Rückert

Rückerts Gedichte über den Islam

mit ausführlichen Erläuterungen von

Yavuz Özoguz

Inhaltsverzeichnis

Dienst und Lohn

In diesem Gedicht zeigt Rückert am Beispiel von zwei Zoroastriern, wie die Wirkung des falschen und des richtigen Gottes ist. Während der falsche Gott Schaden zufügt, versorgt der wahre Gott reichlich, allerdings nicht ohne den Glauben zu prüfen! In das Gedicht einbezogen sind Elemente einer Geschichte von Heiligen der Familie des Propheten, die drei Tage gefastet hatten, jeden Abend ein Bettler ihre wenige Speise erbat, bis ein Engel sie am dritten Tag reichlich dafür belohnte. Auch eingebaut hat Rückert die im Heiligen Qur´an oft erwähnte Argumente derjenigen, die aus falsch verstandener Tradition nicht die Wahrheit annehmen, selbst wenn sie diese erkannt haben.

Der bekehrte Steueranbeter,

Zwei Brüder waren Feuerdiener,

Die dienten ihrem Gott, dem Feuer,

Der eine über vierzig Jahre,

Und an die dreißig Jahr der jüngre.

Da sprach, von höher’m Licht erleuchtet,

Der jüngre zu dem ältern Bruder:

Wir dienen unserem Gott so lange,

Lass uns versuchen seine Gnade,

Wenn wir die Hand ins Feuer legen,

Ob wir den Finger nicht verbrennen.

Du bist der ältre, mach’ die Probe!

Und wie er kaum die Glut berührte,

Zog er die Hand verbrannt zurücke.

Da sprach, von höher’m Licht erleuchtet,

Der jüngre Bruder: Ohne Gnade

Ist seine Diener; einem andern,

Dem Herrn des Himmels will ich dienen,

Dem Allerbarmer, der Erbarmen

Mit Dienern hat, auch wenn sie fehlen.

Ich geh, den Glauben anzunehmen,

Nach Basra, willst du mitgeh’n, Bruder?

Geh nur, ich bleibe, sprach der ältere,

Ich müsste mich vor mir und meinen

Genossen schämen, wenn im Dienste

Des Irrtums ich so alt geworden,

Nun erst die Wahrheit suchen sollte.

Das Feuer brennt nicht wie die Schande.

Der jüngre aber ging nach Basra,

Und nahm den Glauben an mit allen

Den Seinigen, mit Weib und Kinde.

Vor Freuden weinte die Gemeinde

Beim Eintritt dieses Neubekehrten.

Sie wollen ihn mit Geld beschenken;

Er weigert’s: Für den Lohn nicht nehmen.

Er wohnet arm im kleinen Haufe,

Und gehet aus am frühen Morgen

Zum Markt, um einen Herrn zu finden,

Dem er um Taglohn heute diene;

Und als er keinen findet, tritt er

Zur Seit’ in ein verfallnes Bethaus,

Wo er in Andacht sich erbauet

Den langen Tag, und heimkehrt Abends,

Wo er die Seinen hungern findet.

Er aber weiß sein Weib zu trösten:

Der Herr, dem ich gedient habe,

Hat mir den Lohn heut nicht gegeben,

Ich wird’ ihn doppelt morgen haben.

Und wieder geht er aus am Morgen,

Und findet keinen Herrn am Markte,

Und sucht den Herrn im Bethaus wieder;

Er hat des Herrn verfallnes Bethaus

Mit seiner Andacht neu erbauet;

Doch Abends findet er zu Haufe

Die Seinen hungernder als gestern,

Und kaum kann er sein Weib vertrösten:

Der Herr, dem ich gedient habe,

Hat heut noch nicht den Lohn gegeben,

Ich soll ihn morgen dreifach haben.

Der dritte Morgen ist ein Freitag,

Und wieder hilft kein Herr vom Markte,

Da spricht er zu dem Herrn im Bethaus:

Ich schäme mich mit leeren Händen

Heut zu Meinen heimzukehren,

Sie möchten an dem Segenslohn

Des angenommen Glaubens zweifeln