Rosenöl
Rosenöl (Hammer-Purgstall)

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1813 n.Chr.

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Rosenöl - Joseph von Hammer-Purgstall

7. Rafael

Der höchste Engel des siebenten Himmels, dessen Schaaren den Menschenkindern gleichen.

Die dem Menschen zugegebenen Engel sind sieben

[Rand: Feraidal fewaid. S. 65.] an der Zahl, fünf Schutzengel, und zwei Aufzeichner seiner guten und bösen Taten. Zwei der ersten beschützen ihn des Tages, die zwei anderen [Rand: Adschaib.] die Nacht hindurch, der fünfte verlässt ihn weder bei Tag noch bei Nacht. Die beiden Aufzeichner, der eine zur Rechten, der andere zur Linken, halten Buch über alle seine Gedanken, Worte und Werke. Nach den Schutzengeln (Hafaza) folgen die Schatzengel (Chazana), das ist, die Türhüter des Paradieses, welche die Schätze desselben bewahren. Der oberste derselben heißt Riswan. Die Folterengel (Rebanye) sind über die Hölle gesetzt, ihr Haupt heißt Maleb. Die Grabesengel, Munkir und Nikir, nehmen, sobald der Mensch in die Erde gesenkt ist, im Grabe das erste Verhör seines vergangenen Lebens vor, mild und sanft mit den Gerechten streng und fürchterlich mit den Bösen. Der eine ist schwarz, der andere blau1.

[Rand: Fereidal fewaid. S. 73.] Über die Engel, deren Pflicht es ist, die Seele beim Scheiden vom Körper zu übernehmen, hat die Überlieferung folgende Stelle aus Mohammeds Munde aufbewahret: »Wenn der Tod dem Gerechten naht, kommen die Engel des Paradieses mit einem weiß- seidenen Tuche, und sagen: Zieh aus, o reiner Geist! zufrieden wie der Herr mit dir zufrieden ist; zieh hin, zu Ruh und Gewinn; der Herr zürnt dir nicht, Er weiset dir ein holdselig Angesicht. Und er zieht aus wie Moschusgeruch, so dass die Engel denselben von Hand zu Hand geben, des süßen Geruchs zu genießen, bis sie kommen an des Paradieses Thor. Welch herrlicher Duft, sagen die Hüter desselben, steiget herauf von Erden! Die Engel bringen ihn zu den übrigen Gerechten, die sich seiner freuen, wie Ihr Euch freuet über die Rückkehr eines abwesenden Freundes. Die Einen fragen ihn um diesen und jenen seiner Bekannten; belästiget ihn nicht mit Fragen, sagen die Andern, er ist froh, dem Kummer der Erde entflohen zu seyn. Aber der Gerechte antwortet ihnen doch: dieser und jener ist gestorben, kam er denn nicht zu Euch? So ist er denn, sagen die Engel, hinuntergegangen zu seiner Mutter der Hölle. Wenn den Bösen die Todesangst peinigt, kommen die Folterengel mit lumpichtem Tuch, und sagen: Zieh aus, unreiner Geist, griesgramend wie der Herr dir grimmt, zieh aus zum ewigen Graus, Geh ein zur Höllenpein!

Und er zieht aus mit Aasgestank; sie tragen ihn zu den Pforten der Erde. Welch ein Gestank! sagen die Hüter derselben, und sie bringen ihn zu den Verdammten.«

Die Zauberengel Harut und Marut sind aus Strafe für Missetaten, die sie auf Erden begingen, in einem Brunnen zu Babel mit eisernen Ketten an den Füßen aufgehängt, bis zum Tag des Gerichts. Von ihnen lernten die Menschen die Zauberei.

Die Reiseengel bereisen die Erde nach allen [Rand: Adschaib.] Richtungen, mischen sich unter die Gesellschaften der Menschen, und leiten dieselben zum Guten als Missionarien der Tugend. Endlich die Engel, welche für das Wachstum und Gedeihen aller Steine,[11] Pflanzen und Tiere auf Erden Sorge tragen, insgemein die Engel der Geschöpfe genannt.

