Von der Intention
Inwiefern die
verschiedenen Handlungen von der Absicht abhängen
a) Die
schlechten Handlungen
Sie werden durch
die Absicht nicht in ihrer Stellung verändert. Es darf also
nicht ein Unverständiger den Ausspruch des Propheten (s):
„Die Handlungen richten sich allein nach den Absichten“,
weil er allgemein gehalten wird, in diesem Sinne
auffassen und meinen, dass eine Sünde durch die Absicht zu
einem gottgefälligen Werke wird, wie wenn z.B.:
einer über jemanden schlecht spricht, um einem andren gefällig
zu sein, oder wenn er mit fremdem Gute einen Armen speist,
oder wenn er eine Schule, Moschee oder Kloster mit
unrechtmäßig erworbenem Vermögen errichtet und dabei eine gute
Absicht hat. All das ist Verkehrtheit, denn die Absicht
bewirkt keineswegs, dass jene Handlungen nun aufhören, Unrecht
und Sünde zu sein. Vielmehr ist das Anstreben von etwas Gutem
durch eine Schlechtigkeit, die gegen das göttliche Gesetz
verstößt, eine weitere Schlechtigkeit. Wer das weiß, der
vergeht sich gegen das Gesetz, und wer es nicht weiß, der
sündigt durch seine Unwissenheit, denn „das Streben nach
Erkenntnis ist eine Pflicht für jeden Muslim“. Die guten
Handlungen werden als solche nur durch das Gesetz erkannt, wie
könnte also eine Schlechtigkeit zu etwas Gutem werden? Nie und
nimmermehr! Es ist nur die heimliche Begierlichkeit und die
versteckte Leidenschaft, die dem Herzen das einzureden sucht.
Wenn nämlich das Herz darauf aus ist, Ruhm zu erwerben, die
Menschen sich geneigt zu machen und was dergleichen sinnliche
Bestrebungen mehr sind, so bedient sich dessen der böse Feind,
um dem Unverständigen etwas Vorzuspiegeln. Deshalb sagt Sahl
al-Tustari: „Es gibt keine größere Sünde gegen Allah als
die Unkenntnis.“ Als man ihm fragte: Kennst du
etwas Ärgeres als die Unkenntnis, Abu Muhammed?“,
antwortete er: „Allerdings, die Unkenntnis der
Unkenntnis.“
So verhält es
sich in der Tat. Denn die Unkenntnis der Unkenntnis lässt es
überhaupt nicht zum Lernen kommen. Wie sollte auch einer, der
sich für gescheit hält, lernen wollen? Darum ist das, wodurch
Allah am vorzüglichsten gedient wird, die Erkenntnis, und die
Haupterkenntnis ist die Erkenntnis der Erkenntnis, so wie die
schlimmste Unkenntnis die Unkenntnis der Unkenntnis ist. Denn
wer das nützliche Wissen vom schädlichen nicht unterscheidet,
der beschäftigt sich mit dem prunkhaften Wissen, um das sich
die Leute so sehr bemühen, das ihnen nur als ein Mittel für
weltliche Bestrebungen dient. Das ist törichtes Zeug und die
Quelle der Verderbnis der Welt. Wir wollen also sagen, dass
jemand, der aus Unwissenheit etwas Gutes durch eine sündhafte
Handlung zu erreichen sucht, nicht zu entschuldigen ist, es
sei denn, dass er sich erst vor kurzem zu Islam bekehrt und
noch keine Gelegenheit gefunden hat, das erforderliche Wissen
sich anzueignen.
