32. Die Hölle
Die Hölle besteht aus sieben Stockwerken oder [Rand: Feraid.
S. 237.] Schachten, je einer über dem andern, und in jedem
tieferen ein heftigeres Feuer. Die erste Hölle Gehenne oder
Vorhölle, ist bloß bestimmt für die zeitlichen Strafen der
Rechtgläubigen, die, wenn sie die Zeit ihrer Strafe
ausgestanden haben, ins Paradies eingehen. Die zweite Lasa,
d.i. Flammenpfuhl, ist der Wohnort der Christen, die dritte
Hatma, d.i. Feuerwut, der Aufenthalt der Juden. In der vierten
Sair, d.i. Lohebrand, werden die Sabäer, in der fünften Sakar,
d.i. Sonnenglut, die Magier; in der sechsten Dschahim, d.i.
Brunstwirbel, die Götzendiener, und in der siebenten Hawir,
d.i. dem Abgrund (barathrum) die Gottesleugner gepeinigt.
In der ersten Hölle werden die Rechtgläubigen nach dem Maas
ihrer begangenen Missetaten mehr oder weniger mit der
Feuerstrafe belegt. Einige stehen bloß mit den Füßen, andere
bis an die Lenden, andere bis an die Brust, andere bis an den
Hals im Feuer, je nachdem sie mehr oder weniger durch die
verschiedenen Teile des Körpers gesündigt haben. Einige wer
den tausend Jahre, Andere länger darin bleiben, Keiner über
siebentausend Jahre, nach welcher Epoche alle Rechtgläubigen
im Paradiese versammelt, und die erste Hölle ausgeleert sein
wird. Nach der folgenden Überlieferungsstelle:
Wenn die Bewohner der ersten Hölle ganz zu Kohlen verbrannt
sind, so giebt der Herr der Fürsprache des Propheten Gehör.
Sie werden gebracht haufenweise, und an den Rand der Flüsse
des Paradieses gelegt. Dann ergeht an die Bewohner des
Paradieses der Ruf: Begießt sie mit Wasser; und sobald sie
begossen worden, wächst ihnen neues Fleisch, wie das Korn im
Wasser aufwächst.
Hierauf gehen sie ins Paradies ein. Diese Gunst wird aber
nur den Rechtgläubigen, denn die Verdammten der sechs untern
Höllen erhalten zwar auch frisches Fleisch, sobald das alte zu
Kohlen verbrannt ist, aber bloß, damit ihre Pein von neuem
beginne, und so fort in alle Ewigkeit.
Den Ersten wird auf die Hand geschrieben: Ihr seid die
Freigelassenen Gottes. Die Letzten aber sind auf ewig mit
einer siebzig Ellen langen glühenden Kette an ihren Platz
gefesselt.
Sobald sie in die Hölle gestürzt sind, schwellen ihre
Körper an zu ungeheurer Ausdehnung, so nämlich, dass jeder
Zahn zu einem Berge wird, die Haut die Dicke von drei
Tagereisen erhält, und die Schulterbreite drei Jahre Weges für
einen schnell reitenden Kurier. Ihre Kleider sind flammendes
Pech; die Folterengel zerren sie bei Bart und Haar, bei Hand
und Fuß, und fragen sie: Habt ihr den Propheten nicht gekannt,
der Euch die Zeichen des Herrn und diese Pein verkündet hat?
Ja wohl, antworten die Verdammten.
Aber das ja wohl nutzt ihnen nichts, denn festgesetzt ist
die ewige Pein für die Ungläubigen.
