14. Hedschadsch
[Rand: Alaim.] Hedschadsch, der Sohn Jussufs, Essokfi,
hatte eines Abends große Gesellschaft. Deßungeachtet ward ihm
die Zeit lange, und er sprach zu Chaled, dem Sohn Garfasa's:
Geh' in die Moschee, und suche uns Jemanden, der durch
Erzählungen die Zeit kürze. Es ist eben Gebetstunde, und es
kann dir nicht fehlen, deinen Mann zu finden. Chaled ging in
die Moschee, grüßte den ersten jungen Menschen, der ihm
aufstieß, und lud ihn ein, sich mit ihm in den Palast zu
begeben. Der Jüngling nahm die Einladung an, und sie traten
beide in den Gesellschaftssaal. Liest du den Koran? fragte
Hedschadsch den Fremden. – Ja, und ich weiß ihn auswendig.
Bist du mit den arabischen Dichtern bekannt? Ja – und er
rezitierte einige der schönsten Stellen; – Und bist du
bewandert in der Geschichte? – Vom Anfange bis zum Ende, war
die Antwort. – Nun da es dir, wie ich sehe, an Wohlredenheit
und Sachkenntnis nicht fehlet, so erzähle uns Etwas, indessen
bereitet man dir zum Lohn eine Sklavin, und viertausend Dirhem.
Des Himmels Segen über den Chalifen und seinen Statthalter,
antwortete der Jüngling, ich wüsste nichts Außerordentlicheres
zu erzählen, als meine eigene Geschichte. – Nun so erzähle
dieselbe denn der versammelten Gesellschaft.
Ich verlor sehr jung meinen Vater, und ward erzogen in dem
Hause meines Oheims. Er hatte ein überaus schönes Mädchen zur
Tochter, mit der ich die ersten Jahre der Jugend verlebte, und
die ich liebte, ohne es selbst zu wissen. Als sie heranwuchs,
bewarben sich viele Freyer um ihre Hand, unh mir ward alle
Hoffnung benommen, dieselbe jemals zu erhalten. Der Kummer
brachte mich aufs Krankenlager; mitten unter den Ausbrüchen
von Fieberphantasie ersann ich den folgenden Ausweg, zu meinem
Ziele zu gelangen. Ich füllte einen Sack mit Sand und Erde an,
und in einem Augenblicke, wo ich wusste, dass ich beobachtet
ward, vergrub ich denselben mit vieler Sorgfalt und
Herumspähen, als sollte ich nicht gesehen werden, unter meinem
Kopfkissen, um glauben zu machen, es sey ein heimlicher
Schatz. Dann ließ ich meinen Oheim rufen und sagte ihm: Ich
besitze einen sehr ansehnlichen Schatz, den ich in der Wüste
gefunden; ich fürchte, der Tod übereilt mich, ehe ich
denselben Jemanden entdecke, oder man bestiehlt mich. Gib mir
daher, ich bitte dich, eine Wache von zwölf Personen, und
leihe mir unterdessen tausend Dukaten, um die Kosten meiner
Krankheit zu besorgen, damit ich nicht nötig habe, meinen
Schatz ans Licht zu bringen und denselben anzuzeigen. Mein
Oheim glaubte fest, was ich ihm gesagt, und erzählte es meiner
Tante wieder. Diese, die mich für steinreich hielt, hatte nun
nicht die geringste Einwendung wider meine Verbindung mit
ihrer Tochter, und ließ mir durch ihren Gemahl den Antrag tun
– Ich habe es nie gewagt, antwortete ich, meine Augen bis zu
deiner Tochter zu erheben, um so weniger, als ihr Betragen
gegen mich meine Wünsche nicht im mindesten begünstigte. – O
das hat nichts auf sich, das Mädchen fürchtete sich nur vor
ihrer Mutter; nun wird es sich schon geben. – Sogleich
versammelte man den Stamm, und die Hochzeit ward noch
denselben Abend gefeiert.
Die folgenden Tage überhäufte mich mein Schwiegervater mit
Geschenken. Er hatte für mehr als zehntausend Dirhem Kleider
und Schmuck gekauft. Alles in der Hoffnung eines reichlichen
Ersatzes aus dem Schatze. Endlich begehrte er ihn zu sehen.
Sogleich ließ ich Träger kommen, den Sack ausgraben und zu
meinem Schwiegervater bringen, der, wie ihr euch denken könnt,
nicht wenig toll gewesen sein muss, als er Sand statt Gold
fand. Ich war unterdessen so klug, mit meinem Weibe die Flucht
zu ergreifen; und ich irre nun seitdem in Moscheen herum, ohne
dass ich weiß, wie das Ende sein wird.
Hedschadsch befahl, dem Erzähler die Sklavin und
zehntausend Dirhem abzureichen, die am nächsten Morgen
ausgezahlt werden sollen. Der junge Mensch, voll Freude, eilte
sein Weib aufzusuchen, die zu ihrer Mutter nach Hause gekehret
war. Er stürzte zur Türe hinein und rief, dass er zehntausend
Dirhem in der öffentlichen Casse gut habe. Mutter und Tochter,
als sie dies hörten, erhoben ein groß Geschrei, weil sie
glaubten, er sei von Sinnen gekommen. Der Vater dachte, es
sehe mit den zehntausend Dirhems nicht besser aus, als mit dem
Schatze, und ließ den Schwiegersohn als einen Betrüger binden.
Er mochte ihnen noch so oft seine Geschichte mit Hedschadsch
erzählen, es half nichts. Die einen glaubten, es sei ein
Fiebertraum, die andern eine Erfindung.
Hedschadsch, der den jungen Menschen nicht wiederkehren
sah, sein Geld zu holen, ließ ihn suchen.
Er erzählte, was ihm von neuem begegnet, und wie also das
Ende seiner Geschichte noch viel sonderbarer sei, als der
Anfang.
Hedschadsch überhäufte ihn mit neuen Geschenken.