Außer den sieben Chören der Cherubim, welche unter der Anführung des Geistes, Gabriels, Michaels, Israfels, Israels, Semhaels und Rafaels die sieben Himmel bewohnen, außer den sieben Legionen der Schut- und Schatz-, der Folter- und Gerichts-, der Zauber-, Reise- und Geschöpfe-Engel, welche auf der Erde schweben und weben, schuf der Herr noch unzählige himmlische Geister und Engel zu seinem Lob und Preis. Voll prophetischer Begeisterung verkündigte Mohammed

[Rand: Feraidal-fewaid. 65.] einst von der Kanzel die folgenden Worte: »Gott der Herr hat die Himmel durchfurcht, und mit Scharen von Engeln besäet. Einige derselben liegen anbetend auf ihrem Gesichte, ohne dasselbe zu erheben, andere halten beständig das Knie gebeugt, ohne sich je niederzuwerfen, oder aufzurichten. In unveränderliche Reihen gescharet, singen sie unaufhörlich Lob und Preis. Kein Schlaf kömmt in ihre Augen, Verstandesschwäche und Körperträgheit, und vergesslicher Sinn befällt sie nicht. Einige derselben sind die Boten der Offenbarung, die Gottes Wort seinen Gesandten bringen, andere die Vollstrecker seiner Befehle; einige die Beschützer der Menschen. Andere die Hüter der Pforten des Paradieses; – Tag und Nacht preisen sie den Herrn, und fürchten ihn, und thun, was Er befiehlt.«[12]

Wiewohl sich die Zahl der Menschen, Dschinnen, Tiere und Engel eigentlich nicht berechnen lässt, so hält man folgendes Verhältnis ihrer Anzahl für das richtigste:

Das ganze Menschengeschlecht ist ein Zehntel des Dschinnengeschlechtes; beide zusammen ein Zehntel der Land-, und diese ein Zehntel der Seetiere. Die Summe aller derselben ein Zehntel der zum Schutz der Menschen auf der Oberfläche der Erde waltenden Engel. Diese wieder nur ein Zehntel der Engel, so im ersten Himmel wohnen, und so fort nach derselben Stufenleiter, bis in den siebenten und höchsten Himmel, und zum Gezelte Gottes.

Wie die Engel aus Licht, so werden die Dschinnen (Genien) aus Feuer erschaffen, und ihnen die Erde zur Herrschaft eingeräumt, auf der sie lange vor der Erschaffung Adams hausten, unter einer Dynastie von vierzig, oder, nach Andern, von siebzig Salomonen, deren Wesir Simurg der berühmte Vogelgreis war2.

Die Gestalten dieser Salomonen, so wie der Völker, [Rand: Herbel. Soliman.] die sie beherrschten, lassen an Sonderbarkeit und Abenteuerlichkeit die wildeste Einbildungskraft weit[13] zurück. Vielköpfig, vielarmig, vielfüßig, vielleibig, mit Löwenrachen und Drachenschwänzen, und Pferdehufen und Bocksfüßen. Dies sind die Dschinnen oder Diwe, die nach Adams Erschaffung von der Erde verjagt wurden, vor ihm aber die Herrschaft derselben ausschließlich besaßen3.

Gott schuf, wie schon gesagt, Dschan Ben Dschan, den Vater des Dschinnengeschlechtes, aus Feuer, und aus seiner Rippe die Mutter des Dschinnengeschlechtes, wie er in der Folge Eva schuf aus der [Rand: Mesudi XLVI. Cap.] Rippe Adams. Diese kam mit dreißig Eiern nieder, aus denen sich die verschiedenen Geschlechter von Dschinnen oder Diwen, welche damals die ganze Erde bevölkerten, und heute noch das Gebirge Kaf, und die Wüsten Afrika's bewohnen, entwickelt haben4.[14]

Ob auch die Peri's, diese zarten, schönen, lieblichen [Rand: Peri. Herb.] Geschöpfe, die Feen und Grazien des Dschinnistans, und die Takwins, die wahrsagenden, [Rand: Tacouin. Herb.] Schicksal verkündigenden Schwestern, die Parcen und Sibyllen der voradamischen Welt, den Eiern der Dschinnenmutter entschlafen, oder nicht vielmehr besonders von Gott aus Duft, wie der Dschinnenvater aus Feuer, und die Engel aus Licht, erschaffen worden seien, ist ungewiss. Wahrscheinlicher das Letzte. Denn aus Dust gebildet, zarter, durchsichtiger Gestalt, leben die Peri's nur von Wohlgerüchen, und schweben wie unsere ihnen nahverwandten Elfen in luftigem Reigen über Blumen dahin.

