Fünfundzwanzigstes KapitelMeerfahrt und Schluß
Gjül-Bassar war uns eine nie
versiegende Quelle der Heiterkeit, besonders wenn er sich mit
meinem schlauen Giorgi unterhielt, der aus den
Schwächen der Menschen Vortheil zu ziehen wußte wie Wenige –
oder mit H. v. N., einem in der Verbannung lebenden
Polen, der dem Rosenköpfigen immer von den schönen Frauen in
Warschau erzählen mußte und von ihrer Vorliebe zu den weißen
Köpfen der Moslem.
Hin und wieder ging Giorgi etwas zu weit in seinen
Scherzen; dann griff Gjül-Bassar zornig nach dem
Kinshal, aber der gewandte Armenier wußte immer gleich wieder
einzulenken und den Tataren durch Schmeichelphrasen aller Art
zu beruhigen: »Wie könnte ich es wagen, Dich
beleidigen zu wollen? Ich der Knecht, Dich den Herrn! Was ist
ein Staubkorn gegen die Wüste? Was bin ich gegen Dich?«
H. v. N. hatte nach zwölfjähriger Verbannung im
Kaukasus vor Kurzem einen Posten in der Krim erhalten, und
wartete gleich uns auf die Ankunft eines Schiffes, das ihn
erlösen sollte aus der langen Haft.
Gjül-Bassar theilte seine Zeit ein in Rauchen und
Schlafen.
Den größten Theil des Tages hindurch schlief er; sobald er
aber die Augen öffnete, that er auch den Mund auf, um seinen
kleinen Diener zu rufen, der dann sofort mit einer Pfeife
herbeigestürzt kam, dieselbe seinem Herrn zu überreichen.
Endlich kam das so lange erwartete Schiff. H. v. N.
hatte es zuerst erspäht und war gleich nach Hause geeilt, um
für das Einpacken seiner Sachen Sorge zu tragen.
Auf einem längern Spaziergange außerhalb der Festung und im
ernsten Gespräch mit dem polnischen Kapitain begriffen, hatte
ich gänzlich die drei Schüsse überhört, welche mein sonst
etwas pulverscheuer Giorgi, angeregt durch die freudige
Botschaft, abzufeuern den Muth gehabt hatte. Wir waren weiter
als gewöhnlich die Meeresküste entlang geschlendert.
»Ich glaube, wir müssen umkehren,« sagte der Pole; »es geht
schon stark auf den Abend zu, eine Menge vom Bazar
heimkehrender Dshighethen haben uns gesehen, und wenn wir
nicht vor Anbruch der Dunkelheit wieder in der Festung sind,
so könnte es uns leicht begegnen, heute noch gewaltsam von den
überall lauernden Räubern zu Gaste gebeten zu werden.«
»Was ist das?« fragte ich statt aller Antwort, als ich, den
Blick auf's Meer gerichtet, in der Ferne eine gewaltige
Rauchsäule weiß aufwirbeln sah.
Der Pole ließ seine Augen nach der bezeichneten Stelle
hinschweifen. »Das scheint unser Dampfschiff zu sein, ja gewiß,
so ist es,« rief er; »da haben wir keinen Augenblick zu
verlieren.« Wie beflügelt eilten wir der Festung zu und wurden
bald durch Giorgi, welcher uns auf halbem Wege entgegen
kam, in unserer Vermuthung bestätigt. Halb athemlos kam ich im
Zimmer an. Zu meiner Verwunderung sah ich unsern tapfern
Gjül-Bassar noch auf seinem Teppiche liegen und
schnarchen, als ob er einen neuen Orden dafür zu erwarten
hätte.
»Ich habe mir alle erdenkliche Mühe gegeben, ihn auf die
Beine zu bringen,« sagte H. v. N., »aber Nichts will
fruchten bei diesem kahlköpfigen Siebenschläfer. Ihr Spitzbube
von Giorgi hat ihn schon so oft mit der falschen
Nachricht von der Ankunft des Dampfschiffes getäuscht, daß er
auch heute die wahre Nachricht für eine Erdichtung hält und
beim Barte des Propheten schwört, sich in seiner Ruhe nicht
stören zu lassen. Vergebens versicherte ich ihm, ich habe das
Schiff mit eigenen Augen gesehen; er schwur, man solle ihn
nicht wieder anführen, und wälzte sich schlaftrunken auf die
andere Seite. Ich versuchte ihn mit Gewalt aufzurütteln, aber
da griff er drohend nach seinem Dolche. Was ist mit dem Kerl
zu machen? Ich werde ihn nicht wieder anrühren; wenn er nicht
mitfahren will, kann er hierbleiben und bis zur Rückkehr des
Schiffes Fortifikationskunst studiren.«
Inzwischen kam des schläfrigen Tatarenhauptmanns kleiner
Schwertträger zurück, welchen H. v. N. abgeschickt
hatte, sich selbst und seinen Herrn zu überzeugen, daß das
Dampfschiff kein Hirngespinnst, sondern eine große, sichtbare
Arche mit Schornstein und Rädern sei.
