Reise von Konstantinopel über Beirut nach Jerusalem
Ich verschob meine Reise von Tag zu Tag, denn die Berichte
aus Beirut und Palästina lauteten gar zu ungünstig. Als ich
mich bei meiner Gesandtschaft um einen Ferman (türkischen Paß)
bewarb, widerriet man mir die Reise nach jenen Ländern. Die
Unruhen im Libanon sowie die Pest seien zu mächtige Feinde, um
sich ohne die dringendste Notwendigkeit einer solchen Gefahr
auszusetzen.
Ein Geistlicher, der vor zwei Monaten von Beirut gekommen
war, versicherte mir, die Unsicherheit sei so groß, daß selbst
er, als Arzt weit und breit bekannt, sich nicht über eine
halbe Stunde von der Stadt entfernen dürfe, ohne sich den
größten Gefahren preiszugeben. Er riet mir, bis Ende September
in Konstantinopel zu bleiben und dann mit der Karawane der
Griechen nach Jerusalem zu reisen. Dies wäre die einzige Art,
sicher dahinzugelangen.
Da traf ich eines Tages einen Pilger in der Kirche, der aus
Palästina kam. Auch ihn fragte ich um Rat. Er bestätigte nur,
was mir der Priester gesagt, und fügte noch hinzu, daß einer
seiner Gefährten auf dem Rückweg ermordet worden und er selbst
ausgeplündert und nur durch die besondere Gnade Gottes dem Tod
entronnen sei. Den Worten dieses Menschen glaubte ich gar
nicht. Er erzählte seine Begebenheiten so ziemlich à la
Münchhausen, vermutlich, um Bewunderung zu erregen. Ich setzte
meine Nachforschungen so lange fort, bis ich so glücklich war,
jemanden zu treffen, der mir das Gegenteil versicherte. Auf
jeden Fall überzeugte ich mich, daß in Konstantinopel über
diesen Punkt ebensowenig Wahrheit zu erfahren sei wie
irgendwo. Endlich entschloß ich mich, mit der nächsten
Gelegenheit wenigstens bis Beirut zu gehen; dort dachte ich
die Wahrheit zu erfahren.
Man riet mir, die Reise in Männerkleidung zu machen, allein
ich fand diesen Rat nicht klug, indem meine kleine, magere
Gestalt wohl für einen Jüngling, mein ältliches Gesicht aber
für einen Mann gepaßt hätte. Da mir aber der Bart fehlte, so
würde man die Verkleidung gleich geahndet und ich mich dadurch
mancher Unannehmlichkeit ausgesetzt haben. Ich zog es vor,
meine einfache europäische Tracht, die aus einer Bluse und
Beinkleidern bestand, beizubehalten. Auf dem Kopf trug ich
einen runden Strohhut. In der Folge wurde ich immer mehr
überzeugt, wie gut ich getan, mein Geschlecht nicht zu
verleugnen. Man begegnete mir überall mit Achtung und hatte
oft Nachsicht und Güte für mich, gerade weil man auf mein
Geschlecht einige Rücksicht nahm.