Können Wissenschaft und Glauben einander ersetzen?
Wir wissen, dass Wissenschaft und Glauben
sich nicht nur nicht widersprechen, sondern einander
vervollkommnen und ergänzen. Jetzt steht die Frage zur
Diskussion: Ist es möglich, dass das eine das andere ersetzen
kann? Nachdem uns die Aufgabe der Wissenschaft und die des
Glaubens bekannt geworden sind, ist es nicht mehr sehr
erforderlich, dies Thema all zu ausführlich zu besprechen.
Es ist unbestreitbar, dass die
Wissenschaft den Glauben nicht ersetzen kann, welcher über
Licht und Kraft hinaus auch Liebe und Hoffnung schenkt, das
Niveau unserer Wünsche anhebt und zudem uns hilft, unsere
Ziele und Absichten zu verfolgen und zu erreichen, uns an
Stelle unseres natürlichen, instinktiven, selbstbezogenen,
egoistischen Verlangens und Begehrens Ziele und Wünsche gibt,
welche von der Liebe, den immateriellen Interessen und dem
Geist getragen werden. Darüber hinaus, dass uns damit ein
Mittel und Zweck gegeben ist, verändert er unser Wesen und
unseren Charakter. Andererseits kann der Glaube nicht die
Wissenschaft ersetzen, denn er macht uns nicht mit der Natur
bekannt, eröffnet uns nicht deren Gesetzmäßigkeit und gibt uns
keine Aufschlüsse über uns selbst. Die Erfahrungen der
Geschichte haben gezeigt, dass die Trennung von Wissenschaft
und Glauben nicht wiedergutmachende Schäden hervorgebracht
hat. Der Glaube muss im Licht der Wissenschaft erkannt werden.
In der Klarheit der Wissenschaft bleibt der Glaube fern vom
Aberglauben.
Durch die Absonderung der Wissenschaft
vom Glauben geht aus dem letzteren Erstarrung, blinder
Fanatismus, schwere Selbsteinkreisung und Ausweglosigkeit
hervor. Dort, wo es keine Wissenschaft und Kenntnis gibt, wird
der Glaube unwissender Muslime zur Handhabe schlauer Heuchler.
Beispiele dazu hat es bei den Chawaridsch
zu Beginn des Islam und in der unterschiedlichsten Art und
Weise auch in den folgenden Epochen gegeben, und weitere
Beispiele sehen wir noch immer. Die Wissenschaft ohne den
Glauben ist wie ein scharfes Messer in den Händen eines
betrunkenen Amokläufers. Sie gleicht einem Licht zur
Mitternacht in der Hand eines Diebes, das diesem das Stehlen
erleichtert. Deswegen besteht zwischen dem wissenden,
ungläubigen Menschen von heute und dem unwissenden Menschen
ohne Glauben von gestern nicht der geringste Unterschied.
Worin unterscheiden sich denn die
heutigen Churchills, Johnsons, Nixons und Stalins von den
gestrigen Pharaonen, Dschingis Khans und Attilas? Es ist
durchaus möglich, dass behauptet wird: „Ist es denn nicht
so, dass die Wissenschaft erleuchtend ist und auch mächtig?
Ihre Helligkeit und Macht beschränke sich nicht nur auf die
Außenwelt, sondern sie bringe auch Klarheit in unsere innere
Welt und stelle uns diese vor. Infolgedessen befähige sie uns,
unser Innenleben zu verändern. Demzufolge könne die
Wissenschaft sowohl die Welt, als auch den Menschen formen.
Sie erfülle demnach ihre eigentliche Aufgabe, nämlich die
Gestaltung der Welt, wie auch die des Glaubens, in dem sie den
Menschen forme.“
Die Antwort darauf lautet Folgendermaßen:
All das ist richtig, aber der wesentliche Punkt ist der, dass
die Macht und die Fähigkeit der Wissenschaft der eines
Werkzeuges entsprechen, das heißt, sie sind abhängig von der
Entscheidung und dem Befehl des Menschen. Auf jedem Gebiet,
auf dem der Mensch aktiv werden möchte, wird ihm die
Durchführung seiner Tätigkeit mit Hilfe der Wissenschaft
erleichtert. Das ist auch der Grund dafür, weshalb wir sagen,
dass die Wissenschaft das geeignete Hilfsmittel des Menschen
ist, um seine sich gesetzten Ziele zu erreichen und den Weg,
zu dem er sich entschieden hat, beschreiten zu können.
Aber es geht noch um etwas anderes,
nämlich darum, dass der Mensch bevor er ein Mittel nutzt, sich
über das beabsichtigte Ziel im Klaren sein muss, da die Mittel
immer nur entsprechend der angestrebten Ziele eingesetzt
werden.