Gedichte im Islam
Ghaselen
von Dschalaleddin Rumi

Ghaselen des Dschelal-eddin Rumi Goetheanum Bücherei. Der kommende Tag A.G. Verlag, Stuttgart, 1916

Übertragung aus dem Englischen
übersetzt von Joseph von Hammer

Andere Teile des Buches siehe:
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Aus den Ghaselen  - übersetzt von Friedrich Rückert

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Aus den Ghaselen - übersetzt von Karl Thylmann

O Liebende, o Liebende, anheute sind so wir auch ihr
Hinabgestürzt in tiefen Abgrund, wer erkennt uns ferner noch?
Well Weltenstrom hochflutend wogt, gehn Wogen den Kamelen gleich.
Meervögel quält dann Sorge nicht, was leiden man manch Kind der Luft.
Mein Angesicht ist hochentflammt, ich kenne Meer und Wasserschwall;
So wie der Fisch neu atmet auf in Sündflut und in Meeressturm.

***

Frühling bis du Seele mein, du erneu nun diese Welt,
Wiesen frisch nun wider auf, Lusthalme mach mit Rosen neu!
Rosen sind voll Schönheit, und der Vogel weiß nun Lieder schön.
Ohne Ostwind ist die Luft tot, mach den Ostwind wieder neu!
Die Zypress und Lilie streckt nun voll von Freiheit aus die Zunge.
Hyazinth mit Tulpen kost nun, Treue mach du wider neu!
Die Platan schlägt Pauken, und die Pinie schlägt mit Händen Takt.
Turteltaub girrt süßes Lied, Attars Gedicht macht wider neu!
Sieh, wie Rosensträuche aufstehn, und vie Veilchenbusch sich neigt!
Rebenlaub fällt ganz zur Erde, mach Gebet nun wider neu!
Rose wünscht sich nichts als Ruhestand, schlecht gesinnt wünscht Dorn nur Krieg.
Stehe auf Amik! Und Asras Zeiten mach du wider neu!
Donnerwort schallt, Wolken gießen Moschus auf die Erde aus.
Rosenhain wasch dir's Gesicht, wasch Fuß und Kopf, mach alles neu!
Heimlich kommt Narziss zum Bülbül, sendet heimlich süßen Blick.
Mastix mach durch ausgepichte Flöten Lieb und Tonkunst neu!
Chisers Kleid, die grüne flur, spricht laut: Steh früh im Frühling auf!
Blumen gleich mach jetzt der Heiligen Geheimnis wieder neu!
Diese Dreiblatt, diese Lilie und Jasmin sie sprechen all:
Sie im Stillsein Alchymie, an Alchymie nun wider neu!

***

Welch eine Werkstatt hast im Herzen?
Welch ein Abgott trägst im Herzen?
Es kam der Lenz, die Zeit der Saaten,
Wer weiß, was du gebierst im Herzen?
Der Allmachtsschleier, der das Äußre
Verhüllt, ist aufgedeckt im Herzen;
Der Fuß des Suchers weilt im Schlamme,
Allein sein Kopf ist frei im Herzen
Wenn Herz nicht höher wär als Himmel,
So stände nicht der Mond im Herzen,
und wär das Herz nicht eine Hauptstadt,
so thronte nicht der Herr im Herzen.
Es ist ein wunderbar Gehölze,
Denn Königsjagd ergeht im Herzen.
Der Herzens Meer schlägt tausend Wogen,
Und Perlen findest du im Herzen.
Ich schwieg, es fasse nicht Gedanke
Der Herzens Bild in meinem Herzen.