Den Vers des Korans: am Tage, wo jede Seele zanken wird,
hat Ibn Abbas folgendermaßen ausgelegt:
Die Verdammten werden nicht nur unter sich, sondern Geist
und Körper eines Jeden werden mit einander zanken. Der Geist
wird sagen: Herr, du hast den Körper erschaffen, und ich habe
an dem, was er Böses gethan haben mag, keine Schuld. Ich habe
nicht die Hand aufgehoben und den Fuß gesetzt, ich habe nichts
gehört und nichts gesehen. Strafe also den Leib, wie ers
verdient, und rette mich. Herr! wird der Leib sagen, ich für
mich habe nichts getan, und ohne den Geist hast du mich
erschaffen wie ein Stück Holz; ich habe die Hand nicht
aufgehoben und den Fuß nicht gesetzt; ich habe nicht gesehen
und nicht gehört. Strafe also den Geist, und rette mich. Um
diesen Streit beizulegen, wird Gott der Herr dem Geist und dem
Körper die Fabel erzählen vom Lahmen und Blinden, die allein
nichts vermocht hätten, die aber mit vereinten Kräften einen
Diebstahl begingen, weil der Blinde den Lahmen trug, und
dieser jenen leitete. Dem zufolge wird über beide der
Ausspruch der ewigen Verdammnis ergehen, nach dem im Koran
enthaltenen schrecklichen Ausspruch: Gehet ein durch die
Pforten der Hölle, um ewig darin zu wohnen. Welch ein
Aufenthalt, die Hölle, für die Stolzen der Erde!
[Rand: Feraid. S. 243.] Über den Ort, wo sich die Hölle
befindet, sind die Meinungen geteilt, indem Einige dieselbe
unter die sieben Meere, Andere unter die sieben Erden
verlegen. Das Höllenfeuer ist siebzigmal stärker, als das
gewöhnliche Erdenfeuer, und ohne Licht schwarz wie Ruß. Der
großen Folterengel sind an der Zahl neunzehn; der erste
derselben, der zugleich Hüter der Pforten der Hölle ist, heißt
Malek. Diese neunzehn Höllenfürsten regieren unter Satans
Vorsitz die Hölle, und die Legionen der Teufel gehorchen
ihnen. Sie belegen die Verdammten mit Kleidern aus brennendem
Pech, und mit glühenden Ketten; sie gießen ihnen siedendes
Wasser in den Mund, und rösten Herz und Leber auf feurigen
Rosten. So oft die Haut abgezogen ist, erneuet sie sich zu
frischer Pein.
Die Nahrung der Verdammten sind die Früchte des
Höllenbaums, Sakum genannt, der nichts als Teufelsköpfe trägt;
ihr Getränk heißt Goslin, und ist nichts als der Kloakenunrath
der Bewohner des Paradieses, und das Wundeneiter der
Blutzeugen. Eines aus den zahlreichen Tälern der Hölle heißt
Wadiol-ikil, das Wehethal. Wenn die Verdammten dort
hinuntergeworfen werden, so fallen sie vierzig Jahre, ehe sie
auf den Grund kommen. Sie werden in eiserne glühende Särge
eingepackt und hinabgeschleudert in den stammenden Abgrund.
Ein anderes Höllenthal heißt Sencherir oder das Eisthal,
wohin die Verdammten von Zeit zu Zeit zur Abwechselung der
Pein übertragen werden. Aber die Kälte ist eben so brennend
als das Feuer, sie frieren zu Eis, und da wird sein Heulen und
Zähnklappern. Wieder gibt es Berge in der Hölle, wo oben und
unten Folterengel stehen, um die Verdammten mit glühenden
Ketten, die ihnen an Hand und Fuß befestiget sind, hinauf und
herab zu reißen. Umsonst sagen sie, wie's im Koran heißt: O
Malek! bitte für uns den Herrn, dass er uns nur einen einzigen
Tag unsere Pein erleichtere; denn das Flehen der Ungläubigen
ist umsonst.
Aaraf oder der Unterscheidungsplatz.
Die vornehmsten Ausleger sind über die nähere Bestimmung
dieses Platzes uneins. Einige meinen, die Höllenmauer, oder
die Scheidewand zwischen Hölle und Himmel werde so genannt;
andere sagen, Aaraf sei der Name eines besonderen Berges;
die[321] Meisten machen Aaraf zum Aufenthalt einer Zahl von
Heiligen, deren Geschäft es sein wird, am Tage des Gerichts
die Auserwählten und die Verworfenen zu bezeichnen, und von
einander zu unterscheiden12.
Fußnoten
12 Man sieht hieraus, dass der Begriff von Fegefeuer oder
Vorhölle, mit dem man dieses Wort zu übersetzen pflegt, wenn
nicht völlig irrig, doch nicht allgemein richtig ist.