Musawi Lari

Westliche Zivilisation und Islam

Sayyid Mudschtaba Musawi Lari

Ins Englische übersetzt von J.F. Goulding, hiernach ins Deutsche übertragen durch R.H. Sengler

Das folgende Manuskript ist eine geringfügig überarbeitete und sprachlich verfeinerte Version der 1995 in Qum erschienenen deutschen Übersetzung.

Delmenhorst 2004

Und der Islam heute?

Was hat sich mit uns ereignet, den Erben einer so glanzvollen und großartigen Kultur? Was hat uns auf unsern gegenwärtigen Zustand zurückgeworfen? Warum haben wir die Führung unserer Welt an andere abgetreten? Was hat der Niedergang in unserer Kultur, in unseren Wissenschaft und unserer politischen Macht verursacht? Was hat unser Vorwärtsschreiten in ihren Spuren aufgehalten? Warum haben wir unsere führende Rolle in Handwerk und Wissenschaft an die Abendländer abgetreten, so das wir heute die brauchen, die uns einmal selbst brauchten? Warum müssen wir Muslime mit unseren glänzenden Vergangenheit in Ost und West unsere Köpfe in den modernen Welt hängen lassen?

Nicht weil wir unser eigenes Lob gesungen oder die Trommel für uns ge­rührt haben, hat der Islam einmal die Welt angeführt. Es war unsere Kul­tur, unsere außergewöhnlich Revolution des Geistes und der Gesellschaft. Schande über uns, das wir unsere Kraft in Streitigkeiten unter uns selbst, in mörderischem Tauziehen vergeuden und damit unsere glorreiche Einigkeit auf leeres Phonem reduziert haben.

Eine starke Nation kann nur auf feste Grundsätze der Sitte, Moral und Ordnung gegründet werden, den einzigen Garanten des Fortschnitts. Der Islam verdankte seine Kraft niemals irgendwelchen Kanonen, Panzern, überhaupt Waffen, sondern den denkerischen Überlegenheit seiner geistlichen Elite, seinen charaktervollen Völkern, dem Gehorsam gegenüber der Führung Gottes auf dem guten Weg (wofür wir die 1. Sure des Korans 17 mal am Tag beten), dem Weg des Rechts, der Gemeinschaft, der Brüderlichkeit.

Die Geschichte beweist unmissverständlich: Immer wenn die Muslime ihre Lebensanschauung auf dem Geiste der Lehren, die ihnen vom Himmel eröffnet wurden, aufbauten, konnten sie gedeihen; und immer wenn sie von diesen Lehren abwichen, haben Missgeschick und Unglück sie heimge­sucht. Die Muslime, welche die glanzvolle Kultur und die soziale Wohlfahrt der Vergangenheit begründeten, haben diese Lehren genauer befolgt als wir es tun, individuell, sozial und national gleichermaßen.

Die Sonne der Kultur schien, solange der Wissenschaft, dem Denker, der Materie und dem Geist richtiges Maß und Verhalten zuteil wurde. Als wir dem untreu wurden, entglitt das Banner des strebenden Bemühens, des Fleißes und des Kampfes für das Recht unseren Händen, nur damit der Westen, sich selbst erhöhend, es an sich reißen konnte.

Wo sind die alte Offenheit, Geradheit, Ehrlichkeit und Wahrheitsliebe der Muslime geblieben? Sie waren einst unsere Schutzwehren auf beiden Seiten unseres Weges. Als wir sie außer acht ließen, verloren wir uns in der pfadlosen Wüste und ließen die heilige Berufung fallen, die uns als Gottes Zielsetzung für uns verkündet war, nämlich die Menschheit nach Gottes Willen zu führen. Als wir das, was uns bestimmt war, aufgaben, versanken wir in den Flugsand der Korruption, Unwissenheit und Erbärmlichkeit, wel­cher uns heute begräbt. Aber ein wirklich geeinigter Islam könnte zu dieser himmlischen Berufung zurückfinden und die Menschheit auf den Weg der Spiritualität hinführen. Das wäre ein Segen für uns alle.

Napoleons Begleiter während seiner Verbannung auf St. Helena schrieb: „In Ägypten wiederholte Napoleon ständig seine Verblüffung über die Seg­nungen, welche der Prophet des Islam und seine anderen großen Männer im Lauf der Geschichte anderen Ländern gebracht hatten, über die sie die Herr­schaft errangen. Er schaute hoffnungsvoll auf den Islam als die Kraft, die der Welt noch einmal solche Segnungen schenken könnte und sagte sogar: „Ich denke, ich werde noch zum Islam konvertieren“.

Eine wahre islamische Gemeinschaft würde sehr verschieden sein von je­der, die irgendwo in der Welt besteht. Ihr Denken und ihr Leben muss erneut die vom Himmel kommenden Grundsätze ihrer Anfangszeit verkörpern. Wie der Dichter sagte:

„Des Islams reine Wahrheit ist von Fleck und Tadel frei.

Die Muslime tadle für die Fehler, die du siehst.“

Um seinen vollen Anteil an jener moralischen und geistigen Revolution zu erhalten, welche die ganze Welt erreichen muss, hat sich der Islam an den globalen Realitäten von heute zu orientieren. Sodann muss er jene innere Reformen in Angriff nehmen, welche den Wiedergutmachung für vergangene Rückständigkeit dienen werden. Er muss die geistlichen und materiellen Voraussetzungen dafür im richtigen Verhältnis abwägen und zwar in Übereinstimmung mit jenen Prinzipien den Vollkommenheit, welche seine ruhmvolle Vergangenheit geformt haben und die vom Herrn beider Welten diktiert sind, dieser und den nächsten. Dann wird er nicht nur seine eigene innere Beständigkeit finden, sondern auch das Geheimnis der Beständigkeit für die Welt und den Weg, ihn der ganzen Menschheit zu vermitteln.

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