Darum sagt Allah
ta’ala:
إِلاَّ رِجَالاً نُّوحِي إِلَيْهِمْ فَاسْأَلُواْ أَهْلَ
الذِّكْرِ إِن كُنتُمْ لاَ تَعْلَمُونَ
„Fragt nur das
Volk der Ermahnung, wenn ihr nicht im Klaren seid.“
(Sure 16 Aya 43)
Und der Prophet
(s) sagt: „Der Unwissende hat keine Entschuldigung für
seine Unwissenheit. Der Unwissende darf nicht bei seiner
Unwissenheit schweigen und der Wissende nicht bei seinem
Wissen. (Tabarani)
Ähnlich jenen
Herrschern, die durch den Bau von Schulen und Moscheen mit
ungerechtem Gut sich Verdienste erwerben wollen, handeln also
jene Pseudogelehrten, wenn sie ihr Wissen dummen und
schlechten Menschen beibringen, die sich den Sünden und
Ausschweifungen ergeben, deren Streben sich darauf beschränkt,
„mit Gelehrten zu disputieren, mit Narren zu konkurrieren, die
Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zu ziehen“, weltlichen
Tand zu erringen und das Vermögen der Fürsten, der Armen und
Waisen sich anzueignen. Denn solche Leute werden, wenn sie
etwas gelernt haben, zu Räubern auf dem Wege Allahs, und jeder
von ihnen ersteht in seinem Lande als ein Vertreter des Dajjal,
indem er sich auf die Welt stürzt, seiner Leidenschaft
nachgeht, von der Gottesfurcht sich entfernt und durch sein
Beispiel die Menschen zur Versündigung gegen Allah ta’ala
ermutigt. Dieses Wissen verbreitet sich dann wohl zu
seinesgleichen, die es ihrerseits wieder als Mittel und
Werkzeug zum Bösen und zur Befriedigung ihrer Leidenschaften
missbrauchen. So geht es immer weiter, und das ganze Unheil
fällt auf den Lehrer zurück, der einen solchen Menschen die
Wissenschaft gelehrt hat, obwohl er seine schlechte Gesinnung
und Absicht kannte und seine mannigfachen Sünden in Wort und
Tat, in Nahrung, Kleidung und Wohnung mit Augen sah. Wenn nun
dieser Gelehrte stirbt, so dauert sein unheilvoller Einfluss
fort und verbreitet sich über die ganze Welt, auf tausend und
zweitausend Jahren hinaus zum Beispiel. Wohl dem Manne, mit
welchem, wenn er stirbt, auch seine Sünden sterben. Man muss
sich wundern über den Unverstand eines solchen, wenn er sagt:
„Die Handlungen richten sich nur nach den Absichten.’ Ich
hatte dabei nur die Verbreitung des Wissens im Auge, und wenn
der andere davon einen schlechten Gebrauch macht, so begeht er
die Sünde, nicht ich; ich wollte damit nur, dass er es zum
Guten verwende.“
In Wirklichkeit
ist es nur die Rangsucht, der Wunsch, einen Anhang zu haben
und als wissenschaftliche Größe dazustehen, der ihm solches
vormalt, und der Teufel verblendet ihn durch die Sucht, den
großen Mann zu spielen. Was würde er wohl dem erwidern, der
einem Räuber ein Schwert gibt, ihm ein Reittier zur Verfügung
stellt und was er sonst für seinen Zweck braucht, und der dann
sagt: „Ich wollte nur die Freigiebigkeit betätigen und als
vornehmer Charakter mich bezeigen, und meine Absicht war, er
solle mit diesem Schwert und Ross für die heilige Sache
kämpfen; denn die Lieferung eines Pferdes und der sonstigen
Ausrüstung für den Krieg, ist einer der höchsten Verdienste.