Was unterm Monde gleicht

Uns Peris flink und leicht?

Wir spiegeln uns im Thau

Der sternenhellen Au.

Wir tanzen auf des Baches Moos,

Mir wiegen uns am Frühlingsspross,

Und ruhen in weicher Blumen Schoß.

Matthisson5.

Die Takwins, nicht minder schön als die Peri's, [Rand: Herb. Tacouin] mit Fittigen leicht beschwinget, gaben den Salomonen der voradamischen Welt Aufschluss über die Zukunft durch Orakelsprüche, und Rath in schwierigen Fällen. Aber ihr erster hochbetrauter Staatsrat war doch immer der weise Greis, der ungeheure Vogel [Rand: Herb. Simory.] Simurganka, der sich noch am Hofe Salomons, des Sohnes Davids, als Repräsentant der Vögelgeschlechter einfand, seitdem aber in trüber Abgeschiedenheit auf dem Gebirge Kaf lebt als Staatsmann in der Einsamkeit6.

[Rand: Herb. Salomon.] Die sieben Reichskleinodien dieser Salomonen voradamischer Welt waren eben so viele Talismanen, um deren Besitz spätere Helden, und vorzüglich die alten Könige Persiens die Züge ins Gebirge Kaf unternahmen, und so manches Abenteuer mit diesen und Diwen ritterlich bestanden. Nämlich:

Der Siegelring, das Symbol der höchsten Herrschaft über die Dschinnen, so hernach in Salomons, des Sohnes Davids, Besitz geriet, und wodurch er ward zum Herrn und Meister der Menschen und der Geister.

Der diamantne Schild, den Kajunerß, der Stifter der ältesten persischen Dynastie, auf der Insel Ceilon fand, und seinem Sohne Huscheng vererbte.

Der undurchdringbare Harnisch.

Das Flammenschwert.

Der Reiger von Simurgs Federn, den in der[16] Folge König Tahmuraß zuerst aufsetzte, seit wann Reigerbüsche zum königlichen Hauptschmucke geworden.

Der Becher, später in Dschemschids Händen das Symbol der Vortrefflichkeit, des Glanzes, der segenreichen Fruchtbarkeit.

Der Spiegel, oder das weltenerleuchtende Glas, worin Alexanders Eroberergenie die ganze Welt vor sich ausgebreitet erblickte7.

Die Residenzstadt der voradamischen Dschinnenkaiser hieß Fanum, sie war zugleich die Hauptstadt der ganzen Erde. Als dieselbe noch von Diwen, und nicht von Menschen bewohnet ward, musste alle Macht und Herrschaft nur in Einem Punkte versammelt sein. Die gesamten Symbole derselben mussten nur Einem, und zwar dem Stärksten der Dämonen angehören, damit er die unbändige Wut der übrigen zu zähmen vermöchte. Als aber Menschen an die Stelle der Dämonen traten, wurde die Alleinherrschaft der Erde unter mehrere Könige verteilt. Denn die Strahlen der Macht, im Brennpunkt der Weltherrschaft gesammelt, sind wohl für Dämonen, aber nicht für Menschen, nötig und leidentlich. In der Folge der Zeiten war ein einziger der sieben genannten Talismane genug, um seinem Besitzer außerordentliche Macht und Herrschaft über seine Zeitgenossen zu verschaffen. So ward Huscheng durch den Schild, Thamuraß durch den Reiger, Salomon durch den Siegelring, Dschemschid durch den Becher der Fülle, Alexander durch den Eroberungsspiegel unsterblich in der Geschichte. Welchem Herrscher das Flammenschwert ward, ist uns nicht bekannt, noch weniger, welchem der Harnisch, sich dagegen zu verteidigen.