***

Funkelndes Licht wie Neumond, sag, wo ist der Mond und wo bist du?
Mondgesicht hat solchen Glanz, solchen verklärten Schimmer nicht.
Alles verliebt sich in den Mond, aber der Mond ist Sklave dir,
Seufzend aus Gram, aufstöhnend laut, liebesverwirrt, o Gott, o Gott!
Sonne und Mond, sie beten den Schimmer der Wangen an als Glut!
Jeglichesmal, wenn dein Phantom Sonne und Mond vorübergeht.
Dich zu verehren kam der Mond gestern daher anbetungsweis,
Liebende Eifersucht erscholl hallenden Rufs; O geh und komm!
Wandle umher auf Erden, dass Seelen entblühen lieblich hier,
Engel den Kopf vom Himmelsdach neigen zur Erde aus Begier.
wenn vom Gesicht ein einziger Blitz springet hervor als Himmelslicht,
Leget das Herz die Hand aufs Aug, es zu bewahren vor Unheil.
Aller Geruch der Herzensflur, alle Gestalt des Frühlingsmonds,
Alles verschwand seit gestern, wo du dich getrennt hast von mir.

***

Wie das Kamel zieht mich der Freund wieder beim Strick zu sich zurück.
Trunkenes Kamel, an welchem Strick ziehet es dich zu sich zurück?
Er, der die Wolken als Kamelreihen der Himmels ordnet an,
Der, als der Schenke, Wüstenstein Quellen und Teiche schenket ein.
Hört wie der Donner Pauke schlägt! Ganzes und teil sind Lebens voll,
Selbst in das Mark des Astes dringt Rosengeruch und Frühlingsduft.
Er, der ins Korn den Keim zur Frucht heimlicherweise gelegen hat,
Ziehet den Baum der Herzgeheimnisse zum Lichte auch empor.
Frühlingsgewand vermindert im rauschigen Dunst der Gartenflur,
Wenn auch der Gram noch gestern zum Dienste des Weins gezogen hat.

***

Sei rein von Sinn, und werde Staub,
Dass deinem Staub entsprosse Gras.
Bist du dann Heu, verbrenn dich selbst,
Dass deiner Glut entstrahle Glanz;
und bist du dann verbrannter Staub,
ist Deine Asch der Weisen Stein,
Schau die verborgene Alchymie,
Die ich aus bloßem Staub erschuf,
Die mit der See das Land geschmückt,
Und mit dem schwarzen Rauch die Luft,
Die Seelen nährt durch Ein Stück Brot,
Durch Einen Hauch den Leib belebt.
Gib deinen Geist für solches Gras,
Zur Großmut wird die Armut so.
Sie Seel ist voll von seiner Macht,
Entführe selbst die Seele dir!
Genug des Worts, nun schweig ich still,
Denn mehr als Wort ist Schweigen wert.

***

Ein Gottesmann ist trunken ohne Wein,
Ein Gottesmann ist ohne Braten satt
Ein Gottesmann braucht Schlaf und Essen nicht,
Ein Gottesmann ist nicht aus wind und Staub,
Ein Gottesmann ist ist nicht aus Flut und Glut.
Ein Gottesmann ist in der Kutte Fürst
Ein Gottesmann ist in den Trümmern Schatz,
Ein Gottesmann ist des Gehorsams Tempel,
Ein Gottesmann ist guter Werke Bürge
Ein Gottesmann ist im Unglauben gläubig,
Ein Gottesmann ist Fehl und Tugend gleich,
Ein Gottesmann ist selbst gelehrt in Gott,
Ein Gottesmann ist nicht ein Schriftgelehrter,
Ein Gottesmann ist unbegrenztes Meer,
Ein Gottesmann ist Regen ohne Wolke,
Ein Gottesmann ist tief versteckt, o Schems!
Den Gottesmann du such und finde ihn!

***

Schlaf nicht, Gastfreund, diese Nacht,
Du bist Geist und wir sind krank,
Diese Nacht.

Jag den Schlaf aus deinem Auge,
Das Geheimnis werde klar,
Diese Nacht.

du bist Jupiter am Himmel,
Kreisend an dem Hochgewölb,
Diese Nacht

Jagt den Adler in der Höhe,
Wie die Seele von Dschafer,
Diese Nacht.

Gott sei Dank! Sie schlafen Alle,
Ich und Gott nur sind allein,
Diese Nacht.

