Rolle des Menschen in der Gestaltung seiner Zukunft
Die Geschöpfe der Welt teilen sich in
zwei Gruppen, in lebendige und leblose. Leblose Geschöpfe, wie
Wasser, Feuer, Gestein und Erde haben keinen Anteil an ihrer
eigenen Bildung und Entwicklung. Sie werden unter dem Einfluss
externer Faktoren gebildet und erreichen eventuell durch deren
Einfluss eine gewisse Vervollständigung. Bei diesen leblosen
Geschöpfen werden also keine Aktivitäten in Richtung eigener
Bildung und Entwicklung beobachtet.
Im Gegensatz zu leblosen Geschöpfen
können bei lebendigen Geschöpfen, wie Pflanzen, Tieren und
Menschen, eine Reihe von Aktivitäten zum Selbstschutz und zur
Verteidigung gegen Schaden und auch bei der Absorption von
Stoffen (z.B. durch Nahrungsaufnahme) sowie eigener
Reproduktion beobachtet werden. In Pflanzen gibt es eine Serie
natürlicher Kräfte, die bei ihrer zukünftigen Bildung wirksam
sind. In ihnen gibt es Kräfte, die Stoffe aus dem Boden und
der Luft absorbieren und diese dadurch die Pflanze wachsen
lassen und ihr die Möglichkeit zur Reproduktion geben. In
Tieren existieren ebenfalls alle diese eben genannten Kräfte
und zusätzlich noch eine Reihe von Wahrnehmungsfähigkeiten,
wie z.B. der Sehsinn, Gehörsinn, Tastsinn usw. und instinktive
Kräfte sowie die bereits erwähnten Bedürfnisse. Das Tier
schützt sich einerseits durch diese Kräfte vor Schaden, und
andererseits sorgt es dadurch für sein eigenes Wachstum und
die Erhaltung seiner eigenen Art, wenn auch instinktiv.
Was den Menschen betrifft, existieren in
ihm prinzipiell alle natürlichen, instinktiven Kräfte und
Wahrnehmungsfähigkeiten, die auch in Pflanzen und Tieren
vorhanden sind. Außerdem gibt es in ihm eine Reihe
zusätzlicher Bedürfnisse, die bereits früher erwähnt wurden,
und eine außergewöhnliche Verstandes- und Willenskraft, durch
die er sein zukünftiges Schicksal in hohem Maße bestimmen
kann. Somit wählt und bildet jeder Mensch selbst seine
Zukunft.
Zusammenfassend wollen wir aus dem
Vorangegangenen festhalten:
 | Gegenstände haben keinen Einfluss auf
ihre Entwicklung. |
 | Pflanzen tragen selbst zu ihrer
Entwicklung bei, aber nicht etwa in bewusster Form, sondern
aufgrund ihrer inneren Beschaffenheit. |
 | Tiere nehmen bewusst, aber nicht aus
freiem Willen, an ihrer Entwicklung teil. Mit gewisser
Selbstkenntnis, der Kenntnis über ihre Umwelt und unter dem
Einfluss ihrer Instinkte, richten sie sich ihr Leben ein. |
 | Der Mensch nimmt aktiv an der
Gestaltung seiner Zukunft teil. Er ist sich dabei seiner
selbst und seiner Umwelt bewusst und kann sich mit Hilfe
seines Geistes und dank seiner Willenskraft seine Zukunft
ganz nach eigenem Gutdünken gestalten. |
Im Vergleich zum Tier verfügt der Mensch
über einen ausgedehnten Wirkungskreis, was in Bezug auf seine
Zukunftspläne auf Folgendes zurückzuführen ist:
Seine Bedürfnisse unterscheiden sich, wie
bereits im Abschnitt "Mensch und Tier" des ersten Teils des
Buches behandelt worden ist, sowohl quantitativ als auch
qualitativ von denen eines Tieres. Allein der Mensch besitzt
die Fähigkeit zur Selbsterziehung. Auch wenn andere Lebewesen
unter gewissen Umständen erzogen bzw. umerzogen werden können,
so geschieht das im Falle eines Tieres nicht auf Initiative
des Tieres, sondern infolge direkten Eingriffs von Seiten des
Menschen; außerdem kann in jedem Fall eine Umerziehung in nur
geringem Umfange vorgenommen werden.
