Entwicklung der Produktion
Möglicherweise der einzige Punkt, bei dem
sich der Islam, der Kapitalismus und der Marxismus auf
ideologischer Ebene allesamt einig sind, ist die Propagierung
der Entwicklung der Produktion und der weitestgehenden Nutzung
der Natur innerhalb des allgemeinen Rahmens der jeweiligen
Ideologie. Alle diese Ideologien betonen einstimmig die
Wichtigkeit dieses Zieles, und die Notwendigkeit, es mit allen
Mitteln und Wegen, die sich in den allgemeinen Rahmen der
jeweiligen Ideologie einfügen, zu erreichen, ebenso wie sie
jede Methode ablehnen, die nicht mit ihrem jeweiligen
ideologischen Rahmen zu vereinbaren ist, da innerhalb jeder
Ideologie ein organischer Zusammenhang besteht. Denn das
Prinzip der Entwicklung der Produktion und der weitestgehenden
Nutzung der Natur ist jeweils ein Teil des Ganzen, der in
jeder Ideologie mit den anderen Teilen zusammenwirkt, und
entsprechend seinem Stellenwert innerhalb des ideologischen
Gebäudes und seiner Beziehung zu den anderen Elementen
modifiziert wird. So lehnt z.B. der Kapitalismus solche
Methoden der Entwicklung der Produktion und der vermehrten
Schaffung von Werten ab, die dem Prinzip der wirtschaftlichen
Freiheit widersprechen, und der Islam lehnt solche Methoden
ab, die nicht mit seinen Theorien über die Güterverteilung und
seinem Ideal von Gerechtigkeit vereinbar sind, während der
Marxismus, gemäß seiner Theorie über den deterministischen
Zusammenhang zwischen der Produktionsweise und dem System der
Güterverteilung, glaubt, dass die Ideologie sich der
Entwicklung der Produktion nicht in den Weg stellt, sondern
sich mit dieser in gleicher Richtung bewegt, was noch
ausgeführt werden wird. Auf jeden Fall werden wir bei unserer
Untersuchung der islamischen Theorie der Produktion von dem
Prinzip der Entwicklung der Produktion ausgehen, an das der
Islam glaubt, und an welchem sich zu orientieren er der
islamischen Gesellschaft auferlegt. So macht er ideologisch
die Schaffung von Werten und die weitestmögliche Nutzung der
Natur zu einem Ziel der Gemeinschaft, die in diesem Sinne ihre
Wirtschaftspolitik formuliert, welche einerseits durch den
vorgegebenen allgemein ideologischen Rahmen, und anderseits
durch die objektiven Umstände und Bedingungen bestimmt wird,
und welche der Staat innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens
durchsetzen muss.
Dieses Prinzip der Entwicklung der
Produktion können wir deutlich anhand der Praxis zur Zeit des
Islamischen Staates und der offiziellen islamischen
Anweisungen erkennen, von denen die historische Überlieferung
einen Teil bis heute bewahrt hat. Zu diesen Anweisungen
gehören die politischen Leitlinien, welche Imam Ali (a.) als
Kalif seinem Gouverneur in Ägypten, Muhammad ibn Abu Bakr,
setzte, und nach welchen zu handeln und sie wirksam werden zu
lassen er ihm auftrug. So geht es aus den “Amali“ von Scheich
Tusi hervor, dass der Kalif an Muhammad ibn Abu Bakr, als er
ihn zum Gouverneur von Ägypten berief, ein Schreiben richtete,
und befahl, es vor der Bevölkerung Ägyptens verlesen zu
lassen, und entsprechend den darin enthaltenen Anweisungen zu
handeln. In diesem Dokument schrieb der Imam (a.) wörtlich:
„Oh ihr Diener Allahs, die Frommen
erlangen das Gute im Diesseits und im Jenseits, sie haben am
diesseitigen Wohlergehen derjenigen, die nur für diese Welt
leben, Anteil, aber die letzteren haben keinen Anteil an deren
Belohnung im Jenseits. Allah erlaubt ihnen, von den Gütern
dieser Welt so viel zu besitzen, dass es sie befriedigt und
reich macht, und sprach im Qur´an:
'Wer hat etwa den Reichtum Allahs,
den er für seine Diener hervorbrachte, und die guten Dinge,
mit denen er sie versorgt, diesen verboten? Sprich: Es ist für
die Gläubigen in diesem Leben bestimmt, und ausschließlich für
sie am Tage der Auferstehung. So erläutern wir die Zeichen für
Leute, die verstehen.'
Die Frommen sollen diese Welt so
gut wie möglich bewohnen, vom Besten essen, und am
diesseitigen Wohlergehen der diesseitsbezogenen Menschen
teilhaben. Sie essen also mit ihnen von den guten Dingen, die
jene essen, trinken die guten Dinge, die jene trinken, kleiden
sich mit den besten Sachen, mit den sich jene kleiden,
bewohnen die besten der Häuser, die jene bewohnen, reiten die
besten der Tiere, auf denen jene reiten, und haben wie alle
auf dieser Welt an ihren Genüssen teil, und sind doch morgen
die Nachbarn Allahs, die ihre Wünsche an ihn richten, wobei er
ihnen gibt, was sie erwünschen, keine ihrer Anrufungen
abweist, und ihnen keinen Genuss vorenthält. Dies, oh Diener
Allahs, ersehnt sich jeder, der Verstand hat, und handelt
dafür in Gottesehrfurcht. Und es gibt keine Macht und keine
Kraft außer bei Allah.“
In diesem eindrucksvollen historischen
Schriftstück erzählt der Imam (a.) nicht von der realen Lage
der Frommen auf dieser Erde, oder von deren historischer
Realität, sondern er beabsichtigt auszudrücken, welche
Einstellungen die Frommen zum Leben haben sollen, und das
Ideal vorzugeben, das die Gemeinschaft der Frommen auf dieser
Erde verwirklichen soll. Deshalb befahl er, den Inhalt des
Schreibens zur Anwendung zu bringen, und entwarf eine Politik
im Sinne der darin enthaltenen Anweisungen und Ratschläge. Aus
dem Schreiben geht also ganz deutlich hervor, dass der
materielle Wohlstand, welcher durch die Entwicklung der
Produktion und die weitestmögliche Ausnutzung der Natur
verwirklicht wird, ein Ziel ist, das die Gemeinschaft der
Frommen anstreben soll, und zu dem sie die Weltsicht
verpflichtet, welche sich diese Gemeinschaft zu eigen macht,
und in deren Sinn sie ihr Leben gestalten. Dieses Ziel ist
gleichzeitig in einen ideologischen Rahmen gestellt und durch
die Beschränkungen der Ideologie eingegrenzt, wie es der edle
Qur´an mit den Worten feststellt:
„Oh ihr
diejenigen, die überzeugt sind, erklärt die guten Dinge, die
Allah euch zugelassen hat, nicht für verboten; doch übertretet
auch nicht. Wahrlich, Allah liebt nicht die Übertreter.“
Das Verbot der Schrankenlosigkeit im
Bereich der Nutzung und Ausbeutung der Natur ist also der
qur´anische Ausdruck jenes allgemeinen ideologischen Rahmens.