Welch Getümmel! Glück ist wach,
Und die Wahrheit beständig,
Diese Nacht.

Schlief das Auge bis zum Morgen,
Würd ich meinem Auge zürnen,
Diese Nacht

Wenn der Marktplatz leer ist, schau
Auf zum Markt der Sternenstraße,
Diese Nacht.

Unsre Nacht ist hell von Sternen,
Die uns in das Auge leuchten,
Diese Nacht.

Löw und Stier und Widder strahlen,
und es trägt Merkur der Turban,
Diese Nacht.

Seinen Groll verbirgt Saturnus,
Jupiter wird Goldstücke aus,
Diese Nacht.

Schweigend band ich meine Zunge,
Doch ich rede ohne Zunge,
Diese Nacht.

***

Der Schöne, sag, wo ist er?
Der hohe Cedernbaum,
Wo ist er?
jetzt, wo die Kerze leuchtet,
Wo ist er ohne uns?
Wo ist er?
Am Wege frag die Hüter,
Wo der Geliebte ist.
Wo ist er?
Im Weinberg frag die Wächter:
Wo ist der Schönen Fürst?
Wo ist er?
Ich strich durch alle Felder,
Wo ist mein Lieblingshirsch?
Wo ist er?
Um Mitternacht erzittr ich,
Wo ist er allein verweilt?
Wo ist er?
Die Augen sind nun Ströme,
Die Perle welches Meers?
Wo ist er?
Ich frag Mond und Sterne:
Wo ist er ohne mich?
Wo ist er?
Nun ist es bei den andren,
Und ist er nicht mit mir?
Wo ist er?
O sage, Schems Tebrisi!
Als Sonne weißt du es,
Wo ist er?

***

Die eifrig hin zur Kaaba pilgern,
Wenn sie ans Ziel gekommen sind,
Sie sehn ein hohes Haus von Stein,
In einem Tale ohne Saat.
Sie gingen hin um Gott zu sehn,
Sie suchten, fanden ihn doch nicht.
Nachdem sie lang das Haus umkreist,
Scholl eine Stimme so daraus:
"Was betet ihr Steine an?
Sicht nicht das wahre Gotteshaus?
Das Haus des Herzens, Haus der Wahrheit!
Wohl dem, der eingeht in dies Haus!
Wohl denen, die wie Schems Tebrisi,
Die Wüsten meidend sind zu Haus."

***

Das Fest ist gekommen, das fest ist gekommen, das Glück ist gekommen!
Du nimm dir die Trommel und schlage darauf, denn der Mond ist gekommen!
Das fest ist gekommen, o höre, Verliebter, das Lärmen der Sphären!
Vom obersten throne des Himmels ist nun der Vertraute gekommen!
Das Fest ist gekommen, ihr Sucher des Weges, ihr Sänger, ihr Tänzer!
Das Lusthaus der Schönen ist nun aus dem ewigen Lusthaus gekommen.
Wohl hundert der Weisen, sind nun auf einmal zu nassen geworden,
Weil solche Gestalt, die noch keiner gesehn und gehöre, gekommen.
Duc zaubrische Kräfte berauscht Er Propheten, als wären sie trunken,
Den Stahl und das Eisen verkehrt Er in Wachs, wie zur Hand es gekommen.
Erheb dich! und geh auf den Platz in die Kreise lebendger Gesichter
Entgegen dem lieblichen Gaste, der weisesten Wegs gekommen.
Nun freue ich fröhlichen Herzens und heiteren, freien Mutes!
Ein einziges Körnlein gesäet, es bachte wohl hundertmal Frucht dir.
Nun schließe die Lippen und schlage den Körper und schweige wie Lilien!
O schweige geduldig! Das Schloss der Geduld ist vom Himmel gekommen.

