Gleichheit vor dem Gesetz
Die Gleichheit, welche an
islamischen Gerichtshöfen besteht, sollte man sich in der Welt
zum Vorbild nehmen. Harun-al-Raschid, Kalif der Abbassiden,
musste einmal vor Gericht ein eidliches Zeugnis vor einem
Richter ablegen und sein Diener Fadhl bin Rabi’ zeugte für
ihn. Der Richter weigerte sich, das Zeugnis Fadhls anzunehmen.
Der Kalif forderte Auskunft, warum. Der Richter erwiderte:
„Fadll selbst sagt, er ist dein Diener. Wenn er die Wahrheit
spricht. so darf ein islamischer Gerichtshof kein Zeugnis
eines Dieners zum Vorteil seines Herrn annehmen. Wenn er lügt,
ist sein Zeugnis aus diesem Grunde nichtig.“
Einer der nächste Abbaassidenkalifen,
Mansur, mietete eine Reihe Kamele, um die Hadsch zu
unternehmen. Bei seiner Rückkehr fand er viele Ausflüchte,
weil er die Pacht nicht bezahlen wollte. Die Kameltreiber
gingen mit dem Kalifen vor Gericht. Der Richter rief ihn auf
und setzte ihn neben die Kameltreiber. Als er die Beweise
hörte, entschied er gegen den Kalifen, und der musste den
Kameltreibern, was er ihnen schuldete, zahlen, bevor er das
Gericht verlassen durfte.
Dieses Soforturteil samt
Vollstreckung wird von Juristen im Westen als einer der
größten Vorzüge islamischen Gerichtshöfe anerkannt. Es spart
eine Menge Zeit und Kosten für Kläger, Angeklagte und Richter
zugleich. Dr. Gustave le Bon berichtet von einer eigenen
persönlichen Erfahrung bei einer Gerichtsverhandlung in
Marrakesch in Marokko, der er beiwohnte. Kläger und
Angeklagten betraten mit ihren Anwälten und Untenlagen das
Gericht. Der Richter trat ein. Alle erhoben sich. Unverzüglich
trug jede Seite ihre Sache vor. Der Richter fasste zusammen.
Das Urteil wurde gefällt. Die Strafe wurde verkündet und
sofort In kraft gesetzt - zum großen Vorteil für alle
Betroffenen. „Wenn nur die Gerichte im Westen mit ihren
vielen Aufschüben von diesen Art und Weise, das Recht fair,
rasch und wirtschaftlich anzuwenden, lernen wollten!“ war
sein Kommentar.
Wenn die streitenden Parteien alle in
dem Bewusstsein sicher sind, das die Gesetze, nach denen ihre
Sache entschieden werden wird, auf ewigen Grundsätzen beruhen,
die Gott selbst offenbart hat, und das darum ein Mächtiger das
Urteil nicht zu seinen Gunsten beugen kann, und wenn der
Richter Grundsätze des Urteilens besitzt, welche ihn
befähigen, objektiv und unparteiisch seine Führung unter dem
Gesetz Gottes in völliger Freiheit von jedem gefühlsbetonten
Vorurteil zu suchen, dann wird das Gesetz eingehalten und
respektiert, Ungerechtigkeiten werden ausgeschieden,
Gewissheit und Sicherheit regieren in der Gesellschaft und
ziehen Zuversicht und Vertrauen nach sich.
Das Ziel des Islam ist nicht,
die Menschen niedrig, sondern sie hoch einzustufen zu einer
Gleichheit von höchstem Niveau, wo wahre Zuneigung und echte
Nächstenliebe den Ton angeben - eine Einigkeit der Herzen, die
auf der Einigkeit im Glauben an den Einen Gott beruht, den der
Schöpfer allen und der Richter allen ist und den keine
Unterschiede zwischen diesen und jenen Seiner Geschöpfe
macht, außer solchen des Gehorsams. Das wird ganz deutlich an
dem Qur’anvers 10 der Sure Hudschurat, die wir bereits zitiert
haben und worin sinngemäß geschrieben steht: „Wir machten
euch zu Nationen und Stämmen, damit ihr einander kennen
lernet.“ In der Praxis dieses Glaubens hat sich jene
wunderbare Gastfreundschaft entwickelt, welche so viele
Reisende aus dem Westen bei den Muslimen bemerkt haben und
denen Nichtvorhandensein sie bei den materialistischen
Zivilisation beklagen, die sich im Abendland entwickelt hat.
Ein Reisender äußerte sich so: „Im Iran erlebte ich, dass
wenn ich in ein Dorf kam und schon innerhalb des Grundstücks
an eine Tür klopfte, wobei ich mich als Fremder zu erkennen
gab, gleichgültig wer mich durch das Gitterfenster ansprach,
ich sofort die Tür geöffnet bekam und wie jemand von der
Familie willkommen geheißen wurde. Man ließ mich setzen und
ein bescheidenes Mahl mit ihnen teilen, gab mir eine
Strohmatratze und einen Lehaf, damit ich bequemen schliefe und
ließ mich am Morgen wieder ziehen, nachdem ich mich an einem
Frühstück mit süßem Tee, frisch gebackenem Brot und Sauermilch
(Mast) gelabt hatte.“