Unsere Wirtschaft

Unsere Wirtschaft / Iqtisaduna

Muhammad Baqir al-Sadr

Islamischer Standpunkt

Hingegen kann man den Standpunkt des Islam zur Produktion in den folgenden Punkten zusammenfassen:

1) Der Islam macht es der gesamtgesellschaftlichen Produktion zur verbindlichen Auflage, die Befriedigung des notwendigen Bedarfs aller einzelnen Mitglieder der Gesellschaft zu gewährleisten, indem eine hinreichende große Menge solcher Waren produziert wird, die jene vitalen Bedürfnisse befriedigen kann, so dass jeder Einzelne seinen notwendigen Bedarf erhalten kann. Und solange der Grad der Hinlänglichkeit, bzw. die untere Grenze der Produktion notwendiger Waren nicht erreicht ist, dürfen solche Energien, die dies gewährleisten könnten, nicht auf andere Bereiche der Produktion gelenkt werden. Die Bedürftigkeit selbst spielt also eine positive Rolle bei der Ausrichtung der Produktion, ungeachtet ihrer wirtschaftlichen Kraft und finanziellen Reserve.

2) Ebenso macht es der Islam der gesellschaftlichen Produktion zur Auflage, dass sie nicht zur Verschwendung führen darf, denn die Verschwendung ist nach dem islamischen Recht [scharia] verboten, gleichgültig, ob sich diese aus dem individuellen Verhalten einer Person oder aus dem kollektiven Verhalten der Gesellschaft durch die Ausrichtung der Produktion ergibt. Genauso wie es dem einzelnen verboten ist, wertvolle Parfums zu verwenden, um den Fußboden seines Hauses zu waschen, weil dies Verschwendung bedeutet, ist es daher auch der Gesellschaft oder – mit anderen Worten – den Produzenten von Parfum verboten, eine Menge davon zu produzieren, die den Bedarf der Gesellschaft und deren Verbrauchs- und Handelskapazität übersteigt, denn die Produktion dieses Überschusses wäre eine Art von Verschwendung und ungerechtfertigte Vergeudung von Kapital.

3) Der Islam gestattet es dem Imam, in die Produktion einzugreifen und zwar aus den folgenden Gründen:

Ersten: Damit der Staat die Produktion der Mindestmenge an notwendigen Gütern gewährleistet und die obere Grenze der Produktion bestimmter Waren, die nicht überschritten werden darf, festsetzt. Denn es leuchtet ein, dass das Gewährenlassen privater Produktionsunternehmen nach dem Willen ihrer Besitzer ohne zentrale Lenkung seitens der legitimen Staatsgewalt im Zeitalter der komplexen und großangelegten Produktion zu einer Unausgeglichenheit der gesamtgesellschaftlichen Produktion führt, die dann der Gefahr der Verschwendung und Übertreibung in gewissen Bereichen und der Vernachlässigung anderer Bereiche bis zu einem Produktionsrückgang unter das erforderliche Mindestmaß ausgesetzt ist. Daher muss durch Aufsicht und Lenkung gewährleistet werden, dass die gesellschaftliche Produktion beide Extreme vermeidet.

Zweitens: Damit der legislative Freiraum des Islamischen Staates entsprechend den Erfordernissen der jeweiligen Umstände ausgefüllt wird. Dieser Freiraum umfasst sämtliche Arten von Aktivitäten, die ihrer Natur nach rechtlich “indifferent“ sind, und hinsichtlich derer der verantwortliche Befehlshaber [wali-ul-amr] eingreifen und sie unter Berücksichtigung der allgemeinen Ziele der islamischen Wirtschaftsordnung einschränken darf. Wir werden in einem späteren Kapitel[1] noch ausführlicher über diesen Freiraum, seine Grenzen und seine Bedeutung sprechen. Hier beabsichtigen wir festzustellen, dass die dem verantwortlichen Befehlshaber [wali-ul-amr] zum Ausschöpfen des Freiraumes gegebene Kompetenz ihm das Recht verleiht, in den Lauf der Produktion einzugreifen, diese zu beaufsichtigen, und ihr im Rahmen des dem Staat gelassenen Freiraumes legislative Grenzen zu setzen.

Drittens: Die islamische Gesetzgebung hinsichtlich der Verteilung roher natürlicher Reichtümer ist derart, dass sie dem Staat die Möglichkeit eröffnet, einzugreifen und das ganze Wirtschaftsleben zu dominieren. Denn die diesbezügliche islamische Gesetzgebung macht die eigenhändige Ausführung der Arbeit zur grundsätzlichen Vorbedingung für die Aneignung roher natürlicher Reichtümer, bzw. für den Erwerb persönlicher Rechte daran – gemäß der in einigen an früherer Stelle angeführten Zitaten[2] enthaltenen Rechtsaussage – und das bedeutet naturgemäß, dass ein Einzelner, wie groß seine Möglichkeiten auch sein mögen, keine größeren Projekte zur Ausbeutung der Natur und deren allgemeiner Reichtümer durchführen kann, da er nur durch eigenhändige Arbeit ein Anrecht auf diese erwerben würde. Daher ist es der Gewinnung roher natürlicher Reichtümer in großem Umfang und den Förderindustrien vorbestimmt, mit Organisation seitens der legitimen Staatsgewalt durchgeführt zu werden, damit auf diese Weise großangelegte Projekte etabliert werden können, um diese Schätze zu verwenden und in den Dienst der islamischen Gemeinschaft zu stellen. Wenn der Staat die Kontrolle über die Förderindustrie und die Gewinnung von Rohstoffe ausübt, dann verfügt er über indirekte Macht über die verschiedenen produktiven Bereiche im Wirtschaftsleben, denn diese hängen im allgemeinen von den Förderindustrien und der Gewinnung von Rohstoffen ab. Damit kann der verantwortliche Befehlshaber [wali-ul-amr] indirekt auf jene verschiedenen Bereiche Einfluss nehmen, indem er die Kontrolle über die primäre und grundlegende Phase der Produktion, d.h. die Gewinnung der natürlichen Rohmaterialien, ausübt.

[1] Siehe Kapitel “Prinzip der Eingriffe des Staates“

[2] Siehe Kapitel “Theoretische Grundlage der Verteilung produzierter Güter auf die Faktoren der Produktion“.

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