Unsere Wirtschaft

Unsere Wirtschaft / Iqtisaduna

Muhammad Baqir al-Sadr

Theoretisches Prinzip bei der Aneignung beweglicher Güter

Bis jetzt haben wir unsere Erörterung hauptsächlich auf die Arbeit an natürlichen Produktionsquellen wie Land, Lagerstätten von Bodenschätzen und Wasserquellen beschränkt. Um den vollständigen Gehalt der Theorie zu erfassen, müssen wir noch die Anwendung der Theorie auf bewegliche Güter, die nicht zu den natürlichen Produktionsquellen gehören, sorgfältig untersuchen, und die Aspekte des Unterschieds zwischen diesen und den “Quellen“, sowie die theoretischen Rechtfertigungen für diese Unterscheidung herausarbeiten. Alles, was wir bisher über den Standpunkt der Theorie zu den beweglichen Reichtümern der Natur in Erfahrung gebracht haben, ist, dass die Inbesitznahme solcher Güter in der Theorie als Handlung mit wirtschaftlichem Charakter, wie andere Arbeiten der Nutzung und wirtschaftlicher Verwendung, aufgefasst wird, im Gegensatz zur Inbesitznahme natürlicher Produktionsquellen, die den Stempel der Monopolisierung und ausschließlichen Beanspruchung trägt und sich nicht durch wirtschaftliche Qualität auszeichnet. Um diesen Unterschied zwischen der Inbesitznahme natürlicher Produktionsquellen und der Inbesitznahme beweglicher Naturschätze zu belegen, haben wir die Hypothese des allein auf sich gestellten Menschen verwendet. Das Sichbemächtigen einer gewissen Menge von Wasser oder vom Holz des Waldes oder von sonst einem transportfähigen natürlichen Reichtum gilt – demzufolge – vor allem als Arbeit der Nutzung und wirtschaftlicher Verwendung. Daher wird die Inbesitznahme beweglicher Naturschätze von der Theorie gewürdigt, die nur Handlungen der Nutzung und wirtschaftlicher Verwendung mit wirtschaftlicher Qualität als Arbeit anerkannt. Aber es ist nicht allein die Arbeit der Inbesitznahme, welche die Theorie im Bereich der beweglichen Naturschätze anerkennt und würdigt. Es gibt in diesem Bereich noch eine andere Art von Arbeit, die den Arbeiten der Erschließung bei natürlichen Produktionsquellen vergleichbar ist, nämlich die Arbeit, eine Gelegenheit zur Nutzung von beweglichen natürlichen Reichtümern zu schaffen, zu deren Natur es gehört, sich ihrer Nutzung zu widersetzen. So etwa bei der Jagd von wilden Tieren, wo die Arbeit, mit der der Jäger den Widerstand des von ihm erjagten Tieres bricht, die Gelegenheit zur Nutzung dieses Tieres schafft, verhält es sich ähnlich, wie wenn ein Arbeiter die Gelegenheit zur Nutzung von Ödland schafft, indem er es urbar macht und dessen Widerstand bricht, und sich dessen Boden gefügig macht.

Die Inbesitznahme und die Arbeit zur Schaffung einer Nutzungsmöglichkeit sind zwei Arten von Handlungen, die für den Bereich der beweglichen natürlichen Reichtümer beide wirtschaftlichen Charakter haben, aber die Arbeit der Schaffung einer neuen Nutzungsmöglichkeit an den Gütern, wie etwa die Jagd, unterscheidet sich von der Inbesitznahme durch ihre positive Rolle bei der Schaffung dieser Gelegenheit, da die reine Inbesitznahme in dieser Hinsicht eine negative Rolle spielt, denn weil sie lediglich eine Handlung des Sichbemächtigens eines natürlichen Reichtums darstellt, schafft sie an diesem keine allgemeine Nutzungsmöglichkeit. Wenn man z.B. einen Stein vom öffentlichen Weg oder Wasser aus dem Brunnen in Besitz nimmt, dann schafft man an dem Stein oder an dem Wasser keine allgemeine neue Nutzungsmöglichkeit, die vorher nicht vorhanden war, denn der Stein oder das Wasser standen jedermann zur Nutzung bereit, und man hat nicht mehr geleistet, als diese Dinge in seine Gewalt zu bringen und für den eigenen Bedarf aufzuheben. Es stimmt, dass man den Stein zu seinem Haus und das Wasser in sein Gefäß transportiert, aber das schafft keine allgemeine Gelegenheit zur Nutzung an dem Gut, die vorher nicht vorhanden war, denn dieser Transport ebnet nur den Weg zur eigenen Nutzung des Steines oder des Wassers, und beseitigt in diesem Zusammenhang weder ein allgemeines Hindernis, noch modifiziert er das Gut in einer Weise, die es besser zur allgemeinen Nutzung vorbereitet oder geeignet macht, wie das der Urbarmachung von Land der Fall ist, die den Widerstand, den das Land seiner Nutzung entgegensetzt, allgemein beendet, und ihm zu einer neuen Eignung verhilft, seine allgemeine Zweckbestimmung für das Leben der Menschen zu erfüllen.

