Islamischer Standpunkt
Hingegen kann man den Standpunkt des
Islam zur Produktion in den folgenden Punkten zusammenfassen:
1) Der Islam macht es der
gesamtgesellschaftlichen Produktion zur verbindlichen Auflage,
die Befriedigung des notwendigen Bedarfs aller einzelnen
Mitglieder der Gesellschaft zu gewährleisten, indem eine
hinreichende große Menge solcher Waren produziert wird, die
jene vitalen Bedürfnisse befriedigen kann, so dass jeder
Einzelne seinen notwendigen Bedarf erhalten kann. Und solange
der Grad der Hinlänglichkeit, bzw. die untere Grenze der
Produktion notwendiger Waren nicht erreicht ist, dürfen solche
Energien, die dies gewährleisten könnten, nicht auf andere
Bereiche der Produktion gelenkt werden. Die Bedürftigkeit
selbst spielt also eine positive Rolle bei der Ausrichtung der
Produktion, ungeachtet ihrer wirtschaftlichen Kraft und
finanziellen Reserve.
2) Ebenso macht es der Islam der
gesellschaftlichen Produktion zur Auflage, dass sie nicht zur
Verschwendung führen darf, denn die Verschwendung ist nach dem
islamischen Recht [scharia] verboten, gleichgültig, ob
sich diese aus dem individuellen Verhalten einer Person oder
aus dem kollektiven Verhalten der Gesellschaft durch die
Ausrichtung der Produktion ergibt. Genauso wie es dem
einzelnen verboten ist, wertvolle Parfums zu verwenden, um den
Fußboden seines Hauses zu waschen, weil dies Verschwendung
bedeutet, ist es daher auch der Gesellschaft oder – mit
anderen Worten – den Produzenten von Parfum verboten, eine
Menge davon zu produzieren, die den Bedarf der Gesellschaft
und deren Verbrauchs- und Handelskapazität übersteigt, denn
die Produktion dieses Überschusses wäre eine Art von
Verschwendung und ungerechtfertigte Vergeudung von Kapital.
3) Der Islam gestattet es dem Imam, in
die Produktion einzugreifen und zwar aus den folgenden
Gründen:
Ersten: Damit der Staat die Produktion
der Mindestmenge an notwendigen Gütern gewährleistet und die
obere Grenze der Produktion bestimmter Waren, die nicht
überschritten werden darf, festsetzt. Denn es leuchtet ein,
dass das Gewährenlassen privater Produktionsunternehmen nach
dem Willen ihrer Besitzer ohne zentrale Lenkung seitens der
legitimen Staatsgewalt im Zeitalter der komplexen und
großangelegten Produktion zu einer Unausgeglichenheit der
gesamtgesellschaftlichen Produktion führt, die dann der Gefahr
der Verschwendung und Übertreibung in gewissen Bereichen und
der Vernachlässigung anderer Bereiche bis zu einem
Produktionsrückgang unter das erforderliche Mindestmaß
ausgesetzt ist. Daher muss durch Aufsicht und Lenkung
gewährleistet werden, dass die gesellschaftliche Produktion
beide Extreme vermeidet.
Zweitens: Damit der legislative Freiraum
des Islamischen Staates entsprechend den Erfordernissen der
jeweiligen Umstände ausgefüllt wird. Dieser Freiraum umfasst
sämtliche Arten von Aktivitäten, die ihrer Natur nach
rechtlich “indifferent“ sind, und hinsichtlich derer der
verantwortliche Befehlshaber
[wali-ul-amr] eingreifen und sie unter Berücksichtigung
der allgemeinen Ziele der islamischen Wirtschaftsordnung
einschränken darf. Wir werden in einem späteren Kapitel
noch ausführlicher über diesen Freiraum, seine Grenzen und
seine Bedeutung sprechen. Hier beabsichtigen wir
festzustellen, dass die dem verantwortlichen
Befehlshaber [wali-ul-amr]
zum Ausschöpfen des Freiraumes gegebene Kompetenz ihm das
Recht verleiht, in den Lauf der Produktion einzugreifen, diese
zu beaufsichtigen, und ihr im Rahmen des dem Staat gelassenen
Freiraumes legislative Grenzen zu setzen.
Drittens: Die islamische Gesetzgebung
hinsichtlich der Verteilung roher natürlicher Reichtümer ist
derart, dass sie dem Staat die Möglichkeit eröffnet,
einzugreifen und das ganze Wirtschaftsleben zu dominieren.
Denn die diesbezügliche islamische Gesetzgebung macht die
eigenhändige Ausführung der Arbeit zur grundsätzlichen
Vorbedingung für die Aneignung roher natürlicher Reichtümer,
bzw. für den Erwerb persönlicher Rechte daran – gemäß der in
einigen an früherer Stelle angeführten Zitaten
enthaltenen Rechtsaussage – und das bedeutet naturgemäß, dass
ein Einzelner, wie groß seine Möglichkeiten auch sein mögen,
keine größeren Projekte zur Ausbeutung der Natur und deren
allgemeiner Reichtümer durchführen kann, da er nur durch
eigenhändige Arbeit ein Anrecht auf diese erwerben würde.
Daher ist es der Gewinnung roher natürlicher Reichtümer in
großem Umfang und den Förderindustrien vorbestimmt, mit
Organisation seitens der legitimen Staatsgewalt durchgeführt
zu werden, damit auf diese Weise großangelegte Projekte
etabliert werden können, um diese Schätze zu verwenden und in
den Dienst der islamischen Gemeinschaft zu stellen. Wenn der
Staat die Kontrolle über die Förderindustrie und die Gewinnung
von Rohstoffe ausübt, dann verfügt er über indirekte Macht
über die verschiedenen produktiven Bereiche im
Wirtschaftsleben, denn diese hängen im allgemeinen von den
Förderindustrien und der Gewinnung von Rohstoffen ab. Damit
kann der verantwortliche
Befehlshaber [wali-ul-amr] indirekt auf jene
verschiedenen Bereiche Einfluss nehmen, indem er die Kontrolle
über die primäre und grundlegende Phase der Produktion, d.h.
die Gewinnung der natürlichen Rohmaterialien, ausübt.