[Rand: Herb. Djan.] Dschan Ben Dschan, der letzte der voradamischen Salomonen, füllte die Erde mit Unrecht und Empörung durch Uebermuth und Missbrauch der Weltherrschaft. Da sandte Gott einen seiner Engel Iblis, oder auch Hereß, das ist, der Hüter genannt, auf Erden die Dschinnen zu bändigen, und sie von ihren Wohnsitzen zu verbannen, weit hinter das Gebirge Kaf. Zugleich beschloss Er, die Erde künftig mit einem neuen Geschlechte zu bevölkern, dem Geschlechte [Rand: Tabari.] der Menschen. Denn Iblis hatte sich des Besitzes der Erde, die er von Dschinnen gereinigt hatte, durch den stolzen Gedanken, dass er der Engel höchster, und allein der Herrschaft der Erde wert sei, vor dem Angesicht des Herrn derselben unwürdig gemacht.

[Rand: Koran.] Ich will, sprach der Herr zu den Engeln, mir einen Stellvertreter setzen auf Erden; wirst du einen setzen, fragten die Engel, der Verderbnis übe, und Blut vergieße? Ich, entgegnete der Herr, weiß allein, was ihr nicht wisset.

Gott befahl also dem Engel Gabriel, auf Erden [Rand: Tabari.] niederzusteigen, und eine Handvoll Erde zu nehmen, woraus er den Menschen erschaffen möge. Gabriel senkte seinen Flug dorthin, wo heut das heilige Haus die Kaaba steht. Was willst du? fragte ihn die Erde. Eine Handvoll von dir, woraus der Herr seinen Stellvertreter schaffen will, der dich beherrschen soll. O Gabriel, antwortete die Erde, bei Gott dem Schöpfer aller Dinge! beschwör' ich dich, verschone mich mit diesem Auftrage. Dieser Stellvertreter der Gottheit wird mich mit Sünden und Blut bestecken, sich wider den Herrn empören, und mich zum Mitschuldigen seiner Verbrechen machen wollen. Gabriel kehrte unverrichteter Dinge zum Herrn zurück, dem er vom Flehen der Erde Bericht gab. Gott erteilte denselben Auftrag dem Engel Michael, der ebenfalls mit leeren Händen zurückkam. Ihm folgte Israfel, und als auch dieser durch die Bitte der Erde bewegt sich seines Auftrags nicht entledigte, erteilte Gott denselben dem Todesengel Israel. Dieser unerbittlich, und unbewegt durch Tränen nahm eine Handvoll Erde; das ist, vierzig Joche von allen Gattungen von Erden, denn soviel umfasst die Handvoll des Todesengels.

Hieraus schuf Gott den Körper des ersten Menschen, und befahl den Engeln, denselben auf die Erde[19] zu legen, noch ein unförmliches Gebilde aus mannigfaltigem Lehm geformet. Vierzig Jahre lang lag er den Strahlen der Sonne ausgesetzt, durch deren belebende Kraft sein Äußeres und Inneres zur vollkommenen schönen menschlichen Gestalt ausgebildet ward. Die Engel strömten in Haufen herbei, dies sonderbare unbeseelte Gebilde anzustaunen, keinen beschäftigte es mehr, als Iblis, den stolzen Hüter der Erde. Als der Mund und die Nasenhöhlen geformet waren, kroch er hinein, und durchschloff alle Adern und Höhlungen dieses neuen Kunstwerks der Schöpfung. Da war alles hohl und leer, und ohne Leben und Geist, und als er wieder herausgekrochen war, sprach er zu den Engeln seinen Gehilfen: Das ist. Nichts, denn was sollte aus dem Leeren wohl werden! Sollte dies der Stellvertreter auf Erden werden, so verjage ich ihn daraus, wie ich das Geschlecht der Dschinnen verjaget habe, was meinet ihr? Wir gehorchen, antworteten sie, den Befehlen des Herrn. Er hat uns dir zu Gehilfen gegeben, das Geschlecht der Dschinnen zu vertreiben, Er ist dein und unser Herr!

