Die fundamentalistische Hochzeit
Die
Ehe im Islam ist eigentlich ein Thema, welches mehrere Bücher
füllen würde, und es ist hier nicht der passende Ort, um alle
Aspekte einer islamischen Heirat und das gemeinsame Leben
danach aufzuführen. Etwas mehr zum Thema haben inzwischen
unsere Ehefrauen in ihrem gemeinsamen Buch
erwähnt. Allerdings möchte ich auch hier kurz auf den
grundsätzlichen Unterschied zu der Vorstellung einer üblichen
Ehe in Deutschland zu sprechen kommen.
Die im
Islam für jeden Menschen gewünschte wahre und für die Ewigkeit
gedachte Ehe wird durch ein Versprechen zweier Menschen, Mann
und Frau, vor Gott vollzogen. Es braucht eigentlich niemand
dabei zu sein. Alleine das Versprechen der beiden Ehepartner
vor Gott ist ausreichend. Allerdings ist es auch für die
Gemeinschaft von Bedeutung und schön, daran beteiligt zu
werden und dieses Versprechen in einem festlichen Rahmen vor
einem Geistlichen auszusprechen, aber es ist keine Pflicht.
Die “moscheeliche“ Heirat ist somit sehr gut mit der
kirchlichen Heirat zu vergleichen, mit dem Unterschied, dass
die islamische Ehe nicht mit dem Tod scheidet, sondern für die
Ewigkeit angestrebt wird, welche die Seelen gemeinsam
durchleben wollen. Genau aus diesem Aspekt ist eine rein
standesamtliche Heirat aus islamischer Sicht also “nur“ eine
Verbindung des irdischen Menschen, aber nicht der Seelen, und
somit keine Heirat für die Ewigkeit. Daher haben mein Bruder
und ich bei unseren Bekannten, die auch kirchlich geheiratet
haben, dies voller Freude unterstützt.
Irgendwann sollte es auch uns “erwischen“, und der Ältere hat
den Vortritt:
Mein
Studium verlief nach einem sehr schweren Vordiplom
erfolgreich, und zum Ende meines Studiums schenkte mir Gott
das größte Geschenk meines Lebens: Ich fand die andere Hälfte
unserer gemeinsamen Seele, meine liebe Ehefrau. Wir waren auf
einer Tagung deutschsprachiger Muslime im Oktober 1984 im
Islamischen Zentrum München. Das Thema war “Der Islamische
Staat“.
Dort traf die
Ehefrau von Mohammad-Ali Ramin, Sousan, eine deutsche Muslima,
bei der sie sofort an mich dachte. Diese war von sich aus
durch Überzeugung zum Islam übergetreten und trug auch von
sich aus die islamische Kleidung der Frau. Meine Clausthaler
Glaubensgeschwister dachten, dass sie vom Alter, Intellekt und
der Lebenseinstellung optimal zu mir passen könnte. Daher
luden die Ramins sie an einem Wochenende nach
Clausthal-Zellerfeld ein.
Da sie gerade eine
Ausbildung zum gehobenen Dienst im Zollbereich im südlichen
Sigmaringen absolvierte, konnte sie nur ein kurzes Wochenende
in Clausthal-Zellerfeld verbringen. Unter einem Vorwand (ich
sollte eine Videoanlage installieren) und ohne jegliches
Wissen über den Gast wurde auch ich in das Haus “gelockt“.
Dort lernten wir einander erstmalig kennen.
Nach diesem ersten
Kennenlernen im Viererkreis fragte der Hausherr mich und die
Hausfrau den Gast jeweils getrennt, ob wir weiteres Interesse
am gegenseitigen Kennenlernen hätten. Da wir offenbar beide
bejahten, wurde eine Ferienwoche in den Weihnachtsferien
vereinbart, in der wir durch sehr viele endlose Gespräche, bei
denen wir immer wieder auch von den Gastgebern allein gelassen
wurden, unsere enge Verbindung zueinander feststellten.
Damals, bei den vielen Spaziergängen im kalten Schnee des
Harzes, merkte ich, wie eine Wärme in mir wie die Knospe einer
jungen Blüte entflammte, die immer weiter wachsen könnte und
immer schöner werden sollte. Es war extrem anders, als das
ungestüme und unbeständige “Verliebtsein“ während der
Schulzeit. Es war eine Basis, welche mir die große Hoffnung
gab, dass eine tiefe und feste Beziehung innigster Liebe für
die Ewigkeit geschlossen werden könnte – mit der Erlaubnis
Gottes.
