Musawi Lari

Westliche Zivilisation und Islam

Sayyid Mudschtaba Musawi Lari

Ins Englische übersetzt von J.F. Goulding, hiernach ins Deutsche übertragen durch R.H. Sengler

Das folgende Manuskript ist eine geringfügig überarbeitete und sprachlich verfeinerte Version der 1995 in Qum erschienenen deutschen Übersetzung.

Delmenhorst 2004

Islam und Weltfriede

Wird ein Friede von einer imperialistischen Macht auferlegt, welche die Massen für ihre eigenen Zwecke dirigiert, so ist das kein Friede. „Divide et impera“ (teile und herrsche) schafft keinen Frieden. Konferenzen, Ausschlüsse und idealistische Schlagworte erzeugen keinen Frieden. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen debattiert über Rüstungsbegrenzungen und erreicht nichts. Der Ost­block und das Lager der Kapitalisten sagen beide, sie wollten ein weltweites System, aber sie können sich über seine Form nicht einigen. Klassenkon­flikte wüten in beiden Lagern. Beide irren, wenn sie denken, die Wirtschaft sei der einzige Grund den Zwistigkeiten und wenn sie glauben, wirtschaftliche Maßnahmen genügten allein, um Konflikte auszumerzen und Frieden zuschaffen.

Für den Islam ist der Friede nur ein Ingredienz unter vielen, was ein wirksames Rezept für das menschliche Glück angeht. Die Menschen müssen die Freiheit besitzen zu denken, was sie wollen, wie sie wollen, alle Möglichkeiten abzuwägen und auch derer Durchdenken im Lichte der Vernunft sich für den besten Weg des Zusammenlebens zu entscheiden. So lautet die Vorschrift des Qur’ans, wie z. B. in Vers 256 der Sure II (Baqara „Die Kuh“: „In der Religion gibt es keinen Zwang. Die Wahrheit hebt sich klar vom Irrtum ab“, usw. oder in Sure VI: Ana’am „Das Vieh“, Vers 104: „Der Herr lässt euch Beweise zukommen. Wer Augen hat zu sehen, der sehe. Wer sehen will, tut es für seine Seele; wer es aber ablehnt, handelt gegen sich selbst. Ich bin nicht euer Polizist oder Wärter.“ Oder wiederum in Vers 22 der Sure LXXXVIII: Al-Ghaschiyya - „Die Überwältigenden Ereignisse“: „Ermahne sie! Denn du bist ja nur ihr Ermahner, nicht Überwacher!“

Überzeugung und Glaube sind Angelegenheiten des Herzens. Kein Zwang kann das Herz dazu bringen. sich zu beugen. Zwar können Erziehung, ständiges Üben, Unterweisung, Logik und Demonstration helfen. Aber was auch immer die Lippen sagen mögen, das Herz bleibt unbewegt. Selbst Galilei murmelte: „Eppure si muove“ nach seinem Widerruf! So heißt es je­denfalls. Tatsächlich widerriefen also nur seine Lippen und seine Feder.

Christliche Propagandisten verbreiten eifrig lügnerische Berichte, Mu­hammad habe seine Religion den Menschen mit dem Schwert aufgezwun­gen. Sie führen hierzu die Proklamation des Dschihad durch den Propheten und seine Vorstöße von Medina aus an. Wir haben gezeigt, wie unnichtig diese falsche Interpretation ist.

Wie steht’s denn mit ihren eigenen Religionskriegen, ihren nationalistischen, imperialistischen, ihren Eroberungskriegen? Wie steht es mit dem Druck, der die Inquisition auf Nicht-Christen und der Ketzerei verdächtigte Christen ausübte? War das besser als die Barbarei den Tartaren, den amei­senhaften Horden Dschingis Khans und Timurs?