Kaum war der Bursche in's Zimmer getreten, so erschien auch
ein halb Dutzend Soldaten, um unsere Sachen abzuholen. Es war
die höchste Zeit, aufzubrechen.
Aus Mitleid für Gjül-Bassar, dessen Gesellschaft auf
unserer neuen Meerfahrt ich nicht gern entbehren wollte,
wandte ich das letzte Mittel an, ihn aus dem Schlafe
aufzuscheuchen, indem ich dicht über seinem Kopfe eine Pistole
abfeuerte. Er sprang auf, rieb sich schlaftrunken die Augen
und sah entsetzlich dumm und grimmig aus, wie die meisten
Menschen aussehen bei plötzlichem Erwachen, ehe sie die
trunkene Dämmerung, welche jedem langen Schlafe folgt, ganz
durchbrochen haben. Er schien sich sehr zu wundern, das Zimmer
mit Pulverdampf und Soldaten angefüllt zu sehen. Die
aufgesperrte Thüre, durch welche unsere Bagage hinaus und
frische Luft herein kam, brachte ihn bald zur Besinnung.
Eine halbe Stunde später befanden wir uns sämmtlich mit
Sack und Pack auf dem Schiffe.
Für Gjül-Bassar, welcher nie im Leben ein
Dampfschiff gesehen hatte, ging eine neue Welt auf; er war
jetzt eben so trunken im Wachen, wie er früher im Schlafen
gewesen. Er sah jetzt, daß es keine Fabel war, wenn wir ihm
einst erzählten, daß das erwartete Schiff, wie zu ebener Erde,
auf Rädern über's Wasser laufe; er sah überhaupt jetzt so
Manches, wovon ihm nie geträumt hatte, obgleich er über drei
Viertheile seines Lebens unter Träumen und Schlafen
zugebracht. Ich wich ihm aus so gut ich konnte, da er mich
überall verfolgte und mich nach seiner alten Gewohnheit
unablässig durch freudige Rippenstöße auf Alles, was ihn
Wunder nahm, aufmerksam zu machen suchte.
Die Sonne ging unter in so unbeschreiblicher Pracht, wie
sie sich nur dem Schiffer auf dem Meere und dem Wanderer in
der Wüste zeigt, als wollte sie beide für die Mühen und
Irrsale, die ihre ungebahnten Pfade bergen, belohnen. Der
Anker war gelichtet; der Abschiedsgruß, der nach gemeinem
Brauche vom Schiffe gefeuert wurde, hallte donnernd wieder in
den Bergen von Ardiller; die muntern Delphine, welche bis
dahin in tollen Sprüngen das Schiff umspielt hatten, tauchten
verscheucht zurück in die Tiefe; durch den Knall waren auch
die vielen Vögel, welche sich auf Mast und Takelwerk
niedergelassen hatten, vertrieben; nur einige jener
wunderbaren Insekten umkreis'ten uns, die jede Minute erzeugt
und jede Minute tödtet, die unsichtbar leben und leuchtend
sterben.
In froher Stimmung über den Wechsel der Dinge und neu
gekräftigt von dem frisch wehenden Abendwinde, steuerten wir
heitern Muthes der Küste von Kolchis zu. Wir mußten nun auf
dem prächtigen Kriegsschiffe Magutschy (der Mächtige)
den ganzen Weg wieder zurückfahren, welchen wir vor wenigen
Wochen auf unserem bescheidenen Barkaß unter Sturm und
Drangsal hergekommen waren. So leid es uns that, auf diese
Weise nochmals ein gutes Theil Zeit zu verlieren, so angenehm
war es uns auf der andern Seite, Gelegenheit zu haben, unsere
Gastfreunde an der Küste noch einmal zu sehen.
Da der kommandirende General, Baron von Budberg, mit
seinem Stabe selbst an Bord war und keine Festung unbesichtigt
ließ, so liefen wir erst am dritten Tage wieder in den Hafen
von Redut-Kalé ein.
Von herrlichem Wetter begünstigt hatten wir uns in den
ersten zwei Tagen nochmals all der bezaubernden Ansichten und
großartigen Naturschauspiele zu erfreuen, welche die Küste von
Abchasien in reicher Fülle bietet.
Am dritten Tage aber erhob sich gleich nach Mitternacht ein
bedenklicher Sturm, welcher gegen Morgen immer stärker wurde
und drohte unsern »Mächtigen« ganz ohnmächtig zu machen. Zum
Glück habe ich einen sehr gesegneten Schlaf, und werde nur
selten und unbedeutend von der Seekrankheit heimgesucht. Bis
4 Uhr Morgens hielt ich es aus auf meinem Lager, obgleich ich
fortwährend hin- und herrollte, wie ein Kind in der Wiege.
