9. Abdorrahman Hatebi
Abdorrahman Hatebi meldet von der Tochter Abu Selma's, des
berühmten Geschichtenerzählers, folgendes Abenteuer:
Ich befand mich eines Tages auf meinem Spaziergange vor
einem herrlichen Palast. Ich befahl meinem Sklaven den Teppich
auszubreiten aus der steinernen Estrade vor dem Thore des
Palastes, um, sagte ich, das, was ich den Tag über geschrieben
hatte, mit mir überlesen zu können. Durch den Thorweg hinein
in den Hof sah ich fünfzig Sklavinnen in grüner Seide
gekleidet mit goldenen Gürteln, je eine schöner als die
andere, und in ihrer Mitte eine Dame, deren Schönheit die
ihrer Sklavinnen bey weitem übertraf.
Sie vertrieb sich die Zeit mit Schießen nach dem Ziele. Der
Bogen war Gold, die Pfeile mit kostbaren Steinen besetzt. Sie
hatte mich kaum erblickt, so rief sie ihren Sklavinnen zu: Wer
ist der Fremde? Schließet das Thor zu, ziehet den Vorhang vor.
Ich war halb verzweifelt, ich brannte vor Ungeduld zu
erfahren, wem der Palast gehöre. Ich gab einem meiner Sklaven
den Auftrag, sich nach dem Namen des Besitzers zu erkundigen,
und ich vernahm, die Besitzerin desselben sei Dünje, die
Tochter Abu Selma's, des berühmten Geschichtenerzählers; sie
habe hunderttausend Dukaten Mitgift von ihrer Mutter geerbt,
und von vielen Emiren und Wesiren zur Frau begehrt, habe sie
bisher ihre Hand standhaft ausgeschlagen; sie ziehe dem
Ehestande das freie Leben als Mädchen weit vor, und vertreibe
ihre Zeit im Kreise ihrer Sklavinnen und Gespielinnen mit
Jagen, und Fischen, Spaziergängen und Scheibenschießen. Nach
dieser eingeholten Nachricht blieb ich sitzen wo ich war, bis
Abu Selma selbst nach Hause kam. – Ich befinde mich hier,
redete ich ihn an, um deine Tochter zur Frau zu begehren; du
kennst meine Geburt und meinen Stand. – Ich weiß, antwortete
er, dass du, wie ich, in gerader Linie vom Blute des Propheten
herstammest, denn sonst würde ich mir ein Gewissen daraus
machen, deinen Antrag nur anzuhören. So habe ich zwar nichts
dawider, aber die Schwierigkeit kömmt von meiner Tochter
selbst, die sich nicht verehelichen will. Indessen, um dich zu
befriedigen, will ich ihr den Vorschlag machen. Er lüftete den
Vorhang, und ging in den Hof hinein. Meine Tochter! (hörte ich
ihn sprechen) ich traf vor der Türe einen jungen
wohlgebildeten Menschen an von guter Familie. – Was will er,
mein Vater? – Will er eine Sklavin kaufen? Gefällt ihm
vielleicht eine der meinigen? Befindet er sich in Geldmangel?
– Nichts von alle dem, meine Tochter, er begehret dich zur
Gemahlin. Er ist närrisch, und du auch, mein Vater. Denn wie
oft habe ich dir nicht gesagt, dass ich von solchen
Vorschlägen nichts hören will. Abu Selma kam beschämt und
zornig zu mir zurück. Du hast nun mit deinen Ohren gehört,
sprach er, was für ein Wildfang das ist. – Thut nichts zur
Sache, antwortete ich, gib sie mir immer zur Frau, ich werde
ihrer schon noch Meister werden. – Der Scheich, dessen Geduld,
durch die Weigerung seiner Tochter, schon längst erschöpft
war, gab meinem Vorschlag Gehör, und versprach noch denselben
Abend meinen Heiratskontrakt zu unterschreiben, mit einer
Ausstaffierung von zwanzigtausend Dukaten, außer der Mitgift.
