Gedichte im Islam
Der Malerwettstreit

von Dschalaleddin Rumi

Es sprachen die Chinesen: «Wir sind die besten Maler!»
Die Byzantiner sagten: «Wir sind noch größre Meister!»
Der Sultan sprach: «Ich möchte die Sache gerne prüfen,
wer von euch beiden wohl der größte Künstler ist.»
Die Griechen und Chinesen, sie disputierten nun.
die Griechen zogen sich aus dem Disput zurück.
Es sagten die Chinesen: «Gebt uns nun einen Raum,
für uns, und einen andern für euch dann, ganz allein!»
Die beiden Räume waren durch eine Tür getrennt,
der dort für die Chinesen, der für die Griechen hier.
Und hunderte von Farben erbaten die Chinesen - .
Der König ließ vom Schatzhaus all diese Farben bringen,
und jeden Morgen kamen vom Schatzhaus neue Farben,
die er als Rationen an die Chinesen gab.
Die Griechen aber sagten: «Nicht Farbe und nicht Lack -
die Sache wird sich regeln, wenn man den Rost entfernt!»
Sie wirkten und polierten und schafften Tag und Nacht.
Die Wände wurden glänzend und rein und einfach klar.

Ein Weg führt von den Farben zu Farbenlosigkeit:
Die Farbe gleicht der Wolke, Farblosigkeit: ein Mond.
Was immer in den Wolken an Farbe, Licht du siehst -
es kommt nur von der Sonne, von Sternen und vom Mond.

Als die Chinesen-Maler vollendet nun ihr Werk.
da schlugen sie die Trommel vor Stolz und Freude laut.
Den Raum betrat der König und sah die Bilder dort -
es raubte den Verstand ihm die Schönheit, die ersah.
Dann ging zur andern Seite er zu den Griechen hin -
da hob der eine Grieche - den Trennungsvorhang auf.
Der Widerschein der Bilder, der Werke voller Kunst
traf auf die reinen Wände und glänzte leuchtend auf.
Was immer dort er schaute - er sah es hier sogleich -
Ihm fielen fast die Augen vor Staunen aus dein Kopf! -

Die Griechen sind die Sufis - o wisse, Vater, das!
Ganz ohne Buch und Lernen, ganz ohne Studium:
doch haben sie die Herzen, die Brust poliert ganz rein
von Gier und Geiz und Selbstsucht, von niedrem Hail und Zorn.
Der reine Spiegel ist ja, ganz zweifellos das Herz
das ungezählte Bilder in sich empfangen kann...
Die, welche es polieren, sind frei von Färb' und Duft,
in jedem Augenblicke erblicken Schönheit sie.
Sie ließen Bild und Hülle, die äußre Wissenschaft,
so hissten sie die Fahnen der «ganz gewissen Schau».

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