Die Sonderstellung Israels
In
dem Vorläuferbuch haben wir an dieser Stelle eine ausführliche
Auflistung der Aspekte dargelegt, welche die Sonderstellung
Israels bezüglich Gründung, Kriegsführung, Rassismus und
Menschenrechtsverletzungen dokumentieren. Es ist aber
festzustellen, dass solch eine Auflistung den Rahmen eines
solchen Buches bei weitem sprengt. Zudem wurde alles, was wir
an Vorwürfen nennen könnten, durch das Massaker an der
unschuldigen Zivilbevölkerung des Gaza Anfang 2009
übertroffen. Israel hat sich selbst entlarvt und – einmal
abgesehen von den sich dem Zionismus verschriebenen Politikern
und ihren Hofjournalisten – kann kein vernünftiger Mensche auf
Erden nachvollziehen, warum eine der größten
Militärstreitkräfte der Welt über 1000 schutzlose Zivilisten
ermorden muss, um sich angeblich vor einigen “Terroristen“,
wie sie es nennen, zu schützen.
Muslime
empfinden in der Existenz dieses sich selbst als “Judenstaat“
bezeichnenden Gebildes die Ursache für den Unfrieden und die
andauernde Unterdrückung und Besatzung in der Region. Denn in
einem “Judenstaat“ sind Nichtjuden keine gleichberechtigten
Bürger. Nichtjuden waren aber bis zu ihrer Vertreibung in der
Mehrheit in der Region, in der inzwischen so viele Kriege so
viel Leid auf allen Seiten bewirkt hat.
Den
Muslimen sind sehr viele Aspekte bekannt, die von der
westlichen Welt ausschließlich Israel zugebilligt werden (wie
z.B. die Nutzung von Atomenergie ohne jegliche Kontrollen) und
jene doppelten Standards werden auch immer sehr intensiv
wahrgenommen. Aber nicht die Menschenrechts- und
Völkerrechtsverbrechen Israels werden in der deutschen Politik
verurteilt, sondern die Tatsache, dass Muslime sie klar und
unverblümt ansprechen. Dabei werden sie von vielen Menschen
jüdischen Glaubens selbst meist noch viel deutlicher
ausgesprochen. Die größten öffentlichen Kritiker israelischer
Besatzungspolitik sind heute zumeist Israelis selbst! Und
viele von ihnen haben sich auch im Muslim-Markt geäußert.
Hingegen ist es in Deutschland verpönt, diese Dinge all zu
deutlich auszusprechen, da es fast immer gleich mit der
Antisemitismus-Keule belegt wird. Aber Muslime haben kein
antisemitisches Erbe, Muslime sind allein schon durch ihre
eigene Religion verpflichtet, Menschen jüdischen Glaubens in
jeder Hinsicht zu schützen!
Es sei
an dieser Stelle erwähnt, dass jedem aufrichtigen Beobachter
auch klar ist, dass es ebenfalls israelisches Leid gibt, wenn
auch in erheblich geringeren Maß. Aber es wäre grob
fahrlässig, Ursache und Wirkung zu vertauschen, wie es einige
deutsche Politiker gerne tun, oder beides gleich zu stellen,
denn das würde letztendlich zu noch mehr Leid auf allen Seiten
auch in Zukunft führen! Ursache ist und bleibt die Besatzung!
Viele
deutsche unschuldige Zivilisten sind im zweiten Weltkrieg
gestorben, auch in Lokalen oder auf der Straße aufgrund des
Widerstandes der jeweils besetzten Bevölkerungen! Als
Frankreich Algerien in der Kolonialzeit besetzte, wurden viele
Franzosen, darunter Zivilisten und ihre Kinder in die Luft
gesprengt, aber wer war Schuld, die Attentäter, die versuchten
einen Weg aus der Unterdrückung zu finden oder die
französischen Besatzer? Ist diese Frage wirklich so schwer zu
beantworten?
Es heißt immer, dass es
keinerlei Rechtfertigung für die Attentate der Palästinenser
gegen israelische Zivilisten geben könne! Diese Aussage
erscheint allein betrachtet nachvollziehbar, aber warum gibt
es denn eine Rechtfertigung für 60 Jahre Besatzung und die
Ermordung von zehn Mal so vielen Menschen in nur den letzten
acht Jahren? Was ist das für eine Logik, die uns da abverlangt
wird? "Wir werden nicht zögern, unsere Feinde überall und
mit allen Mitteln zu bekämpfen", sagte Scharon,
und seine Nachfolger tun genau das, wie man zuletzt im
Libanon-Krieg 2006 und Gaza-Krieg 2009 miterleben konnte.
Gleichzeitig verlangt der Besatzer aber auch die
Bundsregierung, dass die Besetzten nicht “jedes Mittel“ des
Widerstandes, sondern – wenn überhaupt – nur friedliche
gewaltfreie Mittel einsetzen. Aber ist das nicht der Wunsch
eines jeden Besatzers und seiner Verbündeten? Und weist nicht
bereits die Präambel der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte der Vereinten Nationen (UN) darauf hin,
„die Menschenrechte durch die
Herrschaft des Rechtes zu schützen, damit der Mensch nicht
gezwungen wird, als letztes Mittel zum Aufstand gegen Tyrannei
und Unterdrückung zu greifen“?