Nun birgt der Mensch ein Potential an
Veranlagungen und Neigungen in sich; er wird aber im Vergleich
zum Tier, das von Geburt an bestimmte Wesenszüge aufzuweisen
hat, quasi “neutral“ mit nur wenigen unabänderbaren
charakterlichen Merkmalserscheinungen geboren. Im Laufe seiner
Entwicklung legt er sich zusätzlich zu den ihm angeborenen
Wesenszügen so genannte sekundäre Wesenszüge zu. Während sich
Tiere derselben Gattungsart ihrem Wesen nach kaum voneinander
unterscheiden – Hunde oder Ameisen gleicher Spezies weisen
höchst ähnliche Wesensmerkmale auf – können Menschen in ihren
Eigenschaften und Verhaltensweisen grundlegend voneinander
differieren, was jeden Menschen einzigartig macht; denn der
Mensch kann selbst bestimmen, was und wie er sein möchte.
Nach islamischen Überlieferungen werden
die Menschen am Tag der Auferstehung in Gestalt der Wesensart
erscheinen, die sie sich zu Lebzeiten auf Erden angeeignet
haben; d.h. in Form von Lebewesen erscheinen, denen sie ihrem
Charakter nach am meisten ähneln. Nur Personen, die ein
menschliches (menschenwürdiges) Leben geführt haben, werden
entsprechend eine menschliche Gestalt besitzen.
Erziehungswissenschaften bis hin zu
religiösen Lehren haben zum Ziel, dem Menschen als Wegweiser
zu dienen. Der rechte Weg wird ihm eine glückliche Zukunft
sichern. Kommt er aber vom rechten Weg ab, ist ihm seine
Zukunft verbaut.
Im Heiligen Quran heißt es dazu:
Siehe, wir leiteten ihn des Weges, sei er dankbar oder
undankbar.
(Heiligen Quran 76:3)
Damit ist gemeint: Entweder er wählt den
Weg, der ihm gezeigt wurde, oder er weicht vom rechten Weg ab
und ist undankbar.
Wie bereits erwähnt, geben Wissenschaft
und Glaube dem Menschen unterschiedliche Impulse, sich seine
Zukunft zu gestalten. Wissenschaft erschließt dem Menschen
immer wieder neue Wege, sein Leben nach eigenem Ermessen
einzurichten, während der Glaube dem Menschen das "Wie" zur
Gestaltung seiner selbst und seiner Zukunft aufzeigt, um sich
und seiner Gesellschaft besser dienen zu können.
Durch den Glauben wird verhindert, dass
der Mensch seine Zukunft nur unter materiellen egozentrischen
Aspekten plant. Die Wissenschaft dient ihm dabei als Werkzeug.
Ob er die Wissenschaft in den Dienst der Gesellschaft stellt
oder sie beispielsweise zur Expansion eigener Machtinteressen
einsetzt, hängt von der Beschaffenheit des Menschen ab, der
über das jeweilige Wissen verfügt. Der Glaube ist aber eine
Kraft, die den Willen des Menschen erobert und ihn auf den
rechten Weg zur Gerechtigkeit und Menschlichkeit führt. Der
Glaube formt den Menschen, und der Mensch gestaltet mit Hilfe
seines Wissens seine Umwelt. Wenn sich Wissen und Glaube
ergänzen, findet der Mensch innere Ruhe und die Welt den
ersehnten Weltfrieden.
Es steht außer Frage, dass der Mensch nur
im Besitz einer relativen Freiheit ist und seinem
Bewegungsspielraum gewisse Grenzen gesetzt sind:
 | Vererbung: Dem menschlichen
Wesen werden zwangsläufig eine Reihe von Merkmalen als
Erbanlagen übertragen. |
 | Physikalische Umwelt: Die
geoklimatische Umgebung, in der der Mensch aufwächst, ob
z.B. auf dem Gebirge oder in einer Wüstenstadt, hat
notgedrungen unterschiedliche Auswirkungen auf Körper und
Seele des Menschen. |
 | Soziale Umwelt: Die soziale
Umgebung beeinflusst ganz entscheidend den
Entwicklungsverlauf des Menschen. Gesellschaftliche Merkmale
wie Sprache, Tradition und Religion werden ihm (mehr oder
weniger) aufgezwungen. |
 | Vergangenheit: Was die
Beeinflussung des Menschen durch seine soziale Umgebung
betrifft, so können auch bestimmte Faktoren aus der sozialen
Vergangenheit die Persönlichkeit des Menschen mitgestalten.