Iblis, der die Abneigung der Engel, sich wider die Befehle des Herrn zu empören, einsah, antwortete für diesmal: Es ist gut, was ihr meinet, ist auch meine Meinung. Um nun den Körper zu beleben, befahl der Herr dem Geiste hineinzuziehen. Der Geist, als er sah, wie eng und finster, und ungemächlich[20] die ihm bestimmte Wohnung sei, weigerte sich dessen. Da sprach der Herr: Zieh ein, o Geist, mit Widerwillen, und dann zieh aus zur Straf' mit Widerwillen. Der Geist gehorchte, ging ein durch den Mund, in die Brust, in das Herz. Die Lungen hoben sich, das Herz strömte Blut aus. Von da stieg er auf in den Kopf, und als er ins Gehirne gekommen war, da nieste Adam und öffnete die Augen. Sage: Lob sei Gott, sprach ihm Gebriel, der zunächst stand, in das Ohr. Lob sei Gott, wiederholte Adam, und seine Enkel, die Moslimen, wiederholen es seitdem, so oft sie niesen.

Des ersten Menschen erste Begier, sobald er Augen und Mund geöffnet hatte, war nach Speise, es hungerte ihn, und er verlangte zu essen, denn der Geist rumorte schon in dem Magen. Doch vermochte er nicht aufzustehen, um seinem Wunsche Genüge zu leisten, denn der Geist war noch nicht in die Lenden und in die Füße vorgedrungen. Als er aber den ganzen Körper beseelet hatte, und die Engel das Meisterstück der Schöpfung vor sich sahen, in aufrecht stehender gegen Himmel gerichteter Gestalt, priesen sie den Herrn und sprachen: Lob sei Dir, wir wissen nur, was Du uns lehrtest; sagt ichs [Rand: Koran.] Euch nicht, erwiderte der Herr, ich weiß die Geheimnisse des Himmels und der Erde, ich weiß, was ihr offen haltet und verborgen.

Den ersten Ausdruck des Gefühls von Dankbarkeit und Lobpreis, hatte Gabriel dem Menschen in den Mund gelegt, aber die Bezeichnung seiner Begriffe mit Namen lehrte ihn Gott der Herr selbst. Er lehrte ihn die Namen der Thiere und Pflanzen, und Steine, und schenkte ihm den ganzen Reichthum der Sprache, so wie er ihm die Herrschaft über alle Thiere und andere Geschöpfe auf Erden verlieh. Nun befahl er auch den Engeln, dem Vater der Menschen zu huldigen, und sie huldigten ihm Alle, ausgenommen Iblis der Stolze, welcher sich weigerte, den neuen Herrn der Erde anzuerkennen.

Was hindert dich, ihm zu huldigen, fragte ihn der Herr. Wie sollte ich, antwortete er, huldigen einem sterblichen Geschöpfe, das du erschaffen aus Erde. So verlass, sprach der Herr, die Erde, Verruchter, und sei bis an den Tag des Gerichts verflucht!

Iblis, verlor die himmlische Gestalt, von nun an ein verworfener Engel, oder Teufel, Satan, der Verruchte, der Verfluchte.

[Rand: Ibn Kessir.] Er verließ die Erde, und schlug seinen Thron auf über den unermesslichen Wassern des Meeres, umgeben von den Ungeheuern der grundlosen Tiefe; den Vater der Menschen hingegen trugen die Engel ins Paradies Gottes, wo er zuerst von den Früchten des Paradieses genoss, und dann in süßen Schlummer sank.[22] Während er schlief, formte Gott aus seiner Ribbe Eva seine Gefährtin, die Mutter der Menschen, und gab ihnen das Paradies zum Genusse, einen einzigen Baum ausgenommen, den Baum des Getreides, der erst seit dem Falle Adams zur Ähre verkrüppelt ist. So genoss Adam durch hundert Jahre mit seiner Gefährtin des Paradieses und des Umgangs der Bewohner desselben, das ist, der Geister und Seelen der Propheten, welche Gott zugleich mit Adams Geiste erschaffen hatte, und welche das Paradies bewohnen, so vor als nach ihrem vorübergehenden Aufenthalte auf Erden.

