Musawi Lari

Westliche Zivilisation und Islam

Sayyid Mudschtaba Musawi Lari

Ins Englische übersetzt von J.F. Goulding, hiernach ins Deutsche übertragen durch R.H. Sengler

Das folgende Manuskript ist eine geringfügig überarbeitete und sprachlich verfeinerte Version der 1995 in Qum erschienenen deutschen Übersetzung.

Delmenhorst 2004

Gleichheit vor dem Gesetz

Die Gleichheit, welche an islamischen Gerichtshöfen besteht, sollte man sich in der Welt zum Vorbild nehmen. Harun-al-Raschid, Kalif der Abbassiden, musste einmal vor Gericht ein eidliches Zeugnis vor einem Richter ab­legen und sein Diener Fadhl bin Rabi’ zeugte für ihn. Der Richter weigerte sich, das Zeugnis Fadhls anzunehmen. Der Kalif forderte Auskunft, warum. Der Richter erwiderte: „Fadll selbst sagt, er ist dein Diener. Wenn er die Wahrheit spricht. so darf ein islamischer Gerichtshof kein Zeugnis eines Dieners zum Vorteil seines Herrn annehmen. Wenn er lügt, ist sein Zeug­nis aus diesem Grunde nichtig.“

Einer der nächste Abbaassidenkalifen, Mansur, mietete eine Reihe Kamele, um die Hadsch zu unternehmen. Bei seiner Rückkehr fand er viele Ausflüchte, weil er die Pacht nicht bezahlen wollte. Die Kameltreiber gingen mit dem Kalifen vor Gericht. Der Richter rief ihn auf und setzte ihn neben die Ka­meltreiber. Als er die Beweise hörte, entschied er gegen den Kalifen, und der musste den Kameltreibern, was er ihnen schuldete, zahlen, bevor er das Gericht verlassen durfte.

Dieses Soforturteil samt Vollstreckung wird von Juristen im Westen als einer der größten Vorzüge islamischen Gerichtshöfe anerkannt. Es spart eine Menge Zeit und Kosten für Kläger, Angeklagte und Richter zugleich. Dr. Gustave le Bon berichtet von einer eigenen persönlichen Erfahrung bei einer Gerichtsverhandlung in Marrakesch in Marokko, der er beiwohnte. Kläger und Angeklagten betraten mit ihren Anwälten und Untenlagen das Gericht. Der Richter trat ein. Alle erhoben sich. Unverzüglich trug jede Seite ihre Sache vor. Der Richter fasste zusammen. Das Urteil wurde gefällt. Die Strafe wurde verkündet und sofort In kraft gesetzt - zum großen Vorteil für alle Betroffenen. „Wenn nur die Gerichte im Westen mit ihren vielen Aufschüben von diesen Art und Weise, das Recht fair, rasch und wirtschaft­lich anzuwenden, lernen wollten!“ war sein Kommentar.

Wenn die streitenden Parteien alle in dem Bewusstsein sicher sind, das die Gesetze, nach denen ihre Sache entschieden werden wird, auf ewigen Grundsätzen beruhen, die Gott selbst offenbart hat, und das darum ein Mächtiger das Urteil nicht zu seinen Gunsten beugen kann, und wenn der Richter Grundsätze des Urteilens besitzt, welche ihn befähigen, objektiv und unparteiisch seine Führung unter dem Gesetz Gottes in völliger Freiheit von jedem gefühlsbetonten Vorurteil zu suchen, dann wird das Gesetz eingehalten und respektiert, Ungerechtigkeiten werden ausgeschieden, Gewissheit und Si­cherheit regieren in der Gesellschaft und ziehen Zuversicht und Vertrauen nach sich.

Das Ziel des Islam ist nicht, die Menschen niedrig, sondern sie hoch ein­zustufen zu einer Gleichheit von höchstem Niveau, wo wahre Zuneigung und echte Nächstenliebe den Ton angeben - eine Einigkeit der Herzen, die auf der Einigkeit im Glauben an den Einen Gott beruht, den der Schöpfer allen und der Richter allen ist und den keine Unterschiede zwischen diesen und je­nen Seiner Geschöpfe macht, außer solchen des Gehorsams. Das wird ganz deutlich an dem Qur’anvers 10 der Sure Hudschurat, die wir bereits zitiert haben und worin sinngemäß geschrieben steht: „Wir machten euch zu Nationen und Stämmen, damit ihr einander kennen lernet.“ In der Praxis dieses Glaubens hat sich jene wunderbare Gastfreundschaft entwickelt, welche so viele Rei­sende aus dem Westen bei den Muslimen bemerkt haben und denen Nichtvorhandensein sie bei den materialistischen Zivilisation beklagen, die sich im Abendland entwickelt hat. Ein Reisender äußerte sich so: „Im Iran erlebte ich, dass wenn ich in ein Dorf kam und schon innerhalb des Grundstücks an eine Tür klopfte, wobei ich mich als Fremder zu erkennen gab, gleichgültig wer mich durch das Gitterfenster ansprach, ich sofort die Tür geöffnet be­kam und wie jemand von der Familie willkommen geheißen wurde. Man ließ mich setzen und ein bescheidenes Mahl mit ihnen teilen, gab mir eine Strohmatratze und einen Lehaf, damit ich bequemen schliefe und ließ mich am Morgen wieder ziehen, nachdem ich mich an einem Frühstück mit süßem Tee, frisch gebackenem Brot und Sauermilch (Mast) gelabt hatte.“

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