Gedichte im Islam

Gestern zechend

von Muhammad Schams ad-Din (Hafiz) aus seinem Divan, übersetzt von Georg Jacob

Gestern zechend, traumverloren,
hörte ich es pochen leis:
Klopfend an der Schenke Toren
standen – Engel still im Kreis.

Unsers Vaters Adam Asche
taten sie in den Pokal,
Ihr vermählend aus der Flasche
edlen Weines Purpurstrahl.

Huldvoll bot der gotterkornen
lichten Welten sel'ge Schar
Mir, dem niedern Staubgebornen,
den gefüllten Becher dar.

Fassen können Himmelshallen
nicht der Liebe Herrlichkeit,
Und mir ist das Los gefallen,
das mich ihrem Dienst geweiht!

Auf die Kunde von dem Bunde
mit der Gnadensonne Glanz
Schlingen jubelnd in der Runde
Huris den berauschten Tanz.

Soll im Leben nie berühren
eitles Streben diese Brust,
Während Adam hie verführen
konnte eines Apfels Lust?

Zweiundsiebzig Glaubenslehren
klauben Worte leer und tot;
Ihnen tagt, sie zu bekehren,
nie der Wahrheit Morgenrot.

Flamme mag ich das nicht nennen,
was auf Kerzen freundlich blinkt;
Flamme ist ein lodernd Brennen,
das den Tod dem Falter bringt.

Bräuten in der Locken Ranken,
denen Schleier, leicht und licht,
Halb nur hüllen den Gedanken,
gleicht, o Hafis, dein Gedicht.

© seit 2006 - m-haditec GmbH - info@eslam.de