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Unsere Wirtschaft / Iqtisaduna

Muhammad Baqir al-Sadr

Belege für die Hinweise auf das gemeinschaftliche Eigentum am eroberten Land

Die Textquellen des islamischen Rechts [scharia] und deren Umsetzung in konkrete Rechtsbestimmungen zeigen deutlich eine Bestätigung des Prinzips vom “Eigentum der Gemeinschaft“ an dieser Art von Land, wie aus den folgenden Überlieferungen ersichtlich wird:

1)    Aus der von al-Halabi überlieferten Überlieferung: „Imam Dschafar bin Muhammad al-Sadiq (a.) wurde über das Kul­tur­land und dessen Status befragt, da sagte er: „Es gehört allen Muslimen gemeinsam, den heutigen, denen, die sich später noch dem Islam anschließen werden, und denen, die noch gar nicht erschaffen worden sind.“ Wir fragten: „Wie steht es mit dem Kauf von den bisherigen Grundbesitzern?“ Er sagte: „Das ist nicht zulässig, es sei denn, jemand kauft es, um es allen Muslimen zur Verfügung zu stellen. Und wenn es der verantwortliche Befehlshaber [wali-ul-amr] beschlagnahmen will, dann steht ihm das frei.“ Wir fragten: „Und was geschieht, wenn er ihm das Land abnimmt?“ Er sagte: „Dann wird ihm der Kaufpreis zurückerstattet, und für seine an dem Land geleistete Arbeit steht ihm der Ernteertrag zu, den er bis dahin verbraucht hat.“[1]

2)    Aus einer von Abu Rabi´as-Schami überlieferten Überlieferung, demzufolge Imam Dschafar al-Sadiq (a.) gesagt hat: „Niemand soll von dem 'schwarzen Land' [ard as-sawad] etwas kaufen, es sei denn, er bekommt eine Sicherheit dafür, denn es ist erworbenes Gut aller Muslime.“[2] Und unter dem 'schwarzen Land' verstand man im damaligen Sprachgebrauch den kultivierten Teil der Ländereien des Irak, die von den Muslimen ... erobert wurden. Die Muslime prägten diesen Namen für das irakische Kulturland, weil ihnen, als sie aus ihrem wüstenhaften Land der arabischen Halbinsel auszogen, um die Einladung [dawa] in die Welt hinauszutragen, das Grün der Äcker und Bäume in den Ländereien des Irak zu Gesicht kam, und sie dieses Grün “schwarz“ [sawad] nannten, weil sie damals das gleiche Wort für “grün“ und “schwarz“ verwendeten.

3)    Aus einer Überlieferung von Hammad ibn Isa, wonach Imam Musa ibn Dschafar (a.) gesagt hat: „Die Kämpfer bekommen nichts von den Ländereien, die sie erobert haben, außer der vom Heerlager umfassten Fläche ... Und das Land, welches gewaltsam mit kriegerischen Mitteln eingenommen wurde, wird vorläufig denjenigen überlassen, die es bisher bebaut und kultiviert haben und dort leben, wobei ihnen der ver­ant­wortliche Befehlshaber [wali-ul-amr] soviel an Ab­ga­ben auf­er­legt, wie es angemessen ist und sie es tragen kön­nen, etwa die Hälfte, ein Drittel oder zwei Drittel des jährlichen Ern­te­er­tra­ges, so dass ihnen Recht getan wird und sie nicht ge­schädigt werden.[3] Das bedeutet, der verantwortliche Be­fehls­haber [wali-ul-amr] überlässt die gewaltsam eroberten Län­de­rei­en denjenigen Mitgliedern der islamischen Gemeinschaft, die sie am besten zu nutzen verstehen, und erlegt ihnen eine Gebühr [ugra] auf das Land auf, weil es Eigentum der ge­sam­ten Umma ist, und da die Ackerbauern aus dessen Kultivierung Nutzen ziehen, müssen sie den Preis für diese Nutzung an die Umma entrichten. Dieser Preis, bzw. diese Gebühr, wird in der Überlieferung als Grundbesitzersatzabgabe [charadsch][4] bezeichnet.