Da wurde es mir aber doch endlich in der Kajüte zu schwül
und im Kopfe zu schwer; ich stand auf und versuchte in die
Kleider zu fahren, bei welchem Versuche ich jedoch, trotz
allem Widerstreben, dreimal wie ein gläubiger Türk zu Boden
sinken mußte. Bei dem immer mehr überhand nehmenden Schaukeln
und Stoßen hatte ich unendliche Mühe, die Treppe
hinaufzuklettern, um auf dem Verdecke frische Luft zu
schöpfen. Oben angelangt, kam mir die ganze Welt wie betrunken
vor. Himmel, Erde, Meer und Menschen, Alles schien von
allgemeinem Taumel ergriffen.
Ein ernster Oberst, welcher sonst immer gemessenen
gravitätischen Schrittes einherging, schlotterte an mir
vorüber, als ob er zwei Drittheile seiner Knochen verloren
hätte.
Jeder schien seinen eigenthümlichen Gang zum Besten des
allgemeinen Schwankens geopfert zu haben. Der ganze
Körperinhalt sammt seiner Kraft und Schwere schien den Leuten
in den übersprudelnden Kopf gefahren zu sein. Ein allgemeiner
Thatendrang von Oben entwickelte sich; jeder Mund verhieß
Großes. Meine Augen suchten den unglücklichen Gjül-Bassar,
dem solch ein Schauspiel etwas ganz Neues sein mußte.
Endlich entdeckte ich ihn; er stand am Rande des Schiffes
mit zitternden, stark eingeknickten Knieen, mit beiden Händen
sich gewaltsam festklammernd, den Kopf über Bord gebeugt, mit
den Augen nach Oben, mit dem Munde nach Unten starrend – so
stand mein gläubiger Freund da, seine Seele den Göttern der
Höhe und seinen Magen den Göttern der Tiefe empfehlend.
Endlich, gegen zehn Uhr Morgens, ließ der Sturm nach,
wodurch der Wirrwarr und das Schaukeln jedoch keinesweges
vermindert wurden; die in der Nacht aufgescheuchten
Riesenwellen wollten sich immer noch nicht zur Ruhe begeben
und die mächtige Wallung des Meeres dauerte unausgesetzt fort,
so daß der Kapitain eine Landung für unmöglich erklärte. Der
Hafen von Redut-Kalé ist, wie schon früher bemerkt, der
schlechteste, unsicherste und unbequemste, den ich je gesehen.
Große Schiffe müssen mehrere Werste von der Stadt liegen
bleiben und für kleinere Fahrzeuge ist bei etwas unruhigem
Wetter die Passage sehr gefährlich, besonders an der Stelle,
wo man die heftige Strömung der Chopi zu passiren hat.
Wir waren daher nicht wenig erstaunt, ein paar griechische
Fahrzeuge, trotz des empörten Meeres, unter unglaublicher
Anstrengung auf uns zurudern zu sehen.
Ueber eine halbe Stunde hatten sie gegen den Andrang der
Wellen zu kämpfen, ehe es ihnen gelang, die Strömung der
Chopi zu durchbrechen. Die schwankenden Fahrzeuge wurden
von den ungestümen Wellen wie Nußschalen hin- und
hergeschleudert, aber die kühnen Griechen ließen sich dadurch
nicht abschrecken, sondern arbeiteten unermüdlich vorwärts und
kamen auch endlich glücklich durch.
Die griechischen Schiffer sind die thätigsten und
unternehmendsten aller Seefahrer, vorausgesetzt, daß ihnen
ihre Mühe mit Gold aufgewogen wird. Auch diesesmal hatten
sich, wie ich später erfuhr, die Führer der Fahrzeuge nur
durch eine bedeutende Summe bewegen lassen, die mühsame
Ueberfahrt zu wagen. Die Passagiere, welche sie uns zuführten,
bestanden aus den Familien des Generals von R., des
Staatsraths S. und des Barons von T., größtentheils alte
Bekannte aus Tiflis, wovon Einige nach der Krim, Andere nach
Deutschland zu reisen beabsichtigten. Wir freuten uns sehr
über die unverhoffte Ankunft der neuen Gäste, deren feine
Bildung und gesellschaftliche Annehmlichkeiten wir schon
früher kennen zu lernen Gelegenheit gehabt hatten.
Bevor wir nun unsere Rückreise von Redut-Kalé antreten,
halte ich es für nöthig, euch mit unserer Schiffsgesellschaft,
welche aus den verschiedenartigsten Elementen
zusammengewürfelt ist, etwas genauer bekannt zu machen.
Wir sehen hier Russen, Deutsche, Engländer, Polen, Juden,
Armenier, Türken, Griechen, Abchasen, Mingrelier, Imerier und
Tscherkessen, worunter einige Gefangene und andere aus
Hungersnoth zu den Russen Geflüchtete.
