Mensch u. Glaube

Das menschliche Wesen aus der Weltanschauung des Islam

Ayatollah Morteza Motahhari

Inhaltsverzeichnis

Rolle des Menschen in der Gestaltung seiner Zukunft

Die Geschöpfe der Welt teilen sich in zwei Gruppen, in lebendige und leblose. Leblose Geschöpfe, wie Wasser, Feuer, Gestein und Erde haben keinen Anteil an ihrer eigenen Bildung und Entwicklung. Sie werden unter dem Einfluss externer Faktoren gebildet und erreichen eventuell durch deren Einfluss eine gewisse Vervollständigung. Bei diesen leblosen Geschöpfen werden also keine Aktivitäten in Richtung eigener Bildung und Entwicklung beobachtet.

Im Gegensatz zu leblosen Geschöpfen können bei lebendigen Geschöpfen, wie Pflanzen, Tieren und Menschen, eine Reihe von Aktivitäten zum Selbstschutz und zur Verteidigung gegen Schaden und auch bei der Absorption von Stoffen (z.B. durch Nahrungsaufnahme) sowie eigener Reproduktion beobachtet werden. In Pflanzen gibt es eine Serie natürlicher Kräfte, die bei ihrer zukünftigen Bildung wirksam sind. In ihnen gibt es Kräfte, die Stoffe aus dem Boden und der Luft absorbieren und diese dadurch die Pflanze wachsen lassen und ihr die Möglichkeit zur Reproduktion geben. In Tieren existieren ebenfalls alle diese eben genannten Kräfte und zusätzlich noch eine Reihe von Wahrnehmungsfähigkeiten, wie z.B. der Sehsinn, Gehörsinn, Tastsinn usw. und instinktive Kräfte sowie die bereits erwähnten Bedürfnisse. Das Tier schützt sich einerseits durch diese Kräfte vor Schaden, und andererseits sorgt es dadurch für sein eigenes Wachstum und die Erhaltung seiner eigenen Art, wenn auch instinktiv.

Was den Menschen betrifft, existieren in ihm prinzipiell alle natürlichen, instinktiven Kräfte und Wahrnehmungsfähigkeiten, die auch in Pflanzen und Tieren vorhanden sind. Außerdem gibt es in ihm eine Reihe zusätzlicher Bedürfnisse, die bereits früher erwähnt wurden, und eine außergewöhnliche Verstandes- und Willenskraft, durch die er sein zukünftiges Schicksal in hohem Maße bestimmen kann. Somit wählt und bildet jeder Mensch selbst seine Zukunft.

Zusammenfassend wollen wir aus dem Vorangegangenen festhalten:

bulletGegenstände haben keinen Einfluss auf ihre Entwicklung.
bulletPflanzen tragen selbst zu ihrer Entwicklung bei, aber nicht etwa in bewusster Form, sondern aufgrund ihrer inneren Beschaffenheit.
bulletTiere nehmen bewusst, aber nicht aus freiem Willen, an ihrer Entwicklung teil. Mit gewisser Selbstkenntnis, der Kenntnis über ihre Umwelt und unter dem Einfluss ihrer Instinkte, richten sie sich ihr Leben ein.
bulletDer Mensch nimmt aktiv an der Gestaltung seiner Zukunft teil. Er ist sich dabei seiner selbst und seiner Umwelt bewusst und kann sich mit Hilfe seines Geistes und dank seiner Willenskraft seine Zukunft ganz nach eigenem Gutdünken gestalten.

Im Vergleich zum Tier verfügt der Mensch über einen ausgedehnten Wirkungskreis, was in Bezug auf seine Zukunftspläne auf Folgendes zurückzuführen ist:

Seine Bedürfnisse unterscheiden sich, wie bereits im Abschnitt "Mensch und Tier" des ersten Teils des Buches behandelt worden ist, sowohl quantitativ als auch qualitativ von denen eines Tieres. Allein der Mensch besitzt die Fähigkeit zur Selbsterziehung. Auch wenn andere Lebewesen unter gewissen Umständen erzogen bzw. umerzogen werden können, so geschieht das im Falle eines Tieres nicht auf Initiative des Tieres, sondern infolge direkten Eingriffs von Seiten des Menschen; außerdem kann in jedem Fall eine Umerziehung in nur geringem Umfange vorgenommen werden.

