, und

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