Die Russen machen natürlich den größten Theil aus, da die
eigentliche Mannschaft, mit Ausnahme weniger Officiere, aus
Russen besteht. Ein Officier vom Generalstabe ist ein
Deutscher, und der Kapitain des Schiffes, Mr. Martin, ist ein
Engländer. Die Zahl der ganzen Schiffsgesellschaft, welche bei
den verschiedenen Festungen, wo wir täglich anlegen, bald ab-,
bald zunimmt, beläuft sich im Durchschnitt aus 1500 Köpfe.
Bald sind es Soldaten, bald Officiere mit ihren Familien,
bald Kranke oder Verwundete, bald Marketender und
Handelsleute, welche aus einer Festung in die andere geführt
werden, so daß ein großer Theil der Passagiere täglich
wechselt, wodurch wir an Ruhe verlieren, was wir an
Mannigfaltigkeit gewinnen.
Da außer den Officieren, wegen Mangel an Raum, nur wenige
Passagiere in den Kajüten ein Unterkommen gefunden haben, so
sind die meisten gezwungen, unter freiem Himmel zu kampiren,
wodurch das Verdeck in eine wahre Musterkarte von Völkern
umgewandelt ist, wo man vom pyramidenförmigen Hute des
hochmüthigen Persers herab bis zur platten Mütze des
genügsamen Imeriers die seltsamsten und malerischsten
Trachten bunt unter einander sieht, und zugleich Gelegenheit
hat, die Sitten und Gebräuche der verschiedenen Völker vom
Morgen bis zum Abend zu studiren.
Unternehmen wir, um die Leute etwas genauer kennen zu
lernen, einen kleinen Spaziergang über das Verdeck. Hier
gleich zur Linken, hart am Borde des Schiffes, bemerken wir
ein Kleeblatt wohlbeleibter, dickbeturbanter Türken. Sie
sitzen da, in ihre hellfarbigen Mäntel gehüllt, ernst,
schweigsam, mit untergeschlagenen Beinen, unaufmerksam auf
Alles, was um sie her vorgeht; sie sprechen nicht, sie sehen
nicht, sie denken nicht, sie hören nicht; zum einzigen ihrer
würdigen Zeitvertreib rauchen sie langsam und feierlich ihren
Tschibuq mit so hochwichtiger Miene, als ob von jedem Puff,
den sie ausblasen, das Schicksal eines Reiches abhinge. Ich
habe nie die Reisenden begreifen können, welche in diesem
gleichgültigen, Alles verachtenden Stolze der Türken etwas
Großes, Beachtungswerthes finden. Beachtungswerth ist dieser
Stolz allerdings, aber nicht in dem Sinne, wie man es
gewöhnlich nimmt. Worauf hat denn wohl ein Türke Ursache stolz
zu sein? Etwa auf seine Trägheit, Unwissenheit, auf seine
unnatürlichen Gelüste? Seit Sultan Mahmud's Reformen
hat man in Konstantinopel ein lebendiges Beispiel vor Augen,
wie wenig uns an dem entnervten, kraft- und marklosen Volke zu
bewundern übrig bleibt, wenn man ihm seine Waffen, seine
bunten Gewänder und seinen Turban nimmt.
Etwas weiter finden wir ein kleines Häuflein Griechen
gelagert. Sie tragen hohe rothe Mützen, elegant geschnittene,
mit Stickerei verzierte blaue Jacken und weite kurze Schalvari
von gleicher Farbe. Man sieht's ihren lebhaften, aber
unzuverlässigen Augen, ihren verschmitzten, berechnenden
Gesichtern gleich an, daß es Handelsleute sind. Dicht neben
den Griechen kauern einige Armenier, mit den Fingern, ohne
Beihülfe von Messern und Gabeln, ihr Mittagsmahl dem Munde
zuführend. Sie haben ihr blaues Obergewand mit den
aufgeschlitzten fliegenden Aermeln, um sich's bequem zu
machen, bei Seite gelegt und sitzen da mit ihren hohen, stumpf
zulaufenden Mützen aus schwarzem Schaffell, in engem, mit dem
Gürtel umwundenen
Archeluck und weiten, hellfarbigen Beinkleidern. Auch
ihnen sieht man's auf der Stelle an, daß sie Kaufleute sind,
und man weiß nicht, ob man bei Beobachtung ihres Gesichts
ihnen oder den Griechen den Preis der Schlauheit zuerkennen
soll. Man hat in Rußland, um die Schlauheit und Kniffe der
handeltreibenden Völker des Orients in ihren verschiedenen
Graden zu bezeichnen, ein Sprüchwort, welches also lautet:
»Zwei Juden gegen Einen Russen – zwei Russen gegen Einen
Perser – zwei Perser gegen Einen Armenier – zwei Armenier
gegen Einen Griechen: so bleibt sich der Handel gleich.« Nach
dem zu urtheilen, was mir darüber zu Augen und Ohren gekommen,
wird dieses Sprüchwort durch die Erfahrung vollkommen
bestätigt.