Adam grüßte sie mit den Worten: Heil sei Euch, (Selem aleikum), und sie erwiderten den Gruß mit Euch sei Heil (Aleikum selem); dies ist also der Gruß des Paradieses, mit dem sich noch heut die Moslimen befreunden. Auf der Stirne dieser verklärten Geister, welche in späten Jahrhunderten erst auf der Erde verkörpert erscheinen sollten, war die Zahl ihrer Lebensjahre mit leuchtenden Buchstaben angeschrieben. Wer, fragte Adam den Herrn, wer ist der Mann, mit dem Seherblick hoher Begeisterung, und der von Wohllaut schwellenden Lippe, dem nur vierzig Jahre an die Stirne geschrieben sind?

Es ist, antwortete der Herr, dein Sohn David, der fromme König, der hohe Sänger. O so lege ihm, flehte Adam, sechzig Jahre von meinem Leben zu, und Gott willfahrte dem Vater der Menschen. In dessen sann Satan, voll listiger Rathschläge, wie er Adam verführen, und des Paradieses, dessen er selbst verlustig geworden, berauben möchte. Hundert Jahre lang war er um die hohen demantenen Mauern geschlichen, um die Gelegenheit zu erspähen, wo er sich unbemerkt hinein stehlen könnte; aber umsonst, der Engel Riswan, der wachsame Hüter der Pforten des Paradieses, wies ihn immer mit flammendem Schwert zurück. Endlich fand Satan eines Tages die Schlange, die sich außer den Mauern des Paradieses ins Gras gelagert hatte, sich dort zu sonnen. Sie hatte damals nicht die heutige verworfene Gestalt, sondern war ein schönes Tier mit Füßen und Händen, und Flügeln, nach dem Menschen das schönste. Satan überredete sie, dass er, einer der ersten Cherubim, nur in zeitliche Ungnade bei Gott gefallen sei, bald aber zur vorigen Gunst zurückkehren werde, wo er sich dann erkenntlich zeigen wolle, wenn sie ihm itzt nicht den kleinen Dienst versagte, ihn, von Riswan unbemerkt, ins Paradies zu tragen. Die Schlange ließ sich betören, erlaubte, dass er in ihren Mund kroch, und schwärzte ihn so unter der Zunge über die Schwelle des Paradieses.

Satan nahte sich Adam in seiner wahren Gestalt, und gab sich ihm zu erkennen für den in die allerhöchste Ungnade gefallenen Cherubim Iblis. Du befindest dich, Adam, sprach er, sehr wohl hier, nur Schade, dass es nicht ewig währen soll! Und warum[24] nicht? fragte Adam. Hat man dir denn nicht verboten, von der Frucht jenes Baumes zu essen, dies ist der Baum des ewigen Lebens, dessen Genuss Euch die ewige Fortdauer des itzigen Glückes gewähren würde. Adam weigerte sich lange, Satans Einsprechungen Gehör zu geben, da wandte er sich an Eva, die er mit weniger Müh überredete, und dieser kostete es nur süßer Schmeichelworte, um Adam zum Genuss der verbotenen Frucht zu bewegen. Aber kaum hatte die Frucht ihre Kehle hinab geglitten, als sich das Gewand des Paradieses von ihren Körpern löste; Adam und Eva waren nämlich am ganzen Leibe mit einem hornartigen, weichen, glänzenden, rothen Panzer bekleidet, der nun Stück für Stück herabfiel; nur an den äußersten Enden der Finger und Zehen blieben einige Überbleibsel davon zurück, die Nägel, den Menschenkindern zum ewigen Angedenken, dass ihre Eltern das Paradies verloren; und auch diese Reste des paradiesischen Flügelkleides verlören alle Ähnlichkeit damit, wenn reinliche Sorgsamkeit sie nicht von Niednägeln und Auswüchsen, womit die indische Natur dieselben stets verunstaltet, zu säubern besorgt wäre. Die Frauen, denen der Verlust des schönen paradiesischen Kleides am nächsten zu Herzen geht, ersetzen die ursprüngliche Farbe desselben, an den Nägeln mit dem hellen Roth Henna.