***

Froh und lachend kommt der Frühling.
Auf in den Garten! Nun ist's Zeit!
Zeit der Wollust, zeit der Freude,
Zeit der Lust, der Wangenflur!
Grün die Erde, Tage glänzend,
Schau des Schöpfers Wunderwerk.
Heute wacht, wer gestern schlief,
Lebend sind, die waren tot.
Erde schlief den Winterrausch,
Schmückt sich nun mit Blumen aus.
Gras und Blätter sind betrunken,
Kannen trägt ein jeder Ast.
Licht wie Eden sind die Fluren,
Und die Wüsten Paradies.
Lieblinge und Bräute sind
Trunken, unbeständig, irr,
Ohne Geldbuß, ohne Strafe,
Streun sie Silber aus und Gold.
Freudetrunken sind die Zweige
Der Cypresse und des Ahorns.
Lilien ziehen Degen aus.
Um den Frost hinan zu halten.
Rosen reiten stolz auf Stengeln,
Und Jasminen gehn zu Fuß.
Veilchen tragen Trauerkleider,
Weil von Rosen sie getrennt.
Über Spuren und Nichtspuren
Ist das Herz gedankenvoll.
Auf der Zunge sitzt das Wort,
Doch die Scham hält es zurück.
Kräuter schlingen sich um Dornen,
Um zu saugen Rosenwasser.
Lotusblumen sind erblasset,
Weil den Rosen Dornen nahen.
Diese Eifersucht sei Bespiel
Dir, der eifersüchtig liebst.
Gegen die Narzisse wandte
Sich mit Fragen Hyanzinth.
Frag nicht, sprach sie, mich um Kunde,
Denn von Sinnen bin ich ganz.
Auch von Trauben frag nicht Kundschaft,
Si sind trunken Tag und Nacht.
Feuernelken, Anemonen,
Stehn auf Fluren und an Ufern.
Störche bringen Vögeln Botschaft;
Preisend Gott den Herrn des Lichts.
Erd und Himmel, Tier und Engel,
Alle Du, und Du ihr Helfer.
Warum girren Turteltauben?
Weil den Freund der Schleier deckt.
Wiedhopf brachte eine Botschaft
Von dem Herrn der andern Welt.
Tausendfach klagend sitzen
Nachtigallen auf dem Ast.
Mundrubinen, Onyxwein,
Frischer Liebling, neuer braut!
Wo sind Rosen, deren Banden
Nimmer ic entfliehen mag?
Tauben fliegen hin und wieder
Bloß aus Hoffnung auf Genuß.
Weil der Schah zurückgekommen
Jagt der Falke Rebhuhn wieder.
Papageien suche Zucker
Süßen Lippen bloß zu Liebe.
Seltene Geheimnisse
Hör, Verstand, und tausend tönen.
Nachtigall und Turteltaube
singen: Welt ist nicht beständig.
Heut stirbt dieser, morgen jener;
Froh benütz Gelegenheit;
Denn jetzt ist der Augenblick,
Auf der Erde gut zu handeln.
gehe nun auf Flur und Gärten!
Warum meidest du den Frühling?
Lebe froh zur Zeit der Wollust,
Nimm das Glas, den nicht des Rausches.
Werde froh der schönen Tage
Auf den Bergen, auf dem Felde
Gottes Huld hat viel Schätze
In der Welt nun aufgetan.
Sammle dich, zertreu dich wieder,
Denn Geheimnisse sind kund.
Saat der Guten und des Bösen
Wird erstehn am jüngsten Rag.
Einem ist ein Wink genug;
Der für Tausend nicht genügt.
Vom Verborgnen kam der Frühling
Wie vom Samenkorn die Frucht,
Unsre Datteln, unsere Feigen,
Unsre Aprikosen iß!
Bald verkehrt in Herbst sich Frühling,
nimm dir nun des Lebens Teil,
gib das Herz der Welt nicht hin,
Sie ist treulos, unbeständig.
Jetzt solang die Lust dir lächelt,
Trink und schlaf und küß, genieße!
Dies ist Rat der liebenden,
Nimm von Herz und Seel ihn an.
Schweige still, denn schweigend tut dir
Das Geheimnis kund der Lenz.