Wir sprachen noch zusammen, als eine Sklavin herauskam und
zum Scheich sagte: Gruß zuvor von meiner Frau. Sie hat sich
endlich entschlossen in den Stand der Ehe zu treten; aber erst
in einem Monate, von heute angefangen. Dann komme der
Bräutigam; aber mit dem Muthe Antar's, mit der Herzhaftigkeit
Modikorb's, mit Ali's Tapferkeit bewaffnet. Diese Botschaft
hätte leicht einen anderen als mich zurückgeschreckt, mich
entflammte sie nur mit neuer Begier. Dreißig Tage nach dieser
Unterredung ging ich in's Bad, ließ mich scheren und mir die
Nägel abschneiden, wie sich's geziemt für einen Bräutigam,
setzte mich zu Pferde, und begann den Zug gegen den Palast
hin.
Zehn schwarze Verschnittene, und eben so viel weise, in
Goldstoff gekleidet, kamen mir entgegen. Sie hielten
goldgestickte Tücher in den Händen, womit sie die Stirne
meines Pferdes abwischten, und dann den Huf desselben küssten.
Mein Gefolge blieb an dem ersten Thore zurück, und ich setzte
meinen Weg in's Innere des Palastes fort. Zu beiden Seiten
standen zweihundert Sklavinnen in reiche Stoffe gekleidet, mir
silbernen und goldenen Gürteln. Die mit silbernen Gürteln
hielten silberne Rauchfässer in der Hand, denen Moschus und
Ambraduft entquoll; die goldumgürteten sandten mir aus
goldenen Rauchfässern Wolken von Aloedampf entgegen. Ich ging
durch ihre Mitte in einen großen Saal, worinnen eilf Sofa von
den reichsten Stoffen aufgepolstert waren. Kaum hatte ich mich
niedergelassen, so vernahm ich Pantoffelgeschlürfe. Eine Frau,
schimmernd von Edelsteinen, mit einem brillantirten Dolch in
der Hand, nahte sich mir, von zwei schönen, reichgekleideten
Zofen begleitet. Ich dachte, es sei die Braut, und stand vom
Sofa auf. – Meine Frau wird gleich kommen; erlaube mir
unterdessen, mich niederzusetzen, und mit diesen Worten nahm
sie ihren Platz auf einem der eilf Sofa's ein. Acht andere
Frauen, von Edelsteinen schimmernd, jede einen brillantirten
Dolch in der Hand, kamen, und setzten sich, wie die erste, auf
die andern Sofa's. Endlich hörte ich Freudengeschrei und
Segensausruf, wie wenn der Fürst der Rechtgläubigen im Pompe
durch die Straßen von Bagdad einherzieht. Es war die Braut,
wie der Chalife in einen kaiserlichen schwarzen,
goldgestickten Mantel gekleidet, mit einem brillantirten Degen
umgürtet. Zweihundert Sklavinnen, alle schwarz ausgestattet,
folgten ihr auf dem Fuße nach. Wir standen alle auf und
bewillkommten sie, wie man den Chalifen bewillkommet, mit dem
Gruße: »Heil Dir, Fürstin der Rechtgläubigen, Gottes
Barmherzigkeit und Gottes Segen über Dich.«
Sie nahm ihren Platz auf dem eilften Sofa ein, und winkte
uns niederzusetzen. Ich ließ zwei große Vasen, mir Silber und
Gold gefüllt, die auf meinem Zuge vor mir hergetragen worden
waren, herbeibringen. Sie teilte das Gold unter ihre
vertrauten Zofen, und das Silber unter ihre Sklavinnen aus.
Diese brachten große Gießkannen von Gold und Silber herbei;
wir wuschen die Hände, und trockneten dieselben in
musselinenen, gestickten, durchdufteten Tüchern. Hierauf ward
der Tisch1
gebracht, der so wie die Schüsseln, aus einer einzigen
Krystallplatte bestand.
Die Speisen hatten alle mögliche Farben und Wohlgerüche.
Orangen und Granatenblüte, Ambra und Sandal, Safran und
Moschus. Die Tafel ward abgehoben, und der Sorbet
herumgereicht. Nun gingen zur rechten und linken Seite des
Saales zwei Türen auf, und man erblickte schwarze Vorhänge[18]
in Gold und Perlen gestickt. Hinter denselben tönten zwei
Silberstimmen, die im Wechselgesange das Glück der Liebe
priesen. Ich setzte mich zu meiner Braut, deren Augen wie
Sonnen funkelten, und deren Busen durch den schwarzen Flor,
wie der Stern der Liebe durch die schwarze Nacht
hindurchschimmerte.