4)    Aus einer Überlieferung geht hervor, dass Abu Burda einstmals Imam Dschafar al-Sadiq (a.) über den Kauf von Land, das zur Grundbesitzersatzabgabe [charadsch] gehört, befragt, worauf der Imam (a.) antwortete: „Wer sollte das verkaufen, wo es doch das Land aller Muslime ist?[5] Und “Grund­be­sitz­er­satz­ab­gabe-Land“ ist der Terminus der Rechtswissenschaft [fiqh] für das Land, von dem wir sprechen, denn dem Land, das in kultiviertem Zustand erobert wurde, wurde die Grund­be­sit­zer­satz­abgabe [charadsch] auferlegt, wie zuvor erwähnt, und man nannte es deshalb “Grundbesitzersatzabgabe-Land“.

5)    Nach einer Überlieferung des Ahmad ibn Muhammad ibn Ali Nasr hat Imam Ali ibn Musa al-Ridha (a.) zu den verschiedenen Kategorien des Landes und den diesbezüglichen Bestimmungen gesagt: „Was mit dem Schwert erobert wurde, gehört dem Imam, und der übergibt es wem er für richtig hält.[6]

6)    In der Chronik der islamischen Eroberungen heißt es, dass Umar, der zweite Kalif, (von seinen Soldaten) aufgefordert wurde, das eroberte Land unter den Kämpfern des islamischen Heeres aufzuteilen, und zwar auf der Grundlage des Privat­ei­gen­tums, worauf er die Prophetengefährten um Rat fragte, und Imam Ali (a.) ihm empfahl, es nicht zu verteilen, während Mu´adh bin Dschabal sagte: „Wenn du es verteilst, dann erhalten einige Leute einen gewaltigen Ertrag, dann sterben sie irgendwann, und alles fällt vielleicht in die Hände eines einzigen Mannes oder einer einzigen Frau, und später gibt es wieder neue Muslime, für die dann nichts mehr übrig ist. Triff also eine Entscheidung, die den heutigen und den zukünftigen Muslimen gerecht wird.“ Da entschied sich Umar für die Anwendung des Prinzips des gemeinschaftlichen Eigentums und schrieb an Sa’d ibn Abi Waqqas[7]: „Zur Sache, ich erfuhr aus deinem Schreiben, dass die Leute von dir ver­langen, die Beutegüter und alles, was Allah ihnen in die Hände fallen ließ, unter ihnen zu verteilen. Begutachte also, was sie an beweglicher Habe im Heerlager zusammen­ge­tra­gen haben, und verteile es an die anwesenden Muslime, und lass die Ländereien und Bewässerungsanlagen im Besitz derjenigen, die daran arbeiten, damit deren Ertrag allen Muslimen zugute kommt. Wenn wir es aber unter den Anwesenden verteilen würden, dann bliebe für diejenigen, die nach ihnen kommen, nichts übrig.“ Und manche gehen bei der Interpretation der Maßnahmen des zweiten Kalifen soweit, zu behaupten, dass das Kulturland Eigentum der bisherigen Besitzer – wie das aus dem “Kitab al-Amwal“ des Abu Ubaid hervorgehen soll – denn indem Umar es ihnen zurückgab erhielten sie die Kontrolle über das Land zugesprochen, während für die Muslime lediglich das Anrecht auf der Grund­besitzersatzabgabe [charadsch] festgesetzt wurde; das “Eigen­tum der Gemeinschaft“ bezöge sich also nur auf der Grund­be­sitz­ersatzabgabe [charadsch], und nicht auf die Kontrolle über das Land. Und manche islamische Denker der Gegenwart, die sich dieser Interpretation anschließen, be­haup­ten, die Verstaatlichung beträfe die Grund­besitz­ersatz­ab­gabe [cha­radsch] und nicht das Land. In Wahrheit ist es aber völlig klar, dass die Maßnahmen Umars auf dem Glauben an das Prinzip des “Eigentums der Gemeinschaft“ beruhten, das auf die Kon­trolle über das Land angewandt wurde, und wenn er das Land seinen bisherigen Besitzern überließ, so bedeutete das keine Anerkennung ihres Rechts auf Privateigentum daran, sondern es wurde ihnen zur Teilhaberpacht und Miete übergeben, damit sie auf dem Land der Muslime arbeiten und ihren Nutzen daraus zögen, und den letzteren als Gegenleistung die Grund­be­sitz­ersatzabgabe [charadsch] zahlten. Und es findet sich auch in dem besagten “Kitab al-Amwal“ des Abu Ubaid ein Beleg dafür, nämlich dass ein gewisser Utba ibn Farqad ein Stück Land am Ufer des Euphrat gekauft hatte, um dort Zuckerrohr anzubauen, was Umar erfuhr, worauf dieser ihn fragte: „Von wem hast du es gekauft?“ Utba ibn Farqad antwortete: „Von seinen Eigentümer.“ Da aber gerade Prophetengefährten aus Mekka und Medina sich bei Umar versammelt hatten, sagte dieser: „Diese hier sind die Eigentümer, hast du von ihnen etwas gekauft?“ Er verneinte, worauf Umar sagte: „Dann gib das Land denen zurück, von denen du es gekauft hast, und nimm dein Geld zurück!

