Ghazalis Werk
Gazzali İhyau Ulumi'd-Din 1/6 إحياء علوم الدين in Bochum - Bochum-Mitte |  eBay Kleinanzeigen

Über Intention, reine Absicht und Wahrhaftigkeit

كتاب النية والإخلاص والصدق

Das 37. Buch von Ghazalis Hauptwerk

Übersetzt von Hans Bauer, Halle 1916

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Von der Intention

Inwiefern die verschiedenen Handlungen von der Absicht abhängen

a) Die schlechten Handlungen

Sie werden durch die Absicht nicht in ihrer Stellung verändert. Es darf also nicht ein Unverständiger den Ausspruch des Propheten (s): „Die Handlungen richten sich allein nach den Absichten“, weil er allgemein gehalten wird, in diesem Sinne auffassen und meinen, dass eine Sünde durch die Absicht zu einem gottgefälligen Werke wird, wie wenn z.B.: einer über jemanden schlecht spricht, um einem andren gefällig zu sein, oder wenn er mit fremdem Gute einen Armen speist, oder wenn er eine Schule, Moschee oder Kloster mit unrechtmäßig erworbenem Vermögen errichtet und dabei eine gute Absicht hat. All das ist Verkehrtheit, denn die Absicht bewirkt keineswegs, dass jene Handlungen nun aufhören, Unrecht und Sünde zu sein. Vielmehr ist das Anstreben von etwas Gutem durch eine Schlechtigkeit, die gegen das göttliche Gesetz verstößt, eine weitere Schlechtigkeit. Wer das weiß, der vergeht sich gegen das Gesetz, und wer es nicht weiß, der sündigt durch seine Unwissenheit, denn „das Streben nach Erkenntnis ist eine Pflicht für jeden Muslim“. Die guten Handlungen werden als solche nur durch das Gesetz erkannt, wie könnte also eine Schlechtigkeit zu etwas Gutem werden? Nie und nimmermehr! Es ist nur die heimliche Begierlichkeit und die versteckte Leidenschaft, die dem Herzen das einzureden sucht. Wenn nämlich das Herz darauf aus ist, Ruhm zu erwerben, die Menschen sich geneigt zu machen und was dergleichen sinnliche Bestrebungen mehr sind, so bedient sich dessen der böse Feind, um dem Unverständigen etwas Vorzuspiegeln. Deshalb sagt Sahl al-Tustari: „Es gibt keine größere Sünde gegen Allah als die Unkenntnis.“ Als man ihm fragte: Kennst du etwas Ärgeres als die Unkenntnis, Abu Muhammed?“, antwortete er: „Allerdings, die Unkenntnis der Unkenntnis.“

So verhält es sich in der Tat. Denn die Unkenntnis der Unkenntnis lässt es überhaupt nicht zum Lernen kommen. Wie sollte auch einer, der sich für gescheit hält, lernen wollen? Darum ist das, wodurch Allah am vorzüglichsten gedient wird, die Erkenntnis, und die Haupterkenntnis ist die Erkenntnis der Erkenntnis, so wie die schlimmste Unkenntnis die Unkenntnis der Unkenntnis ist. Denn wer das nützliche Wissen vom schädlichen nicht unterscheidet, der beschäftigt sich mit dem prunkhaften Wissen, um das sich die Leute so sehr bemühen, das ihnen nur als ein Mittel für weltliche Bestrebungen dient. Das ist törichtes Zeug und die Quelle der Verderbnis der Welt. Wir wollen also sagen, dass jemand, der aus Unwissenheit etwas Gutes durch eine sündhafte Handlung zu erreichen sucht, nicht zu entschuldigen ist, es sei denn, dass er sich erst vor kurzem zu Islam bekehrt und noch keine Gelegenheit gefunden hat, das erforderliche Wissen sich anzueignen.