Am Ende der Woche
fragte ich sie, ob sie meine Ehefrau werden wollte.
Glücklicherweise bejahte sie das. Vor der Hochzeit wollte ich
neben dem Einverständnis meiner eigenen Eltern auch das ihrer
Eltern einholen, was zunächst schwer schien. Denn meine
zukünftige Frau – die getaufte Elke nannte sich inzwischen
“Fatima“ – war von zu Hause ausgezogen, da ihr Kopftuch nicht
so ohne weiteres mit der Position ihres Vaters, einem
Bürgermeister einer kleinen Gemeinde, vereinbar war. Mit einer
Art “Bewerbungsschreiben“ kündigte ich mich an, und meine
akademische Laufbahn wie mein Auftreten ebnete mir dann – Gott
sei Dank – den Weg, dass auch ihre Eltern einwilligten.
Zwei Monate danach
gaben wir uns im Islamischen Zentrum Hamburg im Angesicht
Gottes das gegenseitige Versprechen unter der Aufsicht des
damals obersten schiitischen Geistlichen Deutschlands
und zogen nach einer kleinen Feier bei meinen Eltern in
Hamburg am Abend in meiner Studentenbude in
Clausthal-Zellerfeld zusammen. Weitere zwei Monate später
folgte das Standesamt. Selbstverständlich sah ich meine Frau
ohne Kopftuch erstmalig nach der Eheschließung. Heute ist es
23 Jahre her, und es waren die wunderbarsten 23 Jahre meines
bisherigen Lebens! Wer hier aber glaubt, dass das eine “sehr
schnelle“ Entscheidung zur Eheschließung war, der lese erst
noch die ZDF-verwickelte Eheschließung meines Bruders.
Der gelehrte
iranische Bruder Mohammad-Ali Ramin, der eine so große Rolle
in meinem Leben gespielt hat, ist nach seinem Studium mit
seiner Familie in den Iran zurückgekehrt und ist inzwischen
ein erfolgreicher Journalist, Fernsehmoderator,
Lehrbeauftragter an der Teheraner Universität, anerkannter
Politanalyst des Landes und Regierungsberater. Wir stehen
immer noch im direkten Kontakt zueinander.
Großes Aufsehen
erregte er mit seiner Organisation “The Future World“ (die
zukünftige Welt) und dessen erster im Iran viel beachteter
Veranstaltung an der Universität Teheran mit dem Titel: “The
World after the USA (die Welt nach den USA)“, was u.a. Prof.
Udo Steinbach in Deutschland “Bauchschmerzen“ verursachte,
aber dazu später mehr. Ein Mal im Jahr kam er auf unsere
Einladung hin zu der von uns veranstalteten “Islamischen
Tagung deutschsprachiger Muslime“ nach Deutschland, bis ihm
eines Jahres die Einreise verboten wurde.
So engagierte er
sich immer mehr im Iran, auch mit Bezug zu Deutschland, und
war (erst nach dem Einreiseverbot) maßgeblich an der
Initiierung und Organisation der sogenannten
Holocaust-Konferenz in Teheran beteiligt, an der Experten aus
aller Welt, darunter auch viele jüdische Geistliche, über den
heutigen wie einstmaligen Missbrauch der Erinnerung an die
Nazi-Verbrechen diskutierten. Dabei wurde auch die Frage
aufgeworfen, was denn die Palästinenser mit den Verbrechen
Hitlers zu tun hätten, dass sie dafür bestraft wurden.
Unsere erste Reise
in die Islamische Republik Iran mit unserem neugeborenen
ersten Sohn Huseyin während Saddams Krieg gegen den Iran im
Jahr 1987 und die sich daraus entwickelnde Liebe zum späteren
Geistigen Oberhaupt Imam Chamene´i, dem Nachfolger Imam
Chomeinis, habe ich bereits in einem gesonderten Buch
ausführlich beschrieben. Eine ganze Reihe weiterer Reisen,
davon einige zusammen mit meinem Bruder, vertieften unsere
Kenntnisse über dieses faszinierende Land mit der jüngsten
Bevölkerung der Welt. Damals lernte ich u.a. die Redaktion der
deutschsprachigen Abteilung der “Stimme der Islamischen
Republik Iran“ kennen. Daraus entstanden die späteren
Telefoninterviews, die ich regelmäßig für den Sender als
“Experte“ aus Deutschland zu aktuellen für Muslime in
Deutschland relevanten Themen gebe.