Wenden wir uns weg von diesen Repräsentanten der Schlauheit
und gehen wir einige Schritte weiter auf unserer
völkermusternden Wanderung. Wir finden da vor uns, die Einen
sitzend, die Andern stehend, sechs bis acht Imerier, vom
Knaben- bis zum Mannesalter. Es sind einfache, harmlose,
wohlgebaute, aber ärmlich gekleidete Leute. Man sieht, daß sie
gekleidet sind, wie es der Zufall eben gewollt hat. Der Eine
trägt einen abgeschabten Tscherkessenrock, welchen der
Schneider gewiß nicht für ihn bestimmt hat, der Andere eine
Jacke, deren Aermel einen halben Fuß zu lang sind; Einige
gehen mit, Andere ohne Schuh. Von ihrer hübschen
Nationaltracht ist ihnen nichts übrig geblieben, als ihre
seltsam geformte platte Mütze, ein kaum das Obertheil des
Kopfes bedeckendes, steifes, dunkelgefärbtes, filzartiges
Stück Zeug, von unter dem Kinn zugeknüpften Bändern gehalten.
Die Imerier führen als Grund der Entstehung ihrer sonderbaren
Kopfbedeckung an, es seien früher die Wälder ihres Landes so
dicht und undurchdringlich gewesen, daß Niemand darin hätte
gehen können, ohne seine Mütze zu verlieren; man wäre deshalb,
um dem Kopfe Schutz und den Zweigen und Dornen Trutz zu
bieten, auf die Erfindung der eben beschriebenen festen
Plattmütze gekommen. Die Sache hat etwas für sich.
Während die Türken unseres Schiffes starr und unbeweglich
dasitzen, die Griechen, Perser, Juden und Armenier hingegen
über gemachte oder noch zu machende Handelsspekulationen
sprechen und sinnen, singen die Imerier heiter und sorglos ein
Lied vor sich hin. Haben sie das eine Lied zu Ende gesungen,
so fangen sie ein anderes wieder an und unterbrechen ihre
tönende Beschäftigung nur zuweilen und ziehen sich scheu
zurück, wenn einige von den Damen oder den Officieren des
Schiffs in ihre Nähe kommen.
Uebrigens muß der Liederschatz dieser guten Leute eben
nicht groß sein, da man sie überall und immer dieselben
Gesänge wiederholen hört, welche noch dazu sämmtlich einer
früheren Zeit ihre Entstehung zu verdanken haben. Man findet
unter diesen imerischen Volksliedern einige ganz allerliebste;
das hübscheste und unter dem Volke selbst beliebteste davon,
welches ich auch hier jeden Tag singen höre, hat Dubois
in seinem trefflichen Reisewerke in der Uebersetzung
mitgetheilt, weshalb eine nochmalige Wiederholung überflüssig
erscheinen dürfte.
Nach Tische, wenn es ruhiges Wetter ist, tanzen die
Matrosen einen Nationaltanz. Alles nimmt Theil an der
Unterhaltung, von allen Seiten ertönt lautes Händegeklatsch im
Takt mit den Bewegungen der Tänzer; Griechen, Armenier und
Juden vergessen ihre Schachergedanken, um dem muntern Treiben
auf dem Verdeck zuzusehen, die Türken allein bleiben ernst und
unbeweglich auf ihrem Platze sitzen, ohne sich einmal nach der
bunten, rührigen Menge hinter ihnen umzusehen. Ein Türk wird
eher fünfmal den Arm zum Kopfabschlagen, als fünfmal den Fuß
zum Tanzen aufheben.
Die Winde, des Meeres stürmische Buhlen, haben ihre
Geliebte verlassen, die jetzt heitern Antlitzes mit der Sonne
liebäugelt und uns geduldig weiter schaukelt auf ihrem
wogenden, farbenbunten Schooße.
Wir haben unsern Rückweg nach Kertsch angetreten und
landen bei der Veste Ssuchum-Kalé. Ein ehrwürdiger
Greis, in silberverziertem, blauen Gewande, und gefolgt von
stattlicher Reiter-Eskorte, kommt auf uns zugeritten. Das ist
Kazi-Morgana, der alte Abchasenfeldherr, früher der
Prophet der Freiheit in den Gebirgen von Abchasien und einer
der furchtbarsten Feinde der Russen; jetzt General in
russischen Diensten.
Während der General von Budberg mit seinem Gefolge
nach Ssojuk-Ssu, der Residenz des Herrschers von
Abchasien, reitet, um mit dem Fürsten Michail
Scherwaschidsé Unterhandlungen zu pflegen, besuche ich in
Gesellschaft der Damen die herrlichen Gartenanlagen von
Ssuchum-Kalé, und finde, nachdem wir Alles besehen haben, noch
Zeit, mit B. einen Ritt in die Umgegend zu machen, wo
malerische Fels- und Bergpartien, eine üppige Vegetation, kurz
Naturschönheiten jeder Art, das Auge entzücken. Unsere
unermüdlichen Reitthiere tragen uns die steile Anhöhe hinauf,
wo die Russen, der gesunden Lage wegen, eine Militairkolonie
angelegt haben. In der Mitte der Kolonie steht ein alter,
ehrwürdiger Nußbaum, der seiner Größe und seines riesigen
Umfanges wegen an der ganzen Ostküste des Pontus berühmt ist.