In diesem Sinne können wir die Jagd und ähnliche Arbeiten, die neue Nutzungsmöglichkeiten an beweglichen Naturschätzen schaffen, mit der Arbeit der Urbarmachung von Land vergleichen, denn sowohl die Jagd als auch die Urbarmachung schaffen eine allgemeine Gelegenheit, die vorher nicht gegeben war. Und wir können die reine Inbesitznahme beweglicher Naturschätze mit der Tätigkeit des Ackerbaus auf von Natur aus belebtem Land vergleichen, denn genauso wie bei der Bebauung des von Natur aus belebten Landes, die keine neue Nutzungsgelegenheit an dem Land schafft, aber eine Arbeit der Nutzung und Ausbeutung darstellt, verhält es sich auch bei der Inbesitznahme von Wasser aus natürlichen Quellen.[1]

Diese Unterscheidung zwischen der Inbesitznahme beweglicher natürlicher Reichtümer, und der Arbeit daran zur Schaffung einer Nutzungsmöglichkeit, wie im Falle der Jagd und ähnlicher Arbeiten, bedeutet nicht, dass diese beiden Vorgänge immer voneinander getrennt wären; denn oft ist die Inbesitznahme mit der Schaffung einer neuen Gelegenheit, das Gut zu nutzen verbunden, dann verschmelzen die Inbesitznahme und die Schaffung der neuen Möglichkeit zu einer einzigen Handlung. Ebenso können auch beide in der Praxis voneinander getrennt sein. Es gibt natürliche Reichtümer, welche sich ihrer Nutzung bis zu einem gewissen Grade widersetzen, wie etwa der Fisch im Meer, oder der Überschuss des Flusswassers, der naturgemäß weiterfließt, bis er sich letztlich in den Tiefen des Meeres verliert. Wenn also der Fischer den Widerstand des Fisches überwindet, indem er ihn dazu verleitet, in sein Netz zu gelangen, mit dem er ihn jagt, dann nimmt er ihn in ein und derselben Handlung in Besitz und schafft an ihm eine Nutzungsmöglichkeit, indem er seinen Widerstand überwindet. Ebenso gilt das Auffangen von reichlich vorhandenem Flusswasser als dessen Inbesitznahme, und schafft gleichzeitig die Gelegenheit zu dessen Nutzung, indem es verhindert, dass es in Richtung des Meeres entschwindet und sich darin verliert. Es kann auch geschehen, dass jemand eine Arbeit verrichtet, mit der er eine neue Nutzungsmöglichkeit an einem natürlichen Reichtum schafft, indem er dessen natürlichen Widerstand überwindet, ohne ihn damit schon in Besitz zu nehmen, etwa wenn ein Jäger einen Stein nach einem in der Luft kreisenden Vogel schleudert, womit er ihn flugunfähig macht und ihn dazu zwingt, an einer weit entfernten Stelle zu Boden zu gehen, wo er nur noch laufen kann wie ein Huhn. In diesem Fall wurde die neue Gelegenheit der Nutzung geschaffen, indem der Vogel erjagt und sein Widerstand durch das Werfen eines Steins nach ihm gebrochen wurde, aber der Vogel, der weit entfernt vom Jäger am Boden umherläuft, gilt nicht als in dessen Besitz und in seiner Gewalt, sondern die Inbesitznahme ist erst dann abgeschlossen, wenn ihn der Jäger verfolgt und ergriffen hat. Und der Einzelne kann Güter in Besitz nehmen, ohne eine Arbeit zu verrichten, die an diesen eine neue Nutzungsmöglichkeit schafft, nämlich wenn die Güter ihrer Natur nach zur Nutzung bereitstehen und keinen “Widerstand“ implizieren, der dem entgegensteht, wie etwa im Falle der Inbesitznahme vom Wasser der natürlichen Quellen und von Steinen, die auf dem Erdboden liegen.

Die Inbesitznahme und die Schaffung einer neuen Nutzungsgelegenheit sind also zwei Arten von Handlungen, die sowohl in ein und derselben Handlung verschmelzen, als auch voneinander getrennt sein können. Wir wollen nun die letztere Art von Handlung, d.h. diejenige, die eine neue Nutzungsgelegenheit schafft, vereinfachend als “die Jagd“ bezeichnen, denn diese stellt ein hervorragendes Beispiel einer Arbeit dar, die eine neue Gelegenheit der Nutzung an beweglichen natürlichen Reichtümern schafft. Um diese beiden Arten von Handlungen auf theoretischer Ebene zu untersuchen, werden wir sowohl die reine Inbesitznahme als auch die Jagd jeweils für sich behandeln, um die dafür zuständigen Bestimmungen, die Natur der Rechte, die aus der jeweiligen Handlung entstehen, sowie deren theoretische Grundlage herauszufinden.

[1] Man beachte, dass wir hier nicht die Inbesitznahme von jedermann zugänglichem Wasser mit der Inbesitznahme des von Natur aus belebten Landes verglichen haben, sondern mit dem Ackerbau auf solchem Land. Denn die Inbesitznahme von Land gehört – wie schon gesagt – nicht zu den Arbeiten der Nutzung und Ausbeutung, wohl aber die Inbesitznahme von Wasser, die wirtschaftlichen Charakter hat, wie der Ackerbau auf von Natur aus belebtem Land. (Fußnote des Autors)

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