Nun birgt der Mensch ein Potential an Veranlagungen und Neigungen in sich; er wird aber im Vergleich zum Tier, das von Geburt an bestimmte Wesenszüge aufzuweisen hat, quasi “neutral“ mit nur wenigen unabänderbaren charakterlichen Merkmalserscheinungen geboren. Im Laufe seiner Entwicklung legt er sich zusätzlich zu den ihm angeborenen Wesenszügen so genannte sekundäre Wesenszüge zu. Während sich Tiere derselben Gattungsart ihrem Wesen nach kaum voneinander unterscheiden – Hunde oder Ameisen gleicher Spezies weisen höchst ähnliche Wesensmerkmale auf – können Menschen in ihren Eigenschaften und Verhaltensweisen grundlegend voneinander differieren, was jeden Menschen einzigartig macht; denn der Mensch kann selbst bestimmen, was und wie er sein möchte.

Nach islamischen Überlieferungen werden die Menschen am Tag der Auferstehung in Gestalt der Wesensart erscheinen, die sie sich zu Lebzeiten auf Erden angeeignet haben; d.h. in Form von Lebewesen erscheinen, denen sie ihrem Charakter nach am meisten ähneln. Nur Personen, die ein menschliches (menschenwürdiges) Leben geführt haben, werden entsprechend eine menschliche Gestalt besitzen.

Erziehungswissenschaften bis hin zu religiösen Lehren haben zum Ziel, dem Menschen als Wegweiser zu dienen. Der rechte Weg wird ihm eine glückliche Zukunft sichern. Kommt er aber vom rechten Weg ab, ist ihm seine Zukunft verbaut.

Im Heiligen Quran heißt es dazu: Siehe, wir leiteten ihn des Weges, sei er dankbar oder undankbar.                                                   (Heiligen Quran 76:3)

Damit ist gemeint: Entweder er wählt den Weg, der ihm gezeigt wurde, oder er weicht vom rechten Weg ab und ist undankbar.

Wie bereits erwähnt, geben Wissenschaft und Glaube dem Menschen unterschiedliche Impulse, sich seine Zukunft zu gestalten. Wissenschaft erschließt dem Menschen immer wieder neue Wege, sein Leben nach eigenem Ermessen einzurichten, während der Glaube dem Menschen das "Wie" zur Gestaltung seiner selbst und seiner Zukunft aufzeigt, um sich und seiner Gesellschaft besser dienen zu können.

Durch den Glauben wird verhindert, dass der Mensch seine Zukunft nur unter materiellen egozentrischen Aspekten plant. Die Wissenschaft dient ihm dabei als Werkzeug. Ob er die Wissenschaft in den Dienst der Gesellschaft stellt oder sie beispielsweise zur Expansion eigener Machtinteressen einsetzt, hängt von der Beschaffenheit des Menschen ab, der über das jeweilige Wissen verfügt. Der Glaube ist aber eine Kraft, die den Willen des Menschen erobert und ihn auf den rechten Weg zur Gerechtigkeit und Menschlichkeit führt. Der Glaube formt den Menschen, und der Mensch gestaltet mit Hilfe seines Wissens seine Umwelt. Wenn sich Wissen und Glaube ergänzen, findet der Mensch innere Ruhe und die Welt den ersehnten Weltfrieden.

Grenzen der menschlichen Freiheit

Es steht außer Frage, dass der Mensch nur im Besitz einer relativen Freiheit ist und seinem Bewegungsspielraum gewisse Grenzen gesetzt sind:

bulletVererbung: Dem menschlichen Wesen werden zwangsläufig eine Reihe von Merkmalen als Erbanlagen übertragen.
bulletPhysikalische Umwelt: Die geoklimatische Umgebung, in der der Mensch aufwächst, ob z.B. auf dem Gebirge oder in einer Wüstenstadt, hat notgedrungen unterschiedliche Auswirkungen auf Körper und Seele des Menschen.
bulletSoziale Umwelt: Die soziale Umgebung beeinflusst ganz entscheidend den Entwicklungsverlauf des Menschen. Gesellschaftliche Merkmale wie Sprache, Tradition und Religion werden ihm (mehr oder weniger) aufgezwungen.
bulletVergangenheit: Was die Beeinflussung des Menschen durch seine soziale Umgebung betrifft, so können auch bestimmte Faktoren aus der sozialen Vergangenheit die Persönlichkeit des Menschen mitgestalten. Vergangenheit und Zukunft eines jeden Wesens sind eng miteinander verbunden, Vergangenheit gleicht gewissermaßen dem Keim, Gegenwart und Zukunft stellen die Frucht dar, gemeinsam bilden sie eine Einheit.