Darum sagt Allah ta’ala:

إِلاَّ رِجَالاً نُّوحِي إِلَيْهِمْ فَاسْأَلُواْ أَهْلَ الذِّكْرِ إِن كُنتُمْ لاَ تَعْلَمُونَ

„Fragt nur das Volk der Ermahnung, wenn ihr nicht im Klaren seid.“ (Sure 16 Aya 43)

Und der Prophet (s) sagt: „Der Unwissende hat keine Entschuldigung für seine Unwissenheit. Der Unwissende darf nicht bei seiner Unwissenheit schweigen und der Wissende nicht bei seinem Wissen. (Tabarani)

Ähnlich jenen Herrschern, die durch den Bau von Schulen und Moscheen mit ungerechtem Gut sich Verdienste erwerben wollen, handeln also jene Pseudogelehrten, wenn sie ihr Wissen dummen und schlechten Menschen beibringen, die sich den Sünden und Ausschweifungen ergeben, deren Streben sich darauf beschränkt, „mit Gelehrten zu disputieren, mit Narren zu konkurrieren, die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zu ziehen“, weltlichen Tand zu erringen und das Vermögen der Fürsten, der Armen und Waisen sich anzueignen. Denn solche Leute werden, wenn sie etwas gelernt haben, zu Räubern auf dem Wege Allahs, und jeder von ihnen ersteht in seinem Lande als ein Vertreter des Dajjal, indem er sich auf die Welt stürzt, seiner Leidenschaft nachgeht, von der Gottesfurcht sich entfernt und durch sein Beispiel die Menschen zur Versündigung gegen Allah ta’ala ermutigt. Dieses Wissen verbreitet sich dann wohl zu seinesgleichen, die es ihrerseits wieder als Mittel und Werkzeug zum Bösen und zur Befriedigung ihrer Leidenschaften missbrauchen. So geht es immer weiter, und das ganze Unheil fällt auf den Lehrer zurück, der einen solchen Menschen die Wissenschaft gelehrt hat, obwohl er seine schlechte Gesinnung und Absicht kannte und seine mannigfachen Sünden in Wort und Tat, in Nahrung, Kleidung und Wohnung mit Augen sah. Wenn nun dieser Gelehrte stirbt, so dauert sein unheilvoller Einfluss fort und verbreitet sich über die ganze Welt, auf tausend und zweitausend Jahren hinaus zum Beispiel. Wohl dem Manne, mit welchem, wenn er stirbt, auch seine Sünden sterben. Man muss sich wundern über den Unverstand eines solchen, wenn er sagt: „Die Handlungen richten sich nur nach den Absichten.’ Ich hatte dabei nur die Verbreitung des Wissens im Auge, und wenn der andere davon einen schlechten Gebrauch macht, so begeht er die Sünde, nicht ich; ich wollte damit nur, dass er es zum Guten verwende.“

In Wirklichkeit ist es nur die Rangsucht, der Wunsch, einen Anhang zu haben und als wissenschaftliche Größe dazustehen, der ihm solches vormalt, und der Teufel verblendet ihn durch die Sucht, den großen Mann zu spielen. Was würde er wohl dem erwidern, der einem Räuber ein Schwert gibt, ihm ein Reittier zur Verfügung stellt und was er sonst für seinen Zweck braucht, und der dann sagt: „Ich wollte nur die Freigiebigkeit betätigen und als vornehmer Charakter mich bezeigen, und meine Absicht war, er solle mit diesem Schwert und Ross für die heilige Sache kämpfen; denn die Lieferung eines Pferdes und der sonstigen Ausrüstung für den Krieg, ist einer der höchsten Verdienste. Wenn er diese Dinge zur Räuberei verwendet hat, so ist das seine Schuld.“ Es ist doch einmütige Ansicht der Rechtsgelehrten, dass solches verboten ist, obgleich Allah ta’ala keine Tugend mehr liebt als die der Freigiebigkeit, und der Prophet (s)[1] sagt: „Es gibt 300 Tugenden. Wer mit einer von ihnen vor Allah kommt, der wird ins Paradies eingehen, aber die liebste ist ihm die Freigiebigkeit.“ 