Vergangenheit und Zukunft eines jeden Wesens sind eng
miteinander verbunden, Vergangenheit gleicht gewissermaßen
dem Keim, Gegenwart und Zukunft stellen die Frucht dar,
gemeinsam bilden sie eine Einheit. |
Obwohl der Mensch nicht in der Lage ist,
die Auswirkungen der oben genannten Faktoren vollkommen
auszuschalten, so kann er doch mittels seiner Geisteskraft,
dank seiner Willenskraft und seines Glaubens äußere Einflüsse
bzw. vererbte Eigenschaften in einem gewissen Umfang unter
seine Kontrolle bringen und bewusst Änderungen vornehmen, um
sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.
Zuweilen wird angenommen, dass göttliche
Vorherbestimmung stärker als alles andere die
Handlungsfreiheit des Menschen einschränkt. Göttliche
Vorherbestimmung gibt es ohne Zweifel, aber sie entzieht dem
Menschen nicht die Entscheidungsfreiheit. Göttliche
Vorherbestimmung besteht aus dem Urteil Gottes (über Vorgänge
und Geschehnisse) [qadha] und der Begrenzung (Festsetzung)
ihrer Ausmaße [qadar]. Zweifellos aber wirkt der Wille Gottes
niemals direkt auf Geschehnisse ein, sondern überlässt ihren
Ablauf dem Prinzip von Ursache und Wirkung; denn nach
göttlichem Willen ist das weltliche System das Produkt von
Kausalitäten. Demnach wird der Bewegungsspielraum des Menschen
in allem, was seine Erbanlagen, Umweltbedingungen usw.
betrifft, durch göttlichen Willen eingeschränkt. Er erfährt
sonst keine Einschränkungen. Seine relative Freiheit erfährt
er ebenso auf Gottes Veranlassung; ihm ist aufgetragen, seine
Geistes- und Willenskraft richtig einzusetzen, um sich von
gesellschaftlichen und physischen Zwängen loszulösen und sein
Schicksal selbst zu bestimmen.
Wie bereits erwähnt, ist der Mensch in
der Lage, Pflichten zu übernehmen und sich im Rahmen der (für
ihn aufgestellten) Gesetze zu bewegen. Andere Lebewesen können
sich einzig und allein Gesetzen der Natur unterwerfen. Wollte
man Steine, Pflanzen oder Tiere irgendwelchen Gesetzen
unterwerfen, so müsste man, auch wenn es zu ihrem Besten
gemeint sein sollte, Gewalt anwenden.
Gesetze, die zum Wohl der Menschheit
erlassen und dem Menschen auferlegt werden, erfordern vom
Menschen gewisse Achtsamkeit und bürden ihm gewissermaßen eine
Pflicht auf. Der Gesetzgeber wiederum kann dem Menschen unter
bestimmten Voraussetzungen eine Gesetzespflicht auftragen: Die
Voraussetzungen sind wie folgt:
 | Reife: Der Mensch erfährt in
einem bestimmten Alter eine sprunghafte Veränderung seiner
Körper-Seele-Natur, deren genauer Zeitpunkt individuell
verschieden und unter anderem von Klima bzw. Umweltfaktoren
abhängig ist. Sicher ist, dass das weibliche Geschlecht im
Durchschnitt früher als das männliche die körperliche
Entwicklung abschließt. Um ein gesetzliches Mindest- bzw.
Durchschnittsalter festzulegen, haben sich schiitische
Islamgelehrte für das männliche Geschlecht auf den Anfang
des 16. und das weibliche auf den Anfang des 10.