Ich wollte ihr einen Kuss rauben. Bey der Bewegung die ich
dazu machte, schrie sie zu ihren Vertrauten: Auf! ihr Mädchen!
und sogleich stürzten diese mit ihren brillantirten Dolchen
auf mich los.
Ich will nicht, rief sie, dass ihr ihn verwundet, aber
wohl, dass ihr ihn züchtiget. – Sie schlugen und stießen mit
den diamantenen Knöpfen der Dolche unbarmherzig auf mich zu. –
Ich verlor alle meine Besinnung, und als ich wieder zu mir
kam, fand ich mich allein im Saale, wo ich die Nacht für einen
Bräutigam sehr schlecht zubrachte. Am Morgen kamen die
Sklavinnen, um mich zu fragen, ob ich nicht ins Bad gehen
wolle, wie dies der Gebrauch ist nach der Hochzeitnacht.
Weswegen in's Bad, fragte ich, vielleicht um mir die Schläge
vom Rücken zu waschen? Nun verrichtete ich das Morgengebet,
und kleidete mich in einen sehr reichen Anzug, den ich mir
hatte vom Hause kommen lassen.
Ich ward in einen andern Saal geführt, der gelb
ausgeschlagen, sonst aber wie der gestrige eingerichtet war.
Die neun Frauen nahmen ihren Platz auf den Sofa's ein, und
endlich erschien die meinige, wie gestern im Staate des
Chalifen.
Alles gieng vor sich wie den Abend vorher. Zwar hatte ich
mir bestens vorgenommen, dem Rausche der Begierden zu
widerstehen, als aber hinter den Vorhängen die zwei
Zauberkehlen den Wechselgesang der Liebe anstimmten, da zog's
mich unwiderstehlich hin zu meiner Gebieterin. Sie rief ihre
Mädchen zu Hülfe, und diese misshandelten mich noch
unbarmherziger wie gestern. Ich musste den Wundarzt holen
lassen, und war kaum nach sieben Tagen wieder im Stande dem
Hochzeitsfeste beizuwohnen. Indes hatte mir dieser Zeitraum
dazu genützt, ein Mittel zu ersinnen, wodurch dem Spiele
ernstlich ein Ende gemacht würde. Mein Arzt hatte mir ein
Opiat von aromatischen Kräutern gegeben. Als nun der Sorbet
herumging, warf ich das Opiat geschickt in den Becher, und es
brachte bald seine Wirkung hervor.
Als die Türen aufgingen und der Gesang ertönte, fühlte ich
mich stärker als jemals vom Taumel der Liebe ergriffen. Ich
umarmte meine Geliebte, die kaum ihr schmachtendes Auge offen
halten konnte. Mit halb erstickter Stimme sprach sie die
Worte: zu Hülfe Mädchen! diese wollten herbeistürzen, konnten
sich aber kaum aufrecht halten vor Schlaf und Taumel. Ich ward
leicht mit ihnen fertig, indem ich eine nach der andern
zurück, und zur Türe hinausschob, die ich hinter ihnen
zuschloss. Ich hatte nun mit niemanden zu kämpfen, als mit
meiner Gebieterin. Der Kampf war süß und lang.
Ich brachte sie auf ihr Gemach und legte mich in dem
meinigen nieder, wo ich den Rest der Nacht hindurch köstlich
schlief. Am Morgen kamen die Sklavinnen, mich in's Bad
einzuladen. – Von Herzen gerne, antwortete ich, heute weiß ich
warum ich in's Bad gehe. – Nach dem Bade begab ich mich in's
Gemach meiner Gemahlin. Sie kam mir entgegen, küsste mir die
Augen und sprach: Mein Herr und Gebieter, ich hatte bisher
keinen Begriff, dass ein Mann meiner Meister werden könnte; da
es nun aber einmal so gekommen ist, so füge ich mich darein
als deine gehorsame Magd. Ich umarmte sie, und erneuerte oft
die Szene der Brautnacht; denn in zehn Jahren hatten wir
sieben Kinder.
Fußnote 1: Der Tisch bei den Morgenländern ist eine große runde
metallene Platte, auf welcher immer nur eine Schüssel
aufgesetzt wird.