Allein die Situation beim letzten Gaza-Massaker Anfang 2009
sprach Bände. Die Situation war so eindeutig und so grausam,
dass sie sämtliche öffentlich-rechtlichen Medien in keiner
einzigen Diskussionsrunde an das Thema herantrauten, so lange
das Abschlachten – anders kann man das nicht nennen – anhielt.
Der bei
der ganzen Diskussion wohl unverständlichste Aspekt für
Muslime ist, wie es sein kann, dass selbst die Hilferufe der
palästinensischen Christen keinerlei Wirkung bei ihren
Glaubensgeschwistern in der westlichen Welt zur Folge haben!
Und mindestens genauso unverständlich ist es, dass hohe
Vertreter deutscher Politik diesbezüglich im privaten Kreis
ganz andere Dinge sagen als in der Öffentlichkeit.
Gleich
mehrere Male hatte ich die Gelegenheit, unsere Position
hinsichtlich Israels im privaten Rahmen mit Vertretern der
deutschen Politik zu erörtern, die aus verständlichen Gründen
nicht genannt werden wollen. Die oben genannten Fakten und
noch viel mehr waren diesen Leuten allesamt bekannt und
brauchten nicht aufgezählt zu werden. So ging es bei den
Diskussionen immer nur um die mögliche Zukunft und die
mögliche Ein- oder Zweistaatenlösung. Ich habe dann
unmissverständlich klargelegt, dass ich einen Staat, bestehend
aus einem Gaza-Streifen und einigen zusammengeschusterten
Flecken im Westjordanland für nicht geburtsfähig, geschweige
denn für überlebensfähig halte. Zu meinem Erstaunen habe ich
noch keinen einzigen deutschen Politiker getroffen, der im
privaten Kreis dieser Tatsache widersprochen hätte. Immer hieß
es sinngemäß: „Herr Dr. Özoguz, halten Sie uns für so naiv?
Das wissen wir doch auch! Aber was können wir schon machen?“
Nein, für naiv halte ich solche deutschen Politiker nicht,
aber für hilflos und teilweise feige, wenn es um die Wahrheit
geht!
Gleich mehrere dieser Leute haben mir
dann allen Ernstes angeboten, falls ich einmal Schwierigkeiten
bekommen sollte, für mich auszusagen, dass ich kein
“Extremist“ sei. Wie sehr nagt die Mitschuld an der eigenen
Seele, dass man nach Ausflüchten sucht?
Ist es denn wirklich
schwer sich in die Lage eines palästinensischen Kindes zu
versetzen? Es sieht und spürt jeden Tag, wie sein Land
enteignet wird und seine Verwandten und Bekannten verhaftet
oder auf grausamste Weise getötet werden; jeden Tag und
unabhängig davon, ob die westliche Presse darüber berichtet
oder nicht. Demokratische Mittel werden durch ein einfaches
VETO der USA schon im Ansatz blockiert. Sein Hilferuf an die
Welt wird mit weiterer finanzieller Hilfe für Israel
beantwortet. Was soll dieser junge Mensch machen? Welche
Alternativen hat dieses Kind? Was würden Sie in seiner
verzweifelten Lage tun? Kann sich denn niemand in der
westlichen Welt vorstellen, welchen Hass das Gaza-Massaker
Anfang 2009 aufgebaut hat?
Da scheinbar die
Politiker dieser Welt seit über 60 Jahren nicht gewillt oder
nicht befähigt sind, dieses Unrecht zu beseitigen, sondern das
Unrecht durch finanzielle Hilfe noch vergrößern, haben wir
uns, wie schon erwähnt, entschlossen, durch einen friedlichen
Boykottaufruf, zumindest das Unrecht nicht weiter zu fördern.
Und allein dieser Aufruf zum Boykott Israels wird wiederum mit
der Antisemitismus-Keule belegt. Dabei rufen wir doch gar
nicht zum Boykott von Juden auf. Diejenigen aber, die
sämtliche Juden der Welt für die Verbrechen Israels
vereinnahmen und beides gleich stellen, das sind die wahren
Antisemiten. Die berechtigte Sorge der Menschen hier, dass,
wenn es so weiter geht, die ganze Welt in ein Chaos stürzen
könnte, kann sicherlich nicht dadurch gemildert werden, dass
die Menschen weiterhin mit ihrem Geld die unglaubliche
Unterdrückung von Menschen durch Israel unterstützen.
Eines der wichtigsten
Aspekte bei der Beseitigung der offiziellen Apartheid in
Südafrika war das weltweite Wissen über die Geschehnisse dort.
Hätte die Presse damals häufiger berichtet und die Menschen in
dessen logischer Folge die mit Südafrika kooperierenden Firmen
früher boykottiert, hätten viel weniger Menschen leiden oder
gar sterben müssen. So hat es längere Zeit gedauert, mehr
Menschen sind gestorben, aber überlebt hat diese rassistische
Staatsform dennoch nicht. Auch Israel wird diese Art Rassismus
nicht überleben. Die Dauer des Mordens und Enteignens hängt
auch von den Menschen in Deutschland und Europa ab.