***

Bald bin ich rein, bald bin ich trüb,
Bald bin ich weiß, bald bin ich schwarz,
Dieses und jenes ist gut.

Ich bin die Sonn, ich bin Simurg,
Ich bin das Siegel, Salomons,
Dieses und jenes ist gut.

So Staub als Wind, so flut wie Glut,
Bald bin ich gut und bald nicht gut,
Dieses und jenes ist gut.

Bald bin ich Licht und finster bald,
Bald bin ich hart, bald weich wie Wachs,
Dieses und jenes ist gut.

Das Jahr, der Mond, der Tag, das Fest,
Die Kerze, so erhellt die Seelen,
Dieses und jenes ist gut.

Stets andrer Farb und andren Orts,
Bin ich ein andrer jede Stund,
Dieses und jenes ist gut.

Die Fahn und Trommel mein Geleit,
Schlag ich im Himmel auf mein Zelt,
Dieses und jenes ist gut.

Der Mensch ist mir ein totes Tier,
So Diw als Engel sind mit Tier,
Dieses und jenes ist gut.

Huris, Peris gehorchen mir
Und werden von mir ausgezankt,
Dieses und jenes ist gut.

Es gibt euch Kunde, was da ist,
Ich bin es, der den Herrn sucht,
Dieses und jenes ist gut.

Ich sagte dies im Sonnenglanze,
Erhellet bald, verfinstert bald,
Dieses und jenes ist gut.

***

Ich bin der Mond des siebenten Himmels,
ich bin das Licht des höchsten Throns,
Sei wachsam Jüngling!

Im Leib sind Herz und Seel verborgen
In Leib und Seel ist meine Huld,
Sei wachsam Jüngling!

Ich geh und bleibe, wie Rubinen,
In Ruhe, in Bewegung bald,
Sei wachsam Jüngling!

Ich bin der Seele Strom, und spiegle
Viel Bilder ohne Spur zurück,
Sei wachsam Jüngling!

Es sei die Welt mir immer Feind,
Mich schützt vor ihr der Liebe Hut,
Sei wachsam Jüngling!

Sie schließt das herz, bewahrt die Seele,
Ich bin der Dolmetscher dieses Mondes,
Sei wachsam Jüngling!

Sein Angesicht ist mein Altar,
Und sein Geruch mein Rosenbeet,
Sei wachsam Jüngling!

Es sprach das Kind dir ohne Zunge:
Ich bin wie Mond und Sonne klar,
Sei wachsam Jüngling!

***

Vom Tode ich die Nachricht ewiger Liebe,
Vom Weine Gottes, der den Tod ertränkt in Liebe.

Des Daseins Nabel riß ich durch die Kraft der Liebe,
Am Tag des Fests gebar als Mutter mich die Liebe.

O frag die Liebe: wie entgehet man der Liebe?
Ein ring ohn Anfang ohne Ende ist die Liebe

Es malen sich Gestalten auf dem Flor der Liebe,
Von dem Widerschein erglänzt der Flor der Liebe.

Gib deinen Leib wie Gold dem Schmerz nicht, nur der Liebe!
Denn Staub ist Gold, das nicht verwendet wird auf Liebe

Ich sage dir, warum das Meer die Wogen schlaget:
Es tanzt im Glanz des Lichts vom Edelstein der Liebe.

Ich sage dir, warum aus Ton Huris geformt sind:
Weil er durchduftet ward vom Ambrahauch der Liebe,

Ich sage dir, warum der Himmel immer kreiset:
Weil er bewegt wird vom Sternenglanz der Liebe.

Ich sage dir, warum der Wind bläst Stoß auf Stoß:
Daß er die Flut in Blätter trenne für die Liebe.

Ich sage dir, warum die Nach umhängt en Schleier:
Weil sie damit bedeckt das Brautgezelt der Liebe.