7)    Im “Kitab al-Amwal“ gibt es eine Überlieferung des Abu Aun al-Thaqafi, wonach ein Grundbesitzer zur Zeit des Kalifats des Imam Ali (a.) sich zum Islam bekehrte, und der Imam (a.) sich erhob und sprach: „Was dich betrifft, so brauchst du keine Schutzsteuer [dschizya][8] mehr zu bezahlen, aber dein Land gehört uns. [9]

8)    Bei Buchari[10] gibt es eine Überlieferung des Abdullah ibn Umar, der sagte: „Der Prophet Muhammad stellte Chaybar[11] den Juden zur Verfügung, damit sie dort arbeiten und das Land bebauen, und sie bekamen einen Teil des Ertrages.“ Diese Überlieferung zeigt auf, dass Allahs Gesandter (s.) Chaybar, als ein Stück Land, das durch Anstrengung [dschihad] erobert worden war, das Prinzip des “Eigentums der Gemeinschaft“ anwandte, auch wenn es widersprechende Überlieferungen gibt. Denn wenn der Prophet (s.) das Land nach dem Prinzip des Privateigentums an die einzelnen Kämpfer verteilt hätte, anstatt nach dem Prinzip des gemeinschaftlichen Eigentums zu verfahren ... dann wäre er, in seiner Eigenschaft als Regent, nicht auf diesen Teilhaberpacht-Vertrag eingegangen. Die Tatsache, dass er in dieser Ei­gen­schaft einen solchen Vertrag abgeschlossen hat, zeigt, dass das eroberte Land dem Staat und nicht den einzelnen Kämpfern selbst anvertraut wurde. Manche islamische Autoren haben argumentiert, dass der Präzedenzfall der Behandlung von Chaybar unmissverständlich das Recht des Staates, die Ver­mö­gen der Individuen zu beschlagnahmen, beweise, also die Zulässigkeit der Verstaatlichung im Islam bestätige. Da das allgemeine Prinzip die Verteilung der erbeuteten Güter an die Kämpfer sei, bedeute deren Einbehaltung durch den Staat, anstatt sie an diejenigen zu verteilen, denen sie zustehen, eine Autorisierung des Staates, sich über die Rechte seiner Untertanen hinwegzusetzen, wann immer er dies im Sinne des Allgemeinwohls für richtig halte; es wäre also authentisch verbürgt, dass im Islam der Staat das Recht hat, privates Eigentum jederzeit zu verstaatlichen. Aber in Wirklichkeit ist die Tatsache, dass der Staat die Kontrolle über die eroberten Ländereien behält und diese nicht wie anderes Beutegut an die Kämpfer verteilt, keine Anwendung des Prinzips der Verstaatlichung, sondern eine Anwendung des Prinzips vom “Eigentum der Gemeinschaft“. Denn für das eroberte Land ist niemals das Privateigentum gesetzlich vorgesehen gewesen, und die Verteilung der Beute ist ein Prinzip, das der Gesetzgeber nur für bewegliche erbeutete Güter festgesetzt hat. Das “Eigentum der Gemeinschaft“ am eroberten Land ist also in der islamischen Gesetzgebung ursprünglich vorgesehen, es handelt sich mithin nicht um eine spätere Verstaatlichung, bzw. eine sekundäre Gesetzgebung, nachdem zuvor das Prinzip des Privateigentums an solchem Land gegolten hätte. Auf jeden Fall bestätigen die meisten der von uns angeführten Zitate, dass die Kontrolle über das Land – also das Land selbst – der gesamten Umma zusteht, dass dem Imam als dem verantwortlichen Befehlshaber [wali-ul-amr] die Aufsicht darüber vertraut ist, und dass er von denen, die das Land nutzen, eine besondere Steuer (Grundbesitzersatzabgabe [charadsch]) verlangt, welche die Pächter als Gebühr für ihre Nutzungsrechte bezahlen müssen. Und es ist die Umma, der die Grundbesitzersatzabgabe [charadsch] gehört, denn da ihr die Kontrolle über das Land zukommt, ist es natürlich, dass sie auch über dessen Ertrag in Form der Grundbesitzersatzabgabe [charadsch] verfügt.

