95. Mamun
Mamun, der Chalife, ging eines Tages vorbei vor Zobeide,
der verwitweten Gemahlin des Chalifen Harun Raschid, seines
Vaters. Sie murmelte etwas zwischen den Zähnen. – Wie? fluchst
du mir vielleicht noch, Fürstin, fragte der Chalife, weil ich
deinen Sohn, Mohammed Al-Emim, hinrichten ließ? – Nein,
wahrhaftig nicht, Fürst der Rechtgläubigen! – Nun, was war es
denn, so du hermurmeltest? Zobeide weigerte sich lange,
endlich sprach sie: Ich wiederhole nur mein gewöhnliches
Sprichwort: Gott verdamme die Zudringlichen! – Und warum das?
forschte der Chalife weiter. Dringe nicht in mich, Fürst der
Rechtgläubigen! du möchtest hören, was dir missfiele. Aber je
mehr sich Zobeide zu sprechen sträubte, desto zudringlicher
ward der Chalife.
Ich spielte, fing Zobeide endlich an, eines Tages Schach
mit deinem Vater, dem Chalifen; wir zankten uns, wer es besser
spiele. Er schlug mir vor, dass, wer die erste Partie verlöre,
sich zu Allem, was ihm der Sieger auflegen würde, bequemen
sollte. Ich ging es ein. Der Chalife, dein Vater, gewann. Er
befahl mir, mich nackt auszuziehen, und dreimal die Runde des
innern Burghofes zu machen. Ich musste mirs gefallen lassen,
so hart die Buße auch war. Wir erneuerten dieselbe Verabredung
für die zweite Partie. Dein Vater verlor. Ich befahl ihm, der
hässlichsten Küchenmagd für eine Nacht meinen Platz im Bette
einzuräumen. Er sträubte sich aus allen Kräften. Er bot mir
den Tribut von Syrien und Ägypten an, um sich von der Strafe
loszukaufen. Es half nichts, ich blieb taub gegen alle seine
Vorstellungen, und je mehr er sich wehrte, desto zudringlicher
ward ich. Er musste mir in die Küche folgen, und ich selbst
wählte die letzte und verworfenste der Sklavinnen aus, ihm sie
ins Bette zu führen. Bald hernach ward sie Mutter, und du,
Fürst der Rechtgläubigen, bist die Frucht dieser Umarmungen.
Wäre ich minder zudringlich gewesen, so hätte dein Vater nicht
Schach gespielt, so wärest du nicht zur Welt gekommen, so
hättest du[200] deinen Bruder und rechtmäßigen Thronerben
nicht aus dem Wege geräumt. Von der Zudringlichkeit alles
Unglück. Gott verdamme die Zudringlichen! – Gott verdamme die
Zudringlichen, rief der Chalife, und begab sich fluchend und
mit Schande bedeckt von hinnen.