Gedichte im Islam

An Selma

von Muhammad Schams ad-Din (Hafiz) aus seinen Ghaselen, übersetzt von Friedrich von Bodenstedt 1877

O Morgenwind, wehest Du von hinnen,
verweile beim Araxesbord,
Und küss den Staub der Talessohle
und atme Moschusdüfte dort!

Denn dort wohnt Selma, meine Liebe,
die ganze Sehnsucht meiner Seele,
Umlärmt von Karawanenglocken
und von den Treibern der Kamele.

Erst küsse grüßend ihre Sänfte,
dann zärtlich bring' ihr diese Botschaft:
Mein Herz, vor Trennungsweh verglühend,
fleht dass sie Hülfe meiner Not schafft.

Mich, dem sonst Worte der Ermahnung
stets nur wie Eiterklänge schwanden,
Zaust nun die Trennung bei den Ohren
und die Geduld kommt mir abhanden.

Durchschwärme furchtlos Deine Nächte,
denn in der Stadt der Liebe macht
Sich leicht Bekanntschaft mit den Wächtern
der Liebe, so sie selber wacht.

Die Liebe ist kein eitles Spielen,
denn Herz und Kopf steht auf dem Spiele,
Und nicht allein mit heißem Drange
gelangt das glüh'nde Herz zum Ziele.

Doch glüht ein Herz von wahrer Liebe,
bringt selbst es sich zum Opfer gern,
Und nur ein Herz das kalt und nüchtern,
hält sich von jedem Opfer fern.

Sieh, während auf dem Zuckerrohre
die Papagei'n sich fröhlich wiegen:
Wie schagen hoffnungslos die Pfötchen
sich über's Haupt die armen Fliegen!

O, ließ an Hafis seine Liebe
bald einen Liebesgruß ergehn,
Er könnte selbst von seinem König
sich keine größ're Gunst erstehn.

 

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