Zur Zeit der Eroberung von Natur aus belebtes Land
Viele
Rechtsgelehrte sind der Meinung, dass die von Natur aus
belebten Ländereien – also auch die in diesem Zustand
eroberten Landflächen – wie Wälder und dergleichen den selben
eigentumsrechtlichen Status erhalten, wie das Ödland, das wir
soeben besprochen haben, d.h. sie halten diese allesamt für
Eigentum des Imam, und sie berufen sich dabei auf den von den
Imamen (a.) überlieferten gesetzgeberisch relevanten
Ausspruch: „Alles herrenlose Land gehört dem Imam.“
Dieser Textbeleg spricht das Eigentum an allem Land, das
keinen Besitzer hat, dem Imam zu, und die Wälder und
dergleichen gehören dazu, denn Land kann nur aufgrund eigener
Kultivierung besessen werden, aber die Wälder sind von Natur
aus belebt, ohne dass ein bestimmter Mensch jeweils daran
mitgewirkt hätte. Daher gelten sie im islamischen Recht [scharia]
als “ohne Besitzer“, vielmehr fallen sie sogar in die
Kategorie der “herrenlosen“ Ländereien, und unterliegen
folglich dem Prinzip des staatlichen Eigentums.
Gegen diese
Ansicht könnte man einwenden, dass die Anwendung des Prinzips
vom Eigentum des Staates (bzw. des Imam) auf Wälder und
dergleichen von Natur aus belebte Ländereien nur im Falle von
Wäldern, die kampflos dem
Territorium des Islam
angegliedert wurden, richtig wäre, denn nur diese seien
herrenlos. Dagegen seien diejenigen Wälder und natürlich
belebten Flächen, die gewaltsam erobert und den Händen der
Nichtmuslime entrissen wurden ... gemeinschaftliches Eigentum
aller Muslime, denn sie fielen unter die Zuständigkeit der
gesetzgeberischen Textquellen, die den Muslimen das
gemeinschaftliche Eigentum am gewaltsam eroberten Land
zusprechen. Und wenn die Wälder Kraft dieser Texte in den
Bereich des “Eigentums der Gemeinschaft“ fallen, werden sie zu
Land mit Besitzer, denn ihr Besitzer ist die gesamte Umma, und
demnach wäre es nicht gerechtfertigt, sie den herrenlosen
Ländereien zuzurechnen, von denen in dem Zitat: „Alles
herrenlose Land gehört dem Imam“, die Rede ist. Mit
anderen Worten: Die das Grundbesitzersatzabgabe-Land allgemein
betreffenden Textquellen sollen auch für das herrenlose Land
gültig sein. Diese Gültigkeit ist aber davon abhängig, dass
die Textquellen zum Grundbesitzersatzabgabe-Land „solches
mit dem Schwert eroberte Land, das sich in der Gewalt der
Nichtmuslime befand“ zum Gegenstand haben, und nicht
spezielle dasjenige eroberte Land, das Eigentum der
Nichtmuslime war, denn im letzteren Fall wären die Wälder
nicht Gegenstand der Textquellen, sondern nur im ersteren
Fall, was klar ersichtlich ist. Weiterhin hängt die Gültigkeit
noch davon ab, das die Herrenlosigkeit, die in dem Text, der
das Eigentumsrecht des Imam fordert, vorausgesetzt wird, bei
ihrem Eintreten und Andauern zu erfassen wäre.
Die explizite
Aussage derjenigen Textquellen, die das herrenlose Land zum
Eigentum des Imam erklären, ist aber, dass sie sich auf alles
Land beziehen, das naturgemäß keinen Eigentümer hat. Mithin
genügt das Nichtvorhandensein eines Eigentümers als Bedingung
dafür, dass es als Eigentum des Imam gilt. Richtig ist also,
dass das von Natur aus belebte Land Eigentum des Staates ist,
ohne Unterscheidung dessen, was gewaltsam erobert wurde, von
sonstigem Land.
Auf dieser
Grundlage kann für den Einzelnen kein persönliches Recht an
der Kontrolle über gewaltsam erobertes Land, wie Wälder oder
dergleichen, entstehen, ebenso wenig wie das persönliche Recht
an der Kontrolle über Grundbesitzersatzabgabe-Land, das durch
die der Eroberung vorausgehende Kultivierung bereits belebt
war, entsteht. Man könnte einwenden, dass von Natur aus
belebtes Land auf der Grundlage der Beschlagnahmung angeeignet
werden dürfe, in dem Sinne, dass die Beschlagnahmung bei der
von Natur aus belebtem Land die gleiche Rolle spielen würde,
wie die Urbarmachung bei von Natur aus totem Land. Diese
Auffassung, wonach durch Beschlagnahmung Eigentumsrechte
etabliert werden, stützt sich auf Überlieferungen, die
besagen, dass jemand, der etwas in Besitz nimmt,
Eigentumsrechte erlangt. Zu dieser Auffassung ist anzumerken:
·
Erstens:
Einige dieser Überlieferungen sind von fraglicher
Authentizität und daher nicht beweiskräftig, und manche
belegen diese besagte Auffassung deshalb nicht, weil sie sich
auf eine Beschreibung der Symbolkraft der Hand beziehen und
die Beschlagnahmung als äußerliche Manifestation des
Eigentumsstatus, nicht als dessen Ursache, darstellen. Und
einige stehen in speziellen Zusammenhängen, wie der Ausspruch:
„Für die Hand ist das, was sie ergreift, und für das
Auge das, was es sieht“, der sich auf die Jagd
bezieht.
·
Zweitens:
Die Überlieferungen zum Thema der Beschlagnahme, selbst wenn
sie im speziellen Fall der zur allgemeinen Nutzung
freigegebenen primären Güter, die nicht zum gesetzlichen
Eigentum einer Institution oder Einzelperson werden können,
zutreffen mögen, gelten nicht für den Fall der Wälder usw..
Somit kann angenommen werden, dass der Wald Eigentum der Umma
oder des Imam ist. Ausgehend davon müssen auf gewaltsam
eroberte Wälder und sonstige von Natur aus belebte Ländereien
die gleichen Bestimmungen angewandt werden, wie auf solches
eroberte Land, das durch vorangehende menschliche
Kultivierungsarbeit belebt war.