Auflehnung des Menschen

Obwohl der Mensch nicht in der Lage ist, die Auswirkungen der oben genannten Faktoren vollkommen auszuschalten, so kann er doch mittels seiner Geisteskraft, dank seiner Willenskraft und seines Glaubens äußere Einflüsse bzw. vererbte Eigenschaften in einem gewissen Umfang unter seine Kontrolle bringen und bewusst Änderungen vornehmen, um sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.

Mensch und göttliche Vorherbestimmung

Zuweilen wird angenommen, dass göttliche Vorherbestimmung stärker als alles andere die Handlungsfreiheit des Menschen einschränkt. Göttliche Vorherbestimmung gibt es ohne Zweifel, aber sie entzieht dem Menschen nicht die Entscheidungsfreiheit. Göttliche Vorherbestimmung besteht aus dem Urteil Gottes (über Vorgänge und Geschehnisse) [qadha] und der Begrenzung (Festsetzung) ihrer Ausmaße [qadar]. Zweifellos aber wirkt der Wille Gottes niemals direkt auf Geschehnisse ein, sondern überlässt ihren Ablauf dem Prinzip von Ursache und Wirkung; denn nach göttlichem Willen ist das weltliche System das Produkt von Kausalitäten. Demnach wird der Bewegungsspielraum des Menschen in allem, was seine Erbanlagen, Umweltbedingungen usw. betrifft, durch göttlichen Willen eingeschränkt. Er erfährt sonst keine Einschränkungen. Seine relative Freiheit erfährt er ebenso auf Gottes Veranlassung; ihm ist aufgetragen, seine Geistes- und Willenskraft richtig einzusetzen, um sich von gesellschaftlichen und physischen Zwängen loszulösen und sein Schicksal selbst zu bestimmen.

Der Mensch und seine Verpflichtungen

Wie bereits erwähnt, ist der Mensch in der Lage, Pflichten zu übernehmen und sich im Rahmen der (für ihn aufgestellten) Gesetze zu bewegen. Andere Lebewesen können sich einzig und allein Gesetzen der Natur unterwerfen. Wollte man Steine, Pflanzen oder Tiere irgendwelchen Gesetzen unterwerfen, so müsste man, auch wenn es zu ihrem Besten gemeint sein sollte, Gewalt anwenden.

Gesetze, die zum Wohl der Menschheit erlassen und dem Menschen auferlegt werden, erfordern vom Menschen gewisse Achtsamkeit und bürden ihm gewissermaßen eine Pflicht auf. Der Gesetzgeber wiederum kann dem Menschen unter bestimmten Voraussetzungen eine Gesetzespflicht auftragen: Die Voraussetzungen sind wie folgt:

bulletReife: Der Mensch erfährt in einem bestimmten Alter eine sprunghafte Veränderung seiner Körper-Seele-Natur, deren genauer Zeitpunkt individuell verschieden und unter anderem von Klima bzw. Umweltfaktoren abhängig ist. Sicher ist, dass das weibliche Geschlecht im Durchschnitt früher als das männliche die körperliche Entwicklung abschließt. Um ein gesetzliches Mindest- bzw. Durchschnittsalter festzulegen, haben sich schiitische Islamgelehrte für das männliche Geschlecht auf den Anfang des 16. und das weibliche auf den Anfang des 10. Lebensjahres geeinigt. D. h. einer Person, die das gesetzliche Reifealter nicht erreicht hat, können keinerlei Pflichten aufgetragen werden.
bulletGeisteszustand: Ein Geistesgestörter ist allen Verpflichtungen enthoben; auch nach seiner Gesundung ist er nicht gebunden, seinen religiösen Pflichten (wie das tägliche Gebet oder das Fasten) rückwirkend nachzugehen. Entsprechende Regelungen gelten für die Entrichtung von religiösen Abgaben (wie Zakat und Chums).
bulletKenntnis und Bewusstsein: Zweifellos ist der Mensch erst dann in der Lage, einer Verpflichtung nachzugehen, wenn er davon in Kenntnis gesetzt ist. Wird er nun trotzdem, d.h. obwohl er über seine Pflicht(en) nicht unterrichtet war, wegen Pflichtverletzung angeklagt bzw. zu einer Strafe verurteilt, so bezeichnen islamische Rechtsgelehrte diese Art von Urteilssprechung "die abscheuliche Bestrafung ohne vorher stattgefundene Aufklärung". Im Heiligen Qur´an wird wiederholt darauf hingewiesen, dass ein Volk, das aus Unkenntnis ein Gesetz bricht, keine Schuld trifft. Allerdings darf der Mensch sich nicht von aller Welt zurückziehen und sich in Unwissenheit wiegen, denn der Mensch ist verpflichtet, sich immer weiterzubilden und seine Kenntnis in die Praxis umzusetzen. Nach einer Überlieferung werden Personen am Tag der Auferstehung wegen Pflichtversäumnis zur Rede gestellt; sie berufen sich auf ihre Unkenntnis in der Angelegenheit, aber ihnen wird Nachlässigkeit und Sorglosigkeit vorgeworfen. Nur wenn der Mensch trotz ernster Anstrengungen über seine Aufgaben und Pflichten ungenügend bzw. gar nicht unterrichtet wurde, ist er vor Gott unschuldig.
bulletKraft und Vermögen: Da die Fähigkeiten des Menschen begrenzt sind, können ihm nur Pflichten im Rahmen seiner Möglichkeiten auferlegt werden. Dazu sagt der Heilige Qur´an: „Gott fordert von niemandem mehr, als er vermag. ...“[1]. Demnach sind wir verpflichtet, eine Person vor dem Ertrinken zu retten, wenn wir dazu in der Lage sind, können aber nicht (vor Gott) zur Rechenschaft gezogen werden, weil wir ein abstürzendes Flugzeug nicht haben abfangen können. Auch hier gilt, wie im vorigen Abschnitt, dass der Mensch stets darum bemüht sein muss, seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln und seine Kräfte richtig einzusetzen. Auch wenn er uns abrät, sinnlos, d.h. ohne Aussicht auf Erfolg, aggressiven Mächten entgegenzutreten, so hat er uns die Pflicht auferlegt, uns für ähnliche Situationen vorzubereiten. Der Heilige Qur´an sagt dazu: „So rüstet wider sie, was ihr vermögt an Kräften und Rossen, damit in Schrecken zu setzen Allahs Feind und euren Feind ...“[2]. So wie eine Person, die selbst schuld ist an ihrer Unwissenheit, vor Gott Rechenschaft ablegen muss, so hat sich auch ein Volk, das versäumt hat, seine Kapazitäten voll auszuschöpfen, für sein Unvermögen und seine Fehlschläge zu verantworten.
bulletFreie Entscheidung: Ein Mensch ist seiner Pflichten enthoben, wenn er unter Druck steht, d.h. dass z.B. ein Mekkapilger, der dazu wirtschaftlich zwar imstande wäre, dennoch von seiner Pflicht befreit wird, sollte sein Leben oder das seiner Angehörigen durch die Reise gefährdet sein. Prophet Mohammad (s.) sagte: "Wo Zwang und eine ausweglose Lage vorliegen, ist die Verpflichtung aufgehoben". Nun kann es auch vorkommen, dass der Mensch nicht von anderen Personen unter Druck gesetzt wird, ein Gebot zu übertreten, sondern er sich selbst aufgrund besonderer Umstände dazu entschließt und sich trotzdem keiner (vor Gott) zu verantwortenden Straftat schuldig zu fühlen braucht. Z.B. darf ein Mensch in einer Notsituation das Fleisch eines Kadavers verzehren, dessen Genuss unter normalen Umständen im Islam verboten ist. Nun kann man nicht verallgemeinern, wann und unter welchen Bedingungen der Mensch seine Pflicht vernachlässigen kann, um eine Gefahr abzuwenden. Die gegebenen Umstände sind von Fall zu Fall verschieden; z.B. hängt es von der Größe der Gefahr ab, die es abzuwenden gilt, und von der Bedeutung und der Schwere der Pflicht, die es abzuwenden bzw. einzuhalten gilt. Auf alle Fälle ist es nicht gestattet, aus Notwehr das Leben anderer zu gefährden oder der Gesellschaft bzw. der Religion Schaden zuzufügen. Es gibt aber Verpflichtungen, wegen derer Erfüllung man gar Schaden und Verluste in Kauf nehmen muss.