***

O komme, komm! Du bist die Seele, Seel des Reigens,
O komm! Du bist der Cederstamm im Hain des Reigens.
O komm! Denn keiner war wie du und wird nicht sein,
O komm! Denn Glichen sah noch nie das Aug des Reigens.
O komm! Es fließt der Sonnenquell in deinem Schatten,
Und tausend Morgensterne tanzten dir den Reigen.
Mit hundert Rednerzungen preiset dich der Reigen,
Ich will nur ein paar Worte sagen von dem Reigen,
Du trittst, aus beiden Welten tretend, in den Reigen,
Denn über beide Welten ist die Welt des Reigens.
Zwar war ich wohl hoch das Dach des siebenten der Himmel,
Darüber reicht hinaus die Leiter des Reigens.
Was soll ich tun, wenn mich ergreift die Lieb beim Nacken,
Wie den Gefährten ich ergreife in dem Reigen!
Das Sonnenstäubchen, wenn erfüllt vom Glanz der Sonne,
Beginnt zu tanzen dann mit Schweigen seinen Reigen.
O komm! Dies ist ein Bild der Liebe, Schems Tebrisi!
Zurück bleibt in der Liebe, wer nicht tanzt den Reigen.

***

Heut ist der Tag der Lust, das Jahr der Rose,
Es geht uns wohl, und wohl ergeh's der Rose!
Der Rose half das Rosenbeet des Freundes,
Damit man nimmer seh den Untergang der Rose
Es acht der Hain, Nacissen sind betrunken,
Vom Schönheitsaufruhr und vom Glanz der Rose.
Der Lilie Zunge sagt ins Ohr Cypressen
Geheimnisse der Nachtigall und Rose.
Die Rose hält in unserm Haus den Becher
Durchwürzet vom Genuß des Dufts der Rose.
Die Welt umfasset nicht das Bild der Rose,
Die Phantasie umfasset nicht die Rose.
Die Rose ist ein Bot' vom Seelengarten,
Und ein Beleg der Schönheit ist die Rose.
Prophetenschweiß steht auf der Ros in Perlen,
Aus Neumonden ein Vollmond ist die Rose.
Ein neues Leben wird den Geist beschwingen,
So oft er riecht den süßen Duft der Rose.
Wie Abraham Vögel durch den Hauch die Rose.
Wie Abraham Vögel durch Hauch belebte,
Erstehet auf des Frühlings Hauch die Rose.
Sei still und schließ den Mund wie Rosenknospen,
Verstohlnes Lächeln streue, wie die Rose.

***

So lange die Sonne nicht aufschlägt das Lichtzelt,
Sind alle Tagesvögel noch verwirret.
Ein Sonnenblick ruft nun hervor die Tulpen,
Verderben ist es jetzt zu Haus zu sitzen.
Das Sonnenschwert vergießt das blut der Dämmerung,
Mit Recht das Blut von tausend Morgenröten.
Verliebter! Schau mit offnem Aug zum Himmel,
Den Vollmond siehst Du dort, in mir den Neumond.
Der Schenke reicht das Glas der ewgen Dauer,
Ich blähe mich durch seine Huld wie Flaschen.
Das Aug voll Schlaf sprach ich: Es ist nun Nacht
Er sprach: Vor meinem Augsicht unmöglich.
Solang es graut, ist zweifelhaft der Morgen;
Doch Mittags zweifelt niemand mehr am Tage.
O schaue schnell der Seelensonn ins Antlitz,
Schaue weg von mir, daß du die Schönheit schauest.
Die Sonnenscheibe zeigt dir Schems Tebrisi
Im vollen Glanz; o gute Vorbedeutung!

***

Gestern schlug ich noch der Herrschaft Puake,
Schlug das Zelt auf an dem höchsten Thron,
Trank im Himmel reinen Wein der Einheit
Gottes, aus der Hand der Herzgeleibten.
So betrunken, daß von Trennungsgluten
Ich der reinen Geister Zell ansteckte;
Als mir Wein und Gla und Schenke eins war,
Trat ich Gauern und Moslimen nieder.
Wieder war ich trinken und von Sinnen,
Salomonen gleich das Herz beherrschend.
Ich beschritt wie Er des Ostwinds Flügel,
Maßte mir die Weltenherrschaft an.
Dieses Glück kam mir von Schems Tebrisi,
Falle deshalb sinnenlos zu Boden.