Als sich Adam und Eva am ganzen Körper entkleidet sahen, die Spitzen der Finger und Zehen ausgenommen,[25] schämten sie sich gegenseitig. Gott aber sprach in seinem Grimm: Steigt hinunter zur Erde ein feindlich Geschlecht. Adam, Eva, Satan, und die Schlange, jedes seiner Missetat bewusst, klammerten sich an die vier Äste des Kornbaums in Angst vor dem Grimme des Herrn. Er entwurzelte ihn und schleuderte ihn aus dem Paradies hinab auf die Erde, wo Adam auf die Insel Serendib (Ceilon), Eva in die Gegend um Mekka, die Schlange auf Isfahan, Satan in Kermans salziger Wüste, die Frucht des Baumes aber, das Getreidekorn, auf die ganze Erde verbreitet, niederfiel, als Nahrung bestimmt den Menschenkindern, unter dem Schweiß ihres Angesichts zur Strafe des Ungehorsams ihrer Eltern.

Adam war auf den höchsten Berg gefallen in Ceilon, der noch heute seinen Namen trägt. Reuevoll blieb er auf seinem Gesichte liegen, und vergoss Tränen der bittersten Reue. Aus seinen Tränen sprossten alle die großen Bäume Indostans wie der Kokosbaum, die Myrobolane und andere. So lag er hundert Jahre, ohne das Gesicht aufzuheben, oder seinen Tränen Einhalt zu tun. Da sandte der Herr, der nicht sein Verderben wollte, den Engel Gabriel zu ihm. Gabriel nahm ihn sanft beim Arme, hob sein Haupt auf und sprach: Gott der Herr lässt dich grüßen und dir sagen, er habe dich ja nicht ohne Zweck erschaffen, er habe dich ja nicht umsonst ins[26] Paradies gesetzt, und dir eine Seele gegeben. Zu was das Weinen, und unnütze Klagen! Ach! Gabriel, erwiderte Adam mit großem Schluchzen, ich weine um die verlorne Nachbarschaft des Herrn, von dem ich nun so weit entfernt bin. Betrübe dich nicht unmäßig, sprach Gabriel, und lies einmal dahier. Hier hielt er ihm eine Rolle mit folgendem Verse des Korans hin:

Lob Dir, es ist kein Gott als Du! Herr, ich erkenne meine Missetat, und habe bös gehandelt gegen meine Seele. Verzeihe mir, denn Du bist der Beste der Verzeihenden. Lob Dir, es ist kein Gott als Du!

Adam las, und der Herr nahm seine Reue an. Darob vergoss Adam einen neuen Strom von Tränen, aber nicht von bitteren der Reue, sondern von süßen der Freude, aus denen Hyacinthen, Violen und andere wohlriechende Blumen sprossten.

Nun hungerte Adam zum erstenmal auf Erden. Gabriel brachte ihm das Korn und lehrte ihn, wie er die Erde pflügen, dasselbe säen, ernten und kochen müsse, lehrte ihn auch die Zubereitung der sauren Milch, Hogurd genannt. Als Adam gegessen hatte, fühlte er neue Notdurft, die ihm im Paradiese unbekannt geblieben war, denn dort verdufteten die Speisen, und suchten keinen Ausweg; auch hierin schaffte ihm Gabriel Erleichterung. Adam hatte damals noch die ganze Körpergröße, mit der er erschaffen worden war, wie aus seinen noch heut auf dem Adamsberg gezeigten Fußstapfen zu ersehen. Gabriel geschmeidige seinen für die Erde zu großen Körper, indem er ihn mit seinen Flügeln vom Haupte gegen die Erde zusammendrückte. Adam durchwanderte nun die Erde, und war bis in die Gegend von Mekka gekommen, ohne Ruhe zu finden, denn rastlos trieb ihn die Sehnsucht nach der verlornen himmlischen Wohnung auf Erden umher. Gott sandte ihm seinen Boten Gabriel, der sagte ihm: Adam! umsonst ist hier auf Erden dein Streben nach Ruhe, aber um deine Sehnsucht nach himmlischer Wohnung nur einigermaßen zu stillen, sendet dir der Herr aus dem Paradies ein Haus aus funkelndem Rubin. Gabriel setzte es gerade auf der Stelle nieder, wo heut die Kaaba steht. Der so hoch verehrte schwarze Stein war einer von den Steinen jenes himmlischen Hauses, ursprünglich ein hellstrahlender paradiesischer Stein, der nur durch das Berühren sündiger Menschen finster und schwarz geworden. Gabriel lehrte Adam den Umgang ums himmlische Haus, so wie er noch heute bei der Pilgerschaft nach Mekka um die Kaaba gehalten wird. Adam befand sich nun nicht ferne von Eva. Sie fanden und erkannten sich das erstemal auf dem Berge Arafet, der deshalben der Berg der Erkenntnis heißet. Sie schlachteten Lämmer, und verfertigten sich aus den Fellen derselben die ersten Kleider.