Unter den Zweigen dieses Riesenbaumes kann ein ganzes
Bataillon Soldaten kampiren.
Wir kehren auf unser Schiff zurück; bald kommt auch der
General mit seinem Gefolge nach, und wir steuern weiter nach
der Festung von Bambor, der Residenz des trefflichen
General X. Wir verweilen an jedem Orte nur gerade so lange,
als nöthig ist, um das Geschütz, die Festungswerke, das
Hospital, die Militairkolonie, die neuen Anlagen und Bauten zu
besichtigen und die erforderlichen Anordnungen zu treffen.
Während wir so Alles in Augenschein nehmen, hat der
Kapitain unseres Schiffs schon wieder eine Anzahl Passagiere
entlassen und andere dagegen aufgenommen. So bietet sich uns
täglich die größte Abwechslung und Mannigfaltigkeit der Bilder
dar. Bald wird das Auge erfreut durch den Anblick der
großartigen Naturschönheiten, die uns umgeben, und bald wird
es getrübt durch den Anblick eines Trupps unglücklicher,
kranker Soldaten, die ihren dumpfen Hütten entrissen, aus
einer ungesunden Gegend in eine gesundere geführt werden, um
ihr freudenloses Dasein noch auf ein paar Jahr zu verlängern.
Sie schwanken umher wie Schatten, und man weiß nicht was
grauer und kahler aussieht, ob ihr bleifarbenes Gesicht oder
der grobe Mantel, der ihre welken Glieder umhüllt. In allen
Festungen, welche wir berühren – und es sind ihrer über
zwanzig an der Ostküste des schwarzen Meeres – sehen wir uns
vergebens unter den Soldaten nach einem frischen, muntern
Gesichte um; die Gesichter der armen Menschen sind alle so
faltig, so aschgrau wie die Säcke, in welchen ihr Kommißbrod
steckt. – Doch was sage ich? Hier wird vor uns eine Kompagnie
gemustert, lauter frische, lebenskräftige Burschen; auch nicht
Einer darunter, auf welchen die obige Beschreibung paßte.
Ganz richtig! Das sind Soldaten, welche erst vor acht Tagen
aus Rußland angekommen sind und noch einexerzirt werden
müssen. Diese wackern Burschen haben noch keinen Sommer hier
mitgemacht; nur ein halbes Jahr Geduld, und ihre Augen werden
so matt und ihre Wangen so blaß sein, wie die ihrer Brüder.
Aber ist denn dem Uebel gar nicht abzuhelfen? »Nebo
wüssoko, Czar daloko!« (der Himmel ist hoch, der Kaiser
ist weit). – Das ist die gewöhnliche Antwort des im Unglück
lebenden Russen.
Dem Uebel wäre nur abzuhelfen, könnte man mit einem
Zauberworte Berge versetzen, Sümpfe austrocknen, böse Dünste
verscheuchen und Segen und Gedeihen pflanzen, wo bisher nur
Siechthum und Elend gewachsen. Und noch ein sichereres Mittel,
als solches Zauberwort, wäre es: den ganzen Krieg aufzugeben!
In einem Buche, das, wie dieses, keinen Anspruch auf
politische Weisheit macht, kann man solche Aeußerung schon
wagen, welche in einer Zeitung als unstaatsmännisch
verurtheilt werden würde von den Königen der politischen
Tagesfliegen.
Weiß der Himmel, ich habe genug mit Staatsmännern zu thun
gehabt im Leben, aber in Allen zusammen nicht soviel Weisheit
gefunden, als in Einem Blick Deines Auges, Du meine Edlitam!
Wie blühend, reich und belebt waren die Küsten des Pontus
noch, als die Genueser hier ihre Ansiedlungen hatten! Aber von
den Russen irgend Heil und Fortschritt in Kultur, Handel und
Sitte für diese Länder zu erwarten, ist mehr als ein
unstaatsmännischer Verstand, wie der meine, zu fassen vermag.
Doch hinweg mit diesen Betrachtungen, die unwillkürlich aus
der Seele in die Feder springen! Suchen wir den Schatten,
welchen wir dadurch aus unsere Erzählung geworfen, durch
Anführung einiger der vielen heiteren Bilder, die uns auf
unserer Fahrt ergötzten, zu verscheuchen.
Wir landen in Sotscha, derselben Festung, in welcher Madame
Pépin, tapfern Andenkens, ihre Sporen verdiente. Die
Nachricht der Ankunft des kommandirenden Generals verbreitet
sich immer gleich wie ein Lauffeuer unter den Bewohnern der
Küste.