Ein Passus des Paktes von Hudaibiyya zwischen dem Propheten und den Götzenanbetern in Mekka lautete: „Jeder Quraisch, der ohne Erlaubnis seines Oberen aus Mekka flieht, zu den Muslimen übergeht und den Islam annehmen sollte, für den ist der Prophet verpflichtet  ihn zu den Quraisch zurückzuschicken. Wenn aber jemand aus den Streitkräften der Muslime auf die Seite der Quraisch flieht, brauchen diese ihn nicht den Muslimen auszuliefern.“

Einige Muslime fühlten sich unbehaglich über diesen Passus und fragte den Propheten: „Warum müssen wir Flüchtlinge der Quraisch ausliefern während sie uns niemanden wieder auszuliefern brauchen?“

 Der Prophet erwiderte: „Jeder sogenannte Muslim, der bereit ist, das Banner des Islam für einen Götzendienst herzugeben, eine unmenschliche Religion und ein götzendienerisches Milieu der gesunden vernünftigen Luft und Religion der monotheistischen Islam vorzuziehen, beweist damit nur, das sich ihm die inneren Bezirke des Islam nie erschlossen haben und dass sein Glaube nie wirklichkeitsnah gewesen ist, als dass er seine Seele hatte sättigen können. Solche Muslime brauchen wir nicht. Umgekehrt aber sind wir ganz sicher das der Herr des Himmels Maßnahmen für die Rettung eines jeden treffen wird, den wir vielleicht den Quraisch aushändigen, wenn seine Flucht vor ihnen echt war.“

So wahr war diese Prophezeiung und so umwerfend die Reihe der Ereignisse bei den Quraisch wegen der Muslime, die man zu ihnen zurückgeschickt hatte, das die Quraisch selber voll Entsetzen sehr bald den Antrag stellten, diesen Passus zu annullieren, das sie also keine weiteren Flüchtlinge zurückgeschickt haben wollten, nur damit sie bewusste Missionen oder unbewusste Werkzeuge aus Gottes Hand in dieser Welt würden.

Der Islam verurteilt die Eroberungs- und Handelskriege der modernen Großmächte und ihr erbarmungsloses Einbeziehen Unschuldiger. Der Islam verlangt, das ethische Werte, Menschlichkeit und Achtung von den Rechten anderer, überhaupt die Unterwerfung unten das, was wahr und recht ist, das Denken und Leben der ganzen Menschheit regieren sollen und kommt immer wieder darauf zurück, dass, bevor diese Forderung erfüllt ist, die Welt nie den Weg zu Frieden und Ruhe finden kann.

Je weiter die Technologie und die materielle Seite der Kultur fortschrei­ten, je mehr man die Maxime „si vis pacem, para bellum“ zitiert als Vorwand für einen Rüstungswettlauf nicht nur dem Umfang, sondern auch der Zerstörungskraft nach, desto klarer wird die Wahrheit, das die Menschheit an einem Scheideweg steht: Massenselbstmord oder Rettung durch den Glauben, Vernichtung oder Bekenntnis zu ethischen Grundsätzen, brutale Diktatur durch einen Mann oder die barmherzige Regierung Gottes. Wenn der Mensch sich dieser Lage bewusst wird und allein die Schrecken, de­nen er entgegenblickt, öffnen ihm vielleicht die Augen so beten wir, dass das Licht seines Verstandes und die Weisheit Gottes ihn auf den guten Weg, den Weg derer, denen Gott gnädig ist, nicht auf den Weg derer, die weiterhin im Dunkeln tappen, führen wird. Es ist unsere Überzeugung. das die Menschheit diesen überlegenen Weg wählen wird.

Auf der Kette der Andehnung des Einzelnen webt der Islam den Schluss der Struktur der Gemeinschaft. Er bringt dem Menschenleben die zarten Ge­fühle der Brüderlichkeit und des Zueinandergehörens. Er zeichnet ein herr­liches Muster von langem Leiden, Sanftmut und Güte in die Herzen der Menschen und übergeht all die hässlichen Risse, Spalten und Schwächen, welche das Unrecht und das Hin- und Herzerren rivalisierender Interessen im Gewebe verursachen. Das Ergebnis ist ein harmonisches Ganzes, wie bei einem besonders schönen Teppich, wo jede Farbe, jede Struktur ganz sie selbst ist, und das Ensemble so überzeugend zusammenwirkt, das ein voll­kommenes Bild entsteht.

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