[1] “Al-Istibzar“ des Scheich Muhammad bin al-Hasan at-Tusi, Band 3, Seite 109

[2] “Al-Istibzar“ des Scheich Muhammad bin al-Hasan at-Tusi, Band 3, Seite 109

[3] Aus den “Furu´“ des “al-Kafi“ von Muhammad bin Yakub al-Kulaini, Band 5, Seite 45

[4] Die Grundbesitzersatzabgabe [charadsch] war eine Abgabe für den Besitz von Grund und Boden, welche von den Nichtmuslimen erhoben wurde. Es entspricht einer Art Pacht.

[5] “Al-Istibzar“ des Scheich Muhammad bin al-Hasan at-Tusi, Band 3, Seite 109

[6] “Tahdhib al-Ahkam“ des Scheich Muhammad bin al-Hasan at-Tusi, Band 4, Seite 119 – Muslimische Gelehrte sind sich darin einig, dass diese Aussage nicht auf eine willkürliche Verteilung hinweist, sondern auf die ideal-sachgerechte, da sie von einem “Reinen“ erfolgt. Hier stehen vor allem zunächst die Bedürfnisse der Bedürftigen im Vordergrund.

[7] Sa’d ibn Abi Waqqas (584-664 n.Chr.) gilt als einer der frühen Gefährten des Propheten Muhammad (s.). Sein Sohn namens Umar ibn Sa’d war einer der Anführer der Truppen in Kerbela, welche die Ahl-ul-Bait (a.) ermordeten. Nach dem Ableben des Propheten Muhammad (s.) gehörte Sa’d zu den ersten, die Abu Bakr den Treueid leisteten. In der Zeit von Umar ibn Chatab gehörte Sa’d zu der Truppe, die in Qadisiyya kämpfte. Später wurde er Gouverneur von Kufa. Er gehörte zu dem Gremium, dass Uthman ibn Affan zum dritten Kalifen wählte. Als aber Imam Ali (a.) Kalif wurde verweigerte Sa’d ihm den Treueid.

[8] Schutzsteuer [dschizya] ist eine Sondersteuer, für erwachsene Männer unter den Leuten des Buches [ahl-ul-kitab], die unter islamischer Herrschaft leben, falls sie nicht an der Verteidigung des Landes teilnehmen wollen. Es ist eine Art Ausgleichszahlung für Schutzbefohlene [dhimmi] für die Befreiung vom Wehrdienst und im Bedarfsfall Verteidigungseinsatz auf freiwilliger Basis. Diejenigen, die hingegen an der Verteidigung des Landes teilzunehmen wünschen, wie es z.B. bei den Christen in der Islamischen Republik Iran nach dem Überfall Saddams der Fall war, brauchen die Schutzsteuer nicht zu entrichten. Zudem brauchen Schutzbefohlene [dhimmi] weder die Fünftelabgabe [chums] noch die Zakat zu entrichten, so dass die Schutzsteuer eine geringere Abgabe ist, als sie Muslime zu entrichten haben.

[9] Hier wird der Charakter des Gemeinschaftsbesitzes deutlich. Gegner des Islam haben bei solchen Beispielen die Behauptung aufgestellt, dass die Enteignung erfolgte, weil der Besitzer kein Muslim war. Ayatollah Sadr hingegen verdeutlicht, dass die Enteignung erfolgt, weil der Charakter des Besitzes dem Gemeinwohl zusteht, unabhängig davon, ob der vormalige Besitzer ein Muslim ist oder nicht.

[10] Muhammad ibn Ismail al-Buchari (810-870 n.Chr.) gilt bei Sunniten als ein bedeutender Sammler von Überlieferungen und seine Sammlung, bekannt als “Sahih Buchari“, als das bekannteste Werk nach dem Heiligen Qur’an.

[11] Chaybar ist der Name einer Oase nördlich von Medina in der einstmals Burgen im Besitz von Juden waren, welche Karawanen der Muslime angriffen. Prophet Muhammad (s.) ordnete daraufhin die Eroberung der Burgen an, was im Jahr 628 n. Chr. erfolgte.

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