Von allen Seiten kommen Häuptlinge und Gemeine zu Fuß und
zu Pferde herangezogen; die Häuptlinge, um mit dem General zu
unterhandeln, die Gemeinen, um das wunderbare Atesch-Gjemmi
(wörtlich: Feuerschiff), welches ohne Segel und Ruder fährt,
zu begaffen. Auch diesesmal hat sich eine staunende Menge am
Ufer versammelt, und viele von ihnen bezeigen Lust, auf das
Schiff zu steigen, werden jedoch von den Soldaten und Matrosen
kurz zurückgewiesen.
»Sollte der Anblick eines solchen Kriegsfahrzeuges,« fragte
ich einen neben mir stehenden Offizier, »den Tscherkessen
nicht die Ueberzeugung von der überlegenen Macht der Russen
einflößen?« – »Nicht im Mindesten,« erwiederte der Gefragte.
»Diese Leute haben, ihre Verhältnisse mit uns anbetreffend,
weder Willen noch Gedanken; sie folgen ganz der Leitung und
den Eingebungen ihrer Häuptlinge, von denen die meisten zu
wiederholtenmalen in Konstantinopel gewesen, wo sie in dem
schönsten Hafen der Welt Hunderte von Schiffen aller Nationen
gesehen haben, welche sie natürlich sämmtlich als im Dienste
des Sultans stehend betrachten, und im Vergleich mit welchen
ihnen die wenigen von unsern Schiffen, die an ihrer Küste
kreuzen, höchst unbedeutend erscheinen. So lange bei den
Tscherkessen der Glaube an die Allmacht des Sultans und an die
von ihm zu erwartende Hülfe noch so fest wurzelt, wie bisher,
wird an ihre vollkommene Unterwerfung nicht zu denken sein.«
Kaum waren wir an's Land gestiegen, so drängten sich eine
Menge Tscherkessen auf den General zu, ihn mit Bitten und
Anliegen bestürmend. Der Eine suchte dabei dem Andern das Wort
abzuschneiden, und es entwickelte sich wieder ein
ohrenverwirrendes Schreien und Lärmen, welches durch unter den
am Ufer stehenden Zuschauern ausgebrochene Zänkereien noch
vermehrt wurde. – »Das giebt fast denselben Auftritt hier, wie
neulich beim Scheibenschießen in Ardiller,« bemerkte, sich zu
mir wendend, der oben erwähnte Offizier. – »Was gab es denn
da?« fragte ich neugierig.
»Bekanntlich sind die meisten unserer Soldaten sehr
schlechte Schützen und dienen in dieser Beziehung den
Tscherkessen zum Gespötte. Es wurden deshalb in letzterer Zeit
in Ardiller, so wie in anderen Festungen, Schießübungen
angeordnet. Vor einem kleinen Erdaufwurf auf dem großen
Weideplatze, welcher sich westlich von genannter Festung
hinzieht, war eine große Scheibe befestigt, auf welche die
Soldaten aus angemessener Ferne feuerten. Die nahewohnenden
Dschighethen, durch das fortwährende Geknall aufmerksam
gemacht, kamen in großer Anzahl herbeigelaufen, um zu sehen,
was das Schießen zu bedeuten habe.
Lange konnten sie gar nicht darüber in's Reine kommen; sie
sahen das Feuern, hörten die Kugeln pfeifen, aber ihre
spähenden Blicke suchten vergebens nach dem Feinde, dem das
tödtende Blei gelten konnte.
Anfangs glaubten sie, hinter dem Erdaufwurfe säßen Leute
versteckt, welche die Russen mit ihren Kugeln herauslocken
wollten. Als aber das Schießen immer fortdauerte und sich doch
Niemand rührte, kamen sie endlich auf die richtige Vermuthung,
die Kugeln seien lediglich auf die fernstehende Scheibe
gemünzt. Nun erhob sich unter ihnen ein Kichern und Schreien,
wie es nur das rauhe Organ der Tscherkessen hervorzubringen im
Stande ist. Es wollte ihnen gar nicht einleuchten, was unsere
Soldaten für eine tolle Wuth auf die große Scheibe Holz
hätten, daß sie dieselbe von oben bis unten mit Kugeln
durchbohrten. – Uebrigens hatte dieses räthselhafte
Scheibenschießen wenigstens den günstigen Erfolg, die
Tscherkessen glauben zu machen, wir müßten einen ungeheuren
Vorrath von Pulver und Blei besitzen, da wir diesen kostbaren
Kriegsbedarf so verschwenderisch an einem unschuldigen Stücke
Holz vergeudeten.«
Die vornehmsten der anwesenden Häuptlinge, Asslan-Béy,
der Dschigheth, und Bersek-Béy, der Ubych, folgten dem
General in die Gemächer der Festung, wo die Unterhandlungen
sich über drei Stunden lang hinzogen. Das Langweiligste dabei
für die russischen Unterhändler ist immer die weitschweifige
Anrede der Tscherkessen, welche sich, ohne den zu
verhandelnden Gegenstand zu berühren, erst eine oder ein paar
Stunden lang um die gleichgültigsten Dinge dreht. Dann können
auch die Tscherkessen die vorgeblich uneigennützigen und edlen
Absichten durchaus nicht begreifen, welche die Russen bei
ihrer Besitznahme der Länder des Kaukasus leiten. »Wenn es
wahr ist,« folgern sie, »daß, wie Ihr sagt, Euer Land so groß
ist und so reich an Korn, Früchten und edlen Metallen, wenn es
wahr ist, daß Ihr in so prachtvollen Städten wohnt, die aus
lauter Tempeln und Palästen bestehen, warum bleibt Ihr denn
nicht in Eurem schönen, großen Lande, wo Ihr in Ueberfluß und
Frieden leben könnt? warum kommt Ihr, um mit Gefahr Eures
Lebens in unsern unwirthbaren Wäldern und Schluchten zu
wohnen, wo Krankheit und Krieg jährlich Tausende von Euch
hinraffen, und wo Ihr Nichts von dem findet, was Eure
prachtvollen Städte Euch bieten? Ihr sagt, daß Ihr gekommen
seid, um uns glücklicher und weiser zu machen; wir können aber
nicht glauben, Euer großer Padischah lasse jährlich so viele
Tausende von Euch, seinen Freunden, hinschlachten, blos
um uns, seine Feinde, glücklicher und weiser zu machen.
