Gedichte im Islam

Magiertempeln

von Muhammad Schams ad-Din (Hafiz) aus seinen Ghaselen, übersetzt von Friedrich von Bodenstedt 1877

In allen Magiertempeln lebt
kein Mann aus Rand und Band gleich mir:
Für roten Wein hab' ich versetzt
die Bücher dort, die Kutte hier.

Mein Herz – das Spiegelglas des Herrn –
ward blind, weil ganz mit Staub bedeckt;
O, sende Gott mir doch den Freund,
der mich zu rechter Einsicht weckt!

Aus meinem Aug' auf mein Gewand
herab stoß eine Tränenflut,
Auf der Geliebten Gegenwart
hofft' ich umsonst in Sehnsuchtsglut.

O, bringe mir das Schiff des Weins!
denn auf der Liebe Unglücksbahn
Ward jeder Winkel meines Aug's
zu einem Gramesozean.

An schönen Mädchen hängt mein Herz,
darum von allem And'ren schweigt:
Nur ihren Reizen ist mein Sinn
und gutem Weine zugeneigt.

Ich hört' ein allerliebstes Lied
bei Flötenhauch und Paukenschlag:
Es sang's vor einer Schenke Tor
ein Christensohn am frühen Tag:

Lebt so der gläubige Muselmann
wie Hafis lebt und trinkt und liebt,
Dann Weh ihm, wenn es nach dem Heut
Ein Morgen der Vergeltung gibt!

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