Bedingungen für die korrekte Erfüllung einer Aufgabe

Das bisher Gesagte bezog sich auf die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit einem Menschen eine Aufgabe zugeteilt werden kann. Nun gibt es auch Voraussetzungen allgemeiner und spezieller Art, die erfüllt sein müssen, damit der Mensch seine Aufgabe richtig ausführen kann. Die speziellen Voraussetzungen jeder Handlung betreffen nur den jeweiligen Akt und werden während des Erlernens eines jeden Aktes deutlich.

Im Folgenden werden wir aber auf die Voraussetzungen allgemeiner Art zu sprechen kommen: Dazu gehören auch Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit einem Menschen eine Pflicht auferlegt werden kann, wie z.B. geistiges Wohlbefinden einer Person oder die Tatsache, dass die Person nicht unter Druck von außen stehen darf. Zum Beispiel ist ein Geschäftsvertrag ungültig, wenn er durch Anwendung von Druckmitteln zustande gekommen ist, oder eine Eheschließung ist nicht rechtskräftig, wenn einem der Partner die Heirat aufgezwungen ist. Auf der anderen Seite kann ein Jugendlicher unterhalb der islamischen gesetzlichen Altersgrenze (10 bzw. 16 Jahre), wenn er schon reif genug ist, um zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, aktiv an religiösen Ritualen teilnehmen, kann aber dagegen keine Verträge (nach staatlichem Recht) abwickeln, eine Ehe eingehen usw..

Zu ergänzen ist, dass die Handlung einer Person, auch wenn sie aus einer Notsituation heraus ausgeführt wird, in dem Fall rechtsgültig ist, wenn die betreffende Person nicht unter dem Druck anderer außenstehender Personen, sondern selbst, in eigenem Interesse den Entschluss gefasst hat (die oben erwähnte Handlung auszuüben). Z.B. ist ein Kaufvertrag, der von einem der Partner aus einer finanziellen Notlage heraus abgeschlossen wird, rechtsgültig, da sich nach Ansicht der Islamgelehrten die betreffende Person mit ihrer Entscheidung zum Kaufvertrag aus ihrer eigenen Notlage heraushelfen wollte und ihr umgekehrt nicht damit geholfen ist, wenn der Vertrag für ungültig erklärt werden würde. Ob allerdings die Ausnützung der wirtschaftlichen Notlage einer Person gesetzlich zu rechtfertigen ist, ist aus islamischer Sicht mit einem entschiedenen “Nein“ zu beantworten.

Zusätzlich zu den Bedingungen vom letzten Kapitel (die gegeben sein müssen, damit eine Person überhaupt befugt ist, eine bestimmte Aufgabe zu übernehmen,) muss eine weitere erfüllt sein, damit eine Handlung (aus islamischer Sicht) rechtsgültig ist; und zwar müssen Personen, die eine (gesellschaftliche) Aufgabe auf sich nehmen wollen (z.B. eine Ehe schließen oder z.B. ihr Kapital anlegen wollen), nicht allein die gesetzliche Altersgrenze überschritten haben und über einen gesunden Geisteszustand und über freie Entscheidungskraft verfügen, sondern darüber hinaus die für die jeweilige Tätigkeit erforderliche Eignung bzw. geistige Reife besitzen. Z.B. kann die Eheschließung zwischen zwei jungen Menschen erst dann          gültig sein, wenn sich beide Partner über die Folgen ihrer Entscheidung voll bewusst sind.

[1] Heiliger Quran 2:286

[2] Heiliger Quran 8:60

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