Wahrlich, wir waren glücklicher, ehe wir Euch kennen lernten,
und weiser sind wir durch Euch auch nicht geworden.«
Das ist der Hauptgegenstand aller Unterhandlungen zwischen
Rußland und den Bergvölkern. Nebengegenstände sind Klagen über
die Unterdrückung des Handels, das Absperrungssystem und die
dadurch erzeugte Hungersnoth &c. Die Häuptlinge der
Tscherkessen ergehen sich in ihren Reden gewöhnlich in
blumigen und bilderreichen Ausdrücken, und ihre Antworten sind
oft voll Schärfe und Witz. – »Ergebt Euch!« lautete einst
General Rosen's Aufruf an Hamsad-Béy, den
Vorgänger von Schamyl, »ergebt Euch! aller Widerstand
ist vergeblich; die Heere, welche ich gegen Euch führe, sind
zahllos wie der Sand am Meer!« – »Meine Heere aber,«
entgegnete Hamsad-Béy, »sind wie die Wellen des Meeres,
die den Sand hinwegspülen werden.«
Eine ähnliche Antwort giebt Schamyl, der Prophet von
Himri, als ihn der russische Oberbefehlshaber zur Unterwerfung
auffordern läßt und ihm droht, im Fall der Weigerung seinen
Sohn zu tödten, welcher sich in den Händen der Russen
befindet. – »Tödtet meinen Sohn,« erwiedert Schamyl,
»ich habe Weiber genug, einen andern zu zeugen.« – »Liegt
Dir,« fragten die Russen, »das Schicksal Deines Sohnes so
wenig am Herzen?« – »Weniger,« antwortete Schamyl, »als
das Schicksal meines Volkes.«
Während der General sich im Innern der Festung mit seinen
kriegerischen Gästen unterhielt, gingen die übrigen
Häuptlinge, welche sich weniger durch Schmuck und Kleidung,
als durch stolzere Haltung und Körpervorzüge von den Gemeinen
unterschieden, in eifrigem Gespräch begriffen, unruhig auf und
nieder. Es gewährt ein unbeschreibliches Vergnügen, diese
kräftigen hohen Gestalten mit ihren blitzenden Augen, ihrem
ausdrucksvollen Gesichte, ihrem stolzen Gange und ihren
lebhaften und ungezwungenen Bewegungen zu sehen. Welch ein
herrliches Volk müßte dies sein, wenn hier die Bildung des
Geistes der des Körpers entspräche! In körperlicher Beziehung
sind wir civilisirten Abendländer im Vergleich mit den
Tscherkessen ein verkrüppeltes Geschlecht.
Warum hat die Gegenwart kein einziges Volk aufzuweisen, bei
dem Körper und Geist auf gleich hoher Stufe der Bildung
stehen?
***
Als ich Abschied nahm von Gjül-Bassar, wollte mir
der Rosenköpfige einen Geleitspruch mit auf den Weg geben.
Wir hatten gerade kein Buch bei der Hand, und trieben bei
dem Schiffsvolk eine alte russische Bibel auf. Gjül-Bassar
nahm die Bibel, öffnete sie, und seine Hand fiel auf die
Stelle, wo geschrieben steht: »Wie ein Knecht sich sehnet nach
dem Schatten, und ein Tagelöhner, daß seine Arbeit aus sei,
also hab' ich wohl ganze Monate vergeblich gearbeitet, und
elender Nächte sind mir viele geworden.«
Und es ward aus Abend und Morgen der tausend und erste Tag.
Aber hat Euch der erste Theil meiner Pilgerfahrt gefallen,
so erzähle ich Euch ein andermal den zweiten Theil und die
Heimkehr.