Lebensjahres geeinigt. D. h. einer Person, die das
gesetzliche Reifealter nicht erreicht hat, können keinerlei
Pflichten aufgetragen werden. |
 | Geisteszustand: Ein
Geistesgestörter ist allen Verpflichtungen enthoben; auch
nach seiner Gesundung ist er nicht gebunden, seinen
religiösen Pflichten (wie das tägliche Gebet oder das
Fasten) rückwirkend nachzugehen. Entsprechende Regelungen
gelten für die Entrichtung von religiösen Abgaben (wie Zakat
und Chums). |
 | Kenntnis und Bewusstsein:
Zweifellos ist der Mensch erst dann in der Lage, einer
Verpflichtung nachzugehen, wenn er davon in Kenntnis gesetzt
ist. Wird er nun trotzdem, d.h. obwohl er über seine
Pflicht(en) nicht unterrichtet war, wegen Pflichtverletzung
angeklagt bzw. zu einer Strafe verurteilt, so bezeichnen
islamische Rechtsgelehrte diese Art von Urteilssprechung
"die abscheuliche Bestrafung ohne vorher stattgefundene
Aufklärung". Im Heiligen Qur´an wird wiederholt darauf
hingewiesen, dass ein Volk, das aus Unkenntnis ein Gesetz
bricht, keine Schuld trifft. Allerdings darf der Mensch sich
nicht von aller Welt zurückziehen und sich in Unwissenheit
wiegen, denn der Mensch ist verpflichtet, sich immer
weiterzubilden und seine Kenntnis in die Praxis umzusetzen.
Nach einer Überlieferung werden Personen am Tag der
Auferstehung wegen Pflichtversäumnis zur Rede gestellt; sie
berufen sich auf ihre Unkenntnis in der Angelegenheit, aber
ihnen wird Nachlässigkeit und Sorglosigkeit vorgeworfen. Nur
wenn der Mensch trotz ernster Anstrengungen über seine
Aufgaben und Pflichten ungenügend bzw. gar nicht
unterrichtet wurde, ist er vor Gott unschuldig. |
 | Kraft und Vermögen: Da die
Fähigkeiten des Menschen begrenzt sind, können ihm nur
Pflichten im Rahmen seiner Möglichkeiten auferlegt werden.
Dazu sagt der Heilige Qur´an: „Gott fordert von niemandem
mehr, als er vermag. ...“.
Demnach sind wir verpflichtet, eine Person vor dem Ertrinken
zu retten, wenn wir dazu in der Lage sind, können aber nicht
(vor Gott) zur Rechenschaft gezogen werden, weil wir ein
abstürzendes Flugzeug nicht haben abfangen können. Auch hier
gilt, wie im vorigen Abschnitt, dass der Mensch stets darum
bemüht sein muss, seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln und
seine Kräfte richtig einzusetzen. Auch wenn er uns abrät,
sinnlos, d.h. ohne Aussicht auf Erfolg, aggressiven Mächten
entgegenzutreten, so hat er uns die Pflicht auferlegt, uns
für ähnliche Situationen vorzubereiten. Der Heilige Qur´an
sagt dazu: „So rüstet wider sie, was ihr vermögt an
Kräften und Rossen, damit in Schrecken zu setzen Allahs
Feind und euren Feind ...“.
So wie eine Person, die selbst schuld ist an ihrer
Unwissenheit, vor Gott Rechenschaft ablegen muss, so hat
sich auch ein Volk, das versäumt hat, seine Kapazitäten voll
auszuschöpfen, für sein Unvermögen und seine Fehlschläge zu
verantworten. |
 | Freie Entscheidung: Ein Mensch
ist seiner Pflichten enthoben, wenn er unter Druck steht,
d.h. dass z.B. ein Mekkapilger, der dazu wirtschaftlich zwar
imstande wäre, dennoch von seiner Pflicht befreit wird,
sollte sein Leben oder das seiner Angehörigen durch die
Reise gefährdet sein. Prophet Mohammad (s.) sagte: "Wo
Zwang und eine ausweglose Lage vorliegen, ist die
Verpflichtung aufgehoben". Nun kann es auch vorkommen,
dass der Mensch nicht von anderen Personen unter Druck
gesetzt wird, ein Gebot zu übertreten, sondern er sich
selbst aufgrund besonderer Umstände dazu entschließt und
sich trotzdem keiner (vor Gott) zu verantwortenden Straftat
schuldig zu fühlen braucht. Z.B. darf ein Mensch in einer
Notsituation das Fleisch eines Kadavers verzehren, dessen
Genuss unter normalen Umständen im Islam verboten ist. Nun
kann man nicht verallgemeinern, wann und unter welchen
Bedingungen der Mensch seine Pflicht vernachlässigen kann,
um eine Gefahr abzuwenden. Die gegebenen Umstände sind von
Fall zu Fall verschieden; z.B. hängt es von der Größe der
Gefahr ab, die es abzuwenden gilt, und von der Bedeutung und
der Schwere der Pflicht, die es abzuwenden bzw. einzuhalten
gilt. Auf alle Fälle ist es nicht gestattet, aus Notwehr das
Leben anderer zu gefährden oder der Gesellschaft bzw. der
Religion Schaden zuzufügen. Es gibt aber Verpflichtungen,
wegen derer Erfüllung man gar Schaden und Verluste in Kauf
nehmen muss. |
Das bisher Gesagte bezog sich auf die
Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit einem Menschen
eine Aufgabe zugeteilt werden kann. Nun gibt es auch
Voraussetzungen allgemeiner und spezieller Art, die erfüllt
sein müssen, damit der Mensch seine Aufgabe richtig ausführen
kann. Die speziellen Voraussetzungen jeder Handlung betreffen
nur den jeweiligen Akt und werden während des Erlernens eines
jeden Aktes deutlich.
