Das Gebet im Feld
Rückert geht in diesem Gedicht auf die
gebetsvorbereitende Handlung des rituellen Waschung ein, die
entweder mit reinem, idealerweise fließenden Wasser erfolgt
(Flut), und falls kein Wasser vorhanden ist, mit Erde. Denn
Erde ist neben Wasser eines der reinigenden Elemente. Die so
genannte Trockenreinigung [tayammum] wird im Heiligen Qur´an
erwähnt: „...und ihr kein Wasser findet, dann sucht einen
sauberen Boden und streicht euch davon über das Gesicht und
die Hände.“ (5:6). Die Variante Rückerts, dass die Erde
das Wasser des Taus sozusagen gespeichert hat, ist eine eigene
Interpretation von ihm. Vielmehr gelten Wasser und Erde als
„reinigend“, weil sie die beiden Elemente sind, aus dem der
Mensch erschaffen ist. Die Mischung beider ergibt den Lehm,
aus dem der Mensch geschaffen wurde (6:2). Weiterhin geht
Rückert auf das Gebet auf Reisen ein.
Wer in seiner Heimat
Sein Gebete tut,
Soll zuvor sich waschen
Ganz mit reiner Flut.
Aber wer durchreiset
Wasserloses Land,
Nehme statt des Wassers
Eine Handvoll Sand.
Von dem Tau des Himmels
War der Sand getränkt,
Und noch in dem trocknen
Bleibt die Kraft versenkt.
Aber wenn umdrohet
Euren Ritt Gefahr,
Braucht ihr nicht vom Sattel
Abzusteigen gar.
Schlagt nur an den Sattel,
Dass ein Staub entsteigt,
Solcher der sich tanzend
In der Sonne zeigt.
Lasst für Sand ihn gelten
Wie den Sand für Flut;
Sprecht ein kurz Gebete
Reitend wohlgemut!
Denn der Allerbarmer
Will an jedem Ort
Mehr von euch nicht fordern,
Als euch leicht wird dort.
Kommt ihr heim zum Zelte,
Holt gemächlich nach
Alles, was der Andacht
Unterwegs gebrach.