Iblis, der noch immer das Glück des Menschen, selbst nachdem er gefallen, beneidete, fing an, dem Herrn zu flehen: Herr, mein Gott! So viele Aeonen habe ich Dir gedient, in jedem Himmel bin ich dreihundert Jahre lang anbetend vor dir auf dem Gesicht gelegen, und doch hast Du mich von Deinem Throne verstoßen, erhöre doch wenigstens eine meiner Bitten. Verfluchter, Verruchter! antwortete Gott, du bist auf Ewigkeit verworfen, und aus dem Paradiese verstoßen, aber eine andere Bitte als die, um Rückkehr in meine Gnade, will ich dir gewähren aus ewiger Huld. Herr! flehte Satan, gib mir vom wahren Wege Verirrtem, dass ich die Menschenkinder vom wahren Wege verführen dürfe. Meines Versprechens und meiner Ehre halber, antwortete der Herr, sei dir die Bitte gewähret. – Sogleich knüpfte Satan mit Adam die alte Bekanntschaft an. Vater der Menschen, sprach er zu ihm, wir sind nicht gemacht, aufeinander immer zu grollen. Lass uns Freunde sein, ich bin ja dein älterer Bruder, und um einen Kopf größer als du. Adam nahm das Anerbieten an, und nannte sogar eines seiner Kinder nach ihm Abdahareß, doch starb es zwei Jahre nach seiner Geburt. Seine übrigen Kinder vermählte er untereinander. Abel und Cain, Zwillinge, liebten beide eine ihrer Schwestern, die doch nur Einem von ihnen werden konnte. Sie kamen überein, beide dem Herrn ein Brandopfer zu bringen, und wessen Opfer von himmlischem Feuer entzündet würde, dem werde die Schwester. Abel, als Hirte, legte ein Lamm, Cain, als Ackersmann, legte Garben auf dem Altar. Eine Flamme vom Himmel entzündete das Opfer des Ersten, das angenehmere dem Herrn. Neid und Eifersucht erstickten die Gefühle der Bruderliebe im Herzen Cains. Die Erde ward mit dem ersten Menschenblute durch Brudermord gerötet.

Adam wusste, dass seine bestimmte Lebenszeit 1000 Jahre sei. Als nun der Todesengel erschien, seine Seele zu fordern, entrüstete sich Adam, weil noch vierzig Jahre von tausend fehlten. Hast du denn vergessen, sagte der Todesengel, dass du mit vierzig Jahren deines Lebens dem König David ein Geschenk gemacht. Ach! entgegnete Adam, damals war ich im Paradiese und wusste nicht, wie teuer das Leben auf Erden sei, meine Schenkung hat keine Kraft. Der Todesengel ließ sich abspeisen mit der Antwort, aus Ehrfurcht vor dem Vater der Menschen, aber nach vierzig Jahren kehrte er wieder, und Adam übergab seinen Geist ohne Widerrede in dessen Hände.

Sobald der Mensch
Sich selbst in düstrer Grabesdämmerung
Erblickt und um sich her die Toten schaut,
Begrüßt er sie als Freunde und Bekannte,
Und jammert laut: –
Noch klaget er, und schon erscheinen die
Zwei Engel des Gerichts und fragen ihn;
Sag an: Wer ist dein Gott? Wer dein Prophet?
Wer dann an schönen Werken reich sich fühlt,
Der singt frohlockend wie die Nachtigall;
Wer aber voll von Sünden ist, –
Dem öffnen weit der Hölle Pforten sich u.s.w.

Von den letzten Dingen. Deutscher Merkur.
Julius 1796.

 

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