Im Folgenden werden wir aber auf die
Voraussetzungen allgemeiner Art zu sprechen kommen: Dazu
gehören auch Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit
einem Menschen eine Pflicht auferlegt werden kann, wie z.B.
geistiges Wohlbefinden einer Person oder die Tatsache, dass
die Person nicht unter Druck von außen stehen darf. Zum
Beispiel ist ein Geschäftsvertrag ungültig, wenn er durch
Anwendung von Druckmitteln zustande gekommen ist, oder eine
Eheschließung ist nicht rechtskräftig, wenn einem der Partner
die Heirat aufgezwungen ist. Auf der anderen Seite kann ein
Jugendlicher unterhalb der islamischen gesetzlichen
Altersgrenze (10 bzw. 16 Jahre), wenn er schon reif genug ist,
um zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, aktiv an religiösen
Ritualen teilnehmen, kann aber dagegen keine Verträge (nach
staatlichem Recht) abwickeln, eine Ehe eingehen usw..
Zu ergänzen ist, dass die Handlung einer
Person, auch wenn sie aus einer Notsituation heraus ausgeführt
wird, in dem Fall rechtsgültig ist, wenn die betreffende
Person nicht unter dem Druck anderer außenstehender Personen,
sondern selbst, in eigenem Interesse den Entschluss gefasst
hat (die oben erwähnte Handlung auszuüben). Z.B. ist ein
Kaufvertrag, der von einem der Partner aus einer finanziellen
Notlage heraus abgeschlossen wird, rechtsgültig, da sich nach
Ansicht der Islamgelehrten die betreffende Person mit ihrer
Entscheidung zum Kaufvertrag aus ihrer eigenen Notlage
heraushelfen wollte und ihr umgekehrt nicht damit geholfen
ist, wenn der Vertrag für ungültig erklärt werden würde. Ob
allerdings die Ausnützung der wirtschaftlichen Notlage einer
Person gesetzlich zu rechtfertigen ist, ist aus islamischer
Sicht mit einem entschiedenen “Nein“ zu beantworten.
Zusätzlich zu den Bedingungen vom letzten
Kapitel (die gegeben sein müssen, damit eine Person überhaupt
befugt ist, eine bestimmte Aufgabe zu übernehmen,) muss eine
weitere erfüllt sein, damit eine Handlung (aus islamischer
Sicht) rechtsgültig ist; und zwar müssen Personen, die eine
(gesellschaftliche) Aufgabe auf sich nehmen wollen (z.B. eine
Ehe schließen oder z.B. ihr Kapital anlegen wollen), nicht
allein die gesetzliche Altersgrenze überschritten haben und
über einen gesunden Geisteszustand und über freie
Entscheidungskraft verfügen, sondern darüber hinaus die für
die jeweilige Tätigkeit erforderliche Eignung bzw. geistige
Reife besitzen. Z.B. kann die Eheschließung zwischen zwei
jungen Menschen erst dann gültig sein, wenn sich
beide Partner über die Folgen ihrer Entscheidung voll bewusst
sind.
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