Wenn er diese Dinge zur Räuberei verwendet hat, so ist das
seine Schuld.“ Es ist doch einmütige Ansicht der
Rechtsgelehrten, dass solches verboten ist, obgleich Allah
ta’ala keine Tugend mehr liebt als die der Freigiebigkeit,
und der Prophet (s)
sagt: „Es gibt 300 Tugenden. Wer mit einer von ihnen vor
Allah kommt, der wird ins Paradies eingehen, aber die liebste
ist ihm die Freigiebigkeit.“
Warum ist denn
hier die Freigiebigkeit unerlaubt und warum muss ich bei
diesem Übeltäter die näheren Umstände ins Auge fassen, und
wenn mir klar ist, dass er die Waffen gewohnheitsmäßig zum
Schlechten verwendet, ihm die Waffen abzunehmen trachten statt
ihm andere dazu zu geben? Nun, auch das Wissen ist eine Waffe,
womit der Teufel und die Feinde Allahs zu bekämpfen sind,
manchmal aber werden dadurch die Feinde Allahs, d.h. die bösen
Neigungen unterstützt. Wenn jemand fort-während die Welt dem
Übernatürlichen vorzieht und seine Lust dem Jenseits, und bei
seiner Untüchtigkeit nicht über sie Herr werden kann, wie
sollte es erlaubt sein, einen solchen mit Wissen auszustatten,
durch das er nur in den Stand gesetzt würde, seine
Leidenschaften zu befriedigen.
Die Gelehrten der
Vorzeit, Allah ta’ala habe sie selig, pflegten vielmehr
ein genaues Auge zu haben auf die Verfassung derer, die bei
ihnen Unterricht nahmen. Wenn sie merkten, dass einer es an
den freiwilligen Tugendübungen fehlen ließ, äußerten sie ihr
Missfallen und entzogen ihm ihre Achtung, und wenn sie gar
sagen, dass er das Gesetz übertrat und das Verbotene erlaubt
nahm, brachten sie mit ihm, verboten ihm den Zutritt und
redeten nicht mehr mit ihm, geschweige denn, dass sie ihn
weiter unterrichtet hätten. Denn wer ein Fragestück lernt,
aber nicht darnach handelt, sondern sich an etwas anderes
hält, der sucht nur ein Werkzeug zum Bösen. Darum das
Entsetzen aller Früheren vor einem Gesetzesübertreter, der die
Sunna kennt, nicht aber vor einem solchen, der unwissend ist.
Vor einem Schüler des Ahmed ibn Hanbal wird erzählt, dass er
jahrelang bei ihm hörte, auf einmal wandte sich Ahmed von ihm
ab, brach mit ihm und redete kein Wort mehr mit ihm. Als jener
fortgesetzt in ihn drang, diese Veränderung zu erklären, hielt
er sich mit der Antwort zurück, schließlich sagt er: „Es
wurde mir berichtet, du habest dein Haus an der Straßenseite
mit Lehm verputzen lassen und dazu mit einer ganz dicken
Schicht, das ist eine Verunzierung der Straße der Muslime. Du
eignest dich nicht dazu, die Wissenschaft zu tradieren.“
Ein solches Auge
hatten die Früheren auf das Verhalten der Schüler der
Wissenschaft. Aber derglei-chen begreifen diese Narren und
Satansjünger nicht, auch wenn sie den Tailasan und
weite Ärmel tragen, hohe Töne reden und sehr ausführlich sind,
ausführlich nämlich in jenen Wissenschaften, die nichts
enthalten von Warnung vor der Welt und der Abschreckung vor
ihr, keine Anfeuerung für das Jenseits und keinen Hinweis
darauf, sondern Wissenschaften, die sich nur auf das Irdische
beziehen, durch die man eitlen Tand erwirbt, einen Anhang
gewinnt und seine Rivalen aussticht. Demnach betrifft der
Ausspruch des Hochgebenedeiten: „Die Handlungen richten
sich allein nach den Absichten“ von den obengenannten
drei Kategorien nur die guten und erlaubten Handlungen, nicht
aber die Schlechten; denn die guten Handlungen werden durch
die Absicht schlecht, die erlaubten werden je nach der Absicht
entweder gut oder schlecht, die schlechten hingegen werden
durch die Absicht niemals gut. Wohl aber kommt für sie die
Absicht insofern in Betracht, als dabei mit der
Vervielfältigung der schlechten Absichten auch ihre Schuld
vervielfältigt und die Strafe dafür schwerer wird, wie wir das
im Buch über die Buße ausgeführt haben.