***

Was ist zu tun, ihr Moslimin, ich kenn mich nicht!
Ich bin nicht Christ, nicht Jud, nicht Parse nicht Moslim.
Vom Ost und Westen nicht, vom Land der Meere nicht,
Nicht aus den Reichen der Natur, vom Himmel nicht.
Aus Hind und China nicht, nicht aus der Bulagarei;
Nicht aus Irak, noch aus den Städten Chorassans.
Ich bin nicht Wasser, und nicht Staub, nicht Wind, nicht Feuer,
Vom Höchsten und vom Tiefsten nicht, vom Sein und Werde.
Von beiden WElten nicht, kein Sohn von Adam,
Von höll und Himmel nicht, und nicht vom paradies.
Er ist der Erste, Letzte, Äußre, Innre,
Ich kenne nicht als ihn Jahu! Jahu! Menhu!
Ich schaute auf, und sah in beiden Welten Eines,
Nur Eines seh ich, eines such ich, Eines weiß ich.
Mein Ort ist ohne Raum, mein Zeichen ohne Spur,
Es ist nicht Seel, nicht Leib, ich bin der Seelen Seele.
Wenn ohne Dich ich einen einzgen Tag verlebte,
So reuet mich dies Leben einer einzgen Stunde.
Wenn eines Tags der Freund die Hand mir einsam reichet,
Tret ich die Welten unterm Fuß, tu auf die Hände,
O Schems Tebrisi! So bin ich berauscht allhier,
Daß außer Trunkenheit kein Mittel übrig bleibt.

***

Morgen ist's! Stehe geschwind auf, o Jüngling!
Packe zusammen, komm zur Karawane.
Siehe! Sie geht schon, indessen du schläfst,
dir nur zum Schaden, dir nur zu Leide.
Bringe das Leben in Qualen nicht hin,
Daß ein beständiger Jüngling du blühest.
Wenn du das Böse der Seele getötet.
Bist du ein Kämpe, ein Kämpe, ein Kämp!
Wenn dir das Beten, das Fasten gefällt,
Setz in den siebenten Himmel den Fuß.
Reinige dich als ein Stäubchen der Tür,
Sei nicht so stolz bei der Liebenden Reigen.
Wenn du den Reigen der Liebenden schmähest,
Sammelst du über dein Haupt das Gericht.
Bist du von Schemset Tebrisi ein Diener,
Schlage die Pauke und lobe den Herrn.

***

Du, dessen Lust die Welt verkehrt,
Des Zucker mir versüßt das Leben,
Min Schoß ist voll von Edelsteinen;
Um sie zu streun vor deine Füße.
Die Seelen der Verliebten wälzen
Wie Ströme sich zu deinem Meere.
O Seelenwein der Liebenden!
Das Heut wird wüste durch dein Morgen
Als eine Perl erblickt ich dich;
Der Mond ist deine Zauberei.
Verzeih! Dass ich dich nannte Mond;
Er kann sich nicht vergleichen dir.
Es saget Schems Tebrisi so:
Die Stadt ist von von deinem Aufruhr.

***

Die Rose wiederkehrt ins Rosenbeet, du gehst,
Ich bin bei dir und wenn auch ohne mich du gehst.
Mit hundert Zungen sprechen Lilien dein Lob;
Schön ist's, mein Rosenflor, daß du zu Lilien gehst.
Du teilest aus den Weinrubin an Trunkene,
Schön ist es, daß du Wein zu spenden fröhlich gehst.
Wie Sterne sind versammelt in dem Haus die Schönen,
Indeß du wie der Mond in ihrer Mitte gehst.
Weil du gesonnen bist, Paläste zu verbrennen,
Mit einem Herzen hat wie Stein und Stahl du gehst.
O mein Sonn! Ich tanz vor die wie Sonnenstäubchen,
So oft  du meinethalben an das Fenster gehst.