Warum ist denn hier die Freigiebigkeit unerlaubt und warum muss ich bei diesem Übeltäter die näheren Umstände ins Auge fassen, und wenn mir klar ist, dass er die Waffen gewohnheitsmäßig zum Schlechten verwendet, ihm die Waffen abzunehmen trachten statt ihm andere dazu zu geben? Nun, auch das Wissen ist eine Waffe, womit der Teufel und die Feinde Allahs zu bekämpfen sind, manchmal aber werden dadurch die Feinde Allahs, d.h. die bösen Neigungen unterstützt. Wenn jemand fort-während die Welt dem Übernatürlichen vorzieht und seine Lust dem Jenseits, und bei seiner Untüchtigkeit nicht über sie Herr werden kann, wie sollte es erlaubt sein, einen solchen mit Wissen auszustatten, durch das er nur in den Stand gesetzt würde, seine Leidenschaften zu befriedigen.

Die Gelehrten der Vorzeit, Allah ta’ala habe sie selig, pflegten vielmehr ein genaues Auge zu haben auf die Verfassung derer, die bei ihnen Unterricht nahmen. Wenn sie merkten, dass einer es an den freiwilligen Tugendübungen fehlen ließ, äußerten sie ihr Missfallen und entzogen ihm ihre Achtung, und wenn sie gar sagen, dass er das Gesetz übertrat und das Verbotene erlaubt nahm, brachten sie mit ihm, verboten ihm den Zutritt und redeten nicht mehr mit ihm, geschweige denn, dass sie ihn weiter unterrichtet hätten. Denn wer ein Fragestück lernt, aber nicht darnach handelt, sondern sich an etwas anderes hält, der sucht nur ein Werkzeug zum Bösen. Darum das Entsetzen aller Früheren vor einem Gesetzesübertreter, der die Sunna kennt, nicht aber vor einem solchen, der unwissend ist. Vor einem Schüler des Ahmed ibn Hanbal  wird erzählt, dass er jahrelang bei ihm hörte, auf einmal wandte sich Ahmed von ihm ab, brach mit ihm und redete kein Wort mehr mit ihm. Als jener fortgesetzt in ihn drang, diese Veränderung zu erklären, hielt er sich mit der Antwort zurück, schließlich sagt er: „Es wurde mir berichtet, du habest dein Haus an der Straßenseite mit Lehm verputzen lassen und dazu mit einer ganz dicken Schicht, das ist eine Verunzierung der Straße der Muslime. Du eignest dich nicht dazu, die Wissenschaft zu tradieren.“

Ein solches Auge hatten die Früheren auf das Verhalten der Schüler der Wissenschaft. Aber derglei-chen begreifen diese Narren und Satansjünger nicht, auch wenn sie den Tailasan und weite Ärmel tragen, hohe Töne reden und sehr ausführlich sind, ausführlich nämlich in jenen Wissenschaften, die nichts enthalten von Warnung vor der Welt und der Abschreckung vor ihr, keine Anfeuerung für das Jenseits und keinen Hinweis darauf, sondern Wissenschaften, die sich nur auf das Irdische beziehen, durch die man eitlen Tand erwirbt, einen Anhang gewinnt und seine Rivalen aussticht. Demnach betrifft der Ausspruch des Hochgebenedeiten: „Die Handlungen richten sich allein nach den Absichten“ von den obengenannten drei Kategorien nur die guten und erlaubten Handlungen, nicht aber die Schlechten; denn die guten Handlungen werden durch die Absicht schlecht, die erlaubten werden je nach der Absicht entweder gut oder schlecht, die schlechten hingegen werden durch die Absicht niemals gut. Wohl aber kommt für sie die Absicht insofern in Betracht, als dabei mit der Vervielfältigung der schlechten Absichten auch ihre Schuld vervielfältigt und die Strafe dafür schwerer wird, wie wir das im Buch über die Buße ausgeführt haben.

Fußnoten

[1] Verzeichnet in Kitabu l-muhabati wa l-schuq

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