Zivilisation und ...

Reise einer Wienerin in das Heilige Land

Ida Pfeiffer

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Reise von Konstantinopel über Beirut nach Jerusalem

Smyrna

19. Mai 1842

Schon lange vor der Sonne war ich auf meiner Warte, auf dem Verdeck, um Smyrna von weitem begrüßen zu können.

Eine doppelte Bergkette, immer höher emporsteigend, verkündete die Nähe der reichen Handelsstadt. Zuerst erblickt man das alte, halbverfallene Kastell auf einer Anhöhe und dann die Stadt, die sich an dem Fuß desselben längs des Gestades hinzieht; den Schlußstein dieses Gemäldes bilden die Brüderberge.

Der Hafen ist sehr groß, gleicht aber mehr einer Reede, und darum wäre Platz genug vorhanden, um ganze Flotten aufzunehmen. Es lagen viele Schiffe vor Anker, und eine große Lebhaftigkeit war überall sichtbar.

Die Frankenstadt, welche man von Bord des Schiffes ziemlich übersehen kann, breitet sich längs des Hafens aus und hat noch viel vom europäischen Typus.

H. v. K. war von meiner Ankunft unterrichtet und hatte die Güte, mich vom Bord des Schiffes abzuholen. Wir ritten gleich nach Hazilar, dem Sommeraufenthalt vieler Städter, wo er mich seiner Familie vorstellte.

Hazilar mag von Smyrna fünf deutsche Viertelmeilen entfernt sein. Der Weg dahin ist so über alle Beschreibung schön, daß man die Länge desselben gar nicht in acht nimmt. Gleich außer der Stadt ist ein großer Platz an einem Fluß, wo die Kamele Rast halten und wo sie beladen oder entlastet werden; ich sah eine ganze Herde dieser Tiere. Von ihren Führern, Arabern oder Beduinen, lagen einige auf Matten, die Ruhe genießend, während sich andere in vollster Tätigkeit mit ihren Kamelen beschäftigten, ein echt arabisches Gemälde, welches mir so neu war, daß ich mein Langohr unwillkürlich anhielt, um diese Szene mit Muße zu betrachten.

Unweit dieses Lagers ist der Hauptbelustigungs- und Versammlungsplatz der Städter. Eine Kaffeebude und einige Reihen Bäume bilden diesen Ort, an welchen sich Gärten an Gärten, alle überreich an schönen Fruchtbäumen, schließen. Besonders herrlich macht sich die Blume des gefüllten Granatbaumes, die voll und im hellsten Rot zwischen den Blättern glänzt. Am Weg blühte überall, wild wachsend, Oleander. Wir durchstreiften schöne Gehölze von Zypressen und Oliven. Noch nirgend sah ich eine so schöne, üppige Vegetation wie hier. Wundervoll nimmt sich dieses Tal, dessen eine Seite, umgeben von schroffen, wilden Gebirgen, einen gar sonderbaren Gegensatz zu der übrigen blühenden Landschaft bildet, von dem Hügel aus, welchen man überschreitet. Dazu die vielen kleinen Züge von sechs bis zehn und zwanzig Kamelen, die uns bald mit bedächtigem Schritt entgegenkamen, bald von unsern flinken Eselchen überholt wurden. Bei so vielen neuen und schönen Gegenständen wird man es wohl sehr natürlich finden, daß mir die Zeit zu schnell entfloh.

Die Hitze in Smyrna soll im Sommer nicht drückender sein als in Konstantinopel. Das Frühjahr kommt aber zeitig, und der Herbst währt länger. Dies erklärte mir auch die schöne Vegetation, die ich hier im Vergleich zu Konstantinopel sehr bedeutend entwickelt fand.

Das Landhaus des Herrn v. K. steht mitten in einem schönen Garten, es ist groß und aus Stein gebaut; die Zimmer sind hoch und geräumig, mit Marmor oder Ziegeln gepflastert. Im Garten sah ich die erste Dattelpalme, ein wunderschöner Baum mit hohem, schlankem Stamm, von dessen Spitze fünf bis sechs Schuh lange Blätter sich herabbeugen und eine großartige Krone bilden. In diesen Gegenden sowie auch in jenen Syriens, wo mich meine Reise noch hinführte, wächst der Baum nicht so hoch wie in Ägypten und trägt auch keine Frucht. Er steht bloß als herrliche Zierde neben dem Granat- und Orangenbaum. Ebenso sah ich in diesem Garten viele Sorten der schönsten Akazien, darunter so ungeheuer große, umfangreiche Bäume, wie bei uns nur immer ein Nuß- oder Lindenbaum ist.

Die Besitzungen der Städter gleichen sich alle sehr. Die Häuser stehen in den Gärten, und das Ganze ist mit einer Mauer umgeben.

Abends besuchte ich mit Herrn v. K. einige Bauernfamilien. Herr von K. sagte mir, daß diese Leute sehr arm seien, allein ich fand sie gut gekleidet und wohnlich eingerichtet. Ihre Häuser sind aus Stein und die Zimmer geräumig; alles ohne Vergleich besser als in Galizien und in Ungarn an den Karpaten.

Diesen Tag im Kreis einer so liebenswürdigen Familie zugebracht, zählte ich unter einen der angenehmsten. Wie gerne würde ich die herzliche Einladung, mehrere Wochen bei ihnen zu bleiben, angenommen haben, wenn ich nicht schon so viel Zeit in Konstantinopel verloren hätte. Und so schied ich am

20. Mai 1842

vormittags von Frau v. K. und deren liebenswürdigen Kindern. Ihr Herr Gemahl begleitete mich nach Smyrna. Wir durchstreiften absichtlich viele Gassen des Frankenviertels, deren ich die meisten recht hübsch und freundlich, eben und gut gepflastert fand. Die Gasse, in welcher die Konsuln wohnen, ist die schönste. Die Häuser sind schön und aus Stein gebaut. Die Vorhalle eines jeden Hauses ist gar zierlich mit kleinen, oft farbigen Kieselsteinen ausgelegt, welche Kränze, Sterne oder Würfel bilden. In diesen Hallen hält sich die Familie meistens während des Tages auf, da es kühler ist als in den Gemächern. An das Haus schließt sich gewöhnlich ein artiger Garten.

Die Türkenstadt ist freilich ganz anders, sie ist aus Holz gebaut und winkelig und eng, und Hunde liegen in den Gassen geradeso wie in Konstantinopel oder Brussa. Und warum soll es hier auch anders aussehen? Hier und dort wohnen Türken, und weder die einen noch die andern haben das Bedürfnis, luftig und rein zu wohnen wie wir verwöhnten Franken.

Die Bazare sind nicht gedeckt, und auch hier muß man die schönen Waren hinter Schloß und Riegel suchen.

Eine Partie nach Bornova, welches unweit der Stadt an der Küste liegt und ebenso wie Hazilar der Aufenthalt der Städter während des Sommers ist, verdient gemacht zu werden. Die Ansichten dahin sind wechselnd, der Weg sehr gut. Das Ganze gleicht einem sehr gedehnten Dorf, dessen Häuser alle in der Mitte der Gärten stehen, die mit einer Mauer umgeben sind.

Von der Akropolis hat man die schönste Ansicht im Rundgemälde. Man überblickt hier alles vereint, was auf den andern Partien nur teilweise geboten wird.

In Smyrna sah ich die schönsten Frauen, die mir bisher vorgekommen sind. Selbst auf meiner ferneren Reise fand ich wenig so schöne, schönere gar nicht. Diese Zaubergestalten sind aber nur unter den Griechinnen zu suchen. Die schöne reiche Tracht erhöht den Reiz dieser lieblichen Grazien noch viel mehr. Besonders geschmackvoll wissen sie den kleinen, rundlichen Fez zu stecken, unter welchem ihr üppiges Haar in schönen Flechten über die Schultern fällt oder sich nebst einem reichgestickten Tuch um Kopf und Stirne windet.

Smyrna besitzt aber nicht bloß die schönsten Frauen, es ist auch berühmt als Geburtsort eines der größten Männer. O Homer, in dem heutigen Griechenland würdest du keinen Stoff mehr zu deiner unsterblichen Iliade finden!

Um fünf Uhr abends verließen wir Smyrnas Hafen. Die Ansicht der Stadt gestaltet sich von dieser Seite schon nach der ersten Seemeile viel großartiger als von der Konstantinopels. Hier erst entfaltet sich die ganze Größe der Türkenstadt, die auf der andern Seite durch das Frankenviertel halb verborgen ist.

Das Meer ging hoch, und starke Gegenwinde hemmten die Eile unseres trefflichen Schiffes. Doch, Gott sei Dank, wenn das Meer nicht gar stark stürmt und braust, übt es keine Macht mehr über meine Gesundheit. Ich befand mich wohl und sah mit großem Vergnügen die hohen Wellen unserem Schiffe entgegentanzen. Unsere Reisegesellschaft hatte sich in Smyrna um einige Franken vermehrt.

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