***

O Lenz grün und frisch und froh gekommen!
O Silberbusiger bist froh gekommen!
Hast Aufruhr in den Seelen angefacht,
O Seelenleben du bist froh gekommen!
Du wirfst in das Gehirn von Mann und Weib
Viel tausend Schelmerein, bist froh gekommen!
O setz den Fuß im Finstren auf die Sonne,
Als Mond und Sonne bis du froh gekommen,
Von deinem Antlitz ist o Schems Tebrisi,
Berauscht die Welt, weil du so froh gekommen!

***

Wer weiß vom Maler du, Gemäld,
Und von der Seele Form?
Was weißt du?

Du hörtest von Wahrsagerei,
Doch vom Geheimnisse
Was weißt du?

Du kennst den Unglauben nicht,
Von wahrer Glaubenslehr
Was weißt du?

Sitz nicht mit Dornen in dem Fuß
Von grünem Gartenflor
Was weißt du?

Den Regen schätzt der grüne Baum,
Vom Regen, Trockener,
Was weißt du?

Du sprachst zwar von dem und dem,
Doch von Vergangenem
Was weißt du?

Versenkt in Seelengruben schweig,
Vom Grübchen jenes Kinns
Was weißt du?

Wie Raben fliegst du auf den Markt,
Vom Zelte des Sultans
Was weißt du?

Das Dasein gab ein Tropfe dir,
Vom Weltenmond, o Tropf,
Was weißt du?

Ein Wächter ist gesetzt dem Tier,
Von deinem Wächter, Tier,
Was weißt du?

***

ich bin der Sklav des höchsten Herrn,
Bin selber höchster Herr der Welt,
Und seit sein Antlitz ich gesehen,
Bin in Erstaunen ich versenkt.
Denn ich war Er, und Er war Ich,
Und Seel und Herz sind Leib geworden;
Nun ich verbunden mit ihm,
weshalb klag und seufze ich!

***

Ich bin der Falk der Geisterwelt,
Dem höchsten Himmelsthron entfloh'n,
Der aus Begierde nach der Jagd
Gefallen ist in irdische Form
Vom Berge Kaf bin ich Simurg,
Den Netz des Seins gefangen hält;
Vom Paradies bin ich der Pfau,
Der seinem Nest entflohen ist.

***

O Pilgervolk, wo seid ihr, wo?
Mein Freund ist hier, kommt her, kommt her!
Was soll der Freund, wenn nicht demütig,
Wenn Nächte lang nicht kommt der Freund!
Wenn er das Haar küßt, zürne nicht,
Was soll der Narr, der Ketten scheut!

***

Der Reigen ist die Seelenruh Verliebter,
Das weiß nur, wer beseelet ist von Seele;
Es drehen sich die Tanzenden im Kreise,
und in der Mitte stehet ihre Kaaba.
Dies ist vollkommne Liebe, dies Vollendung,
Vernunft ist Schattenbild, ja Schattenbild.
Dies ist der Schönheit Blick, ja Schönheit selber;
Dies Lichtgenuß, ja höchster der Genüsse;
Wenn dich der Sklav nicht kennt, o Schah! so sende
Des Blickes Pfeil wohin du immer willst.
Tatst du auf dich und Andere Verzicht,
So sitz allein und schlag des Himmels Pauke.

***

Steh auf! Denn diese Welt gehört heut uns.
Die Weltenseel ist Schenk und unser Gast;
Der Mond, die Morgensterne schlagen Laute,
Der Seele Nachtigall ist rosentrunken.

***

Kamm, du bist der Geist des Reigens,
Ceder in dem Hain des Reigens,
Sonnen Ruhn in deinem Schatten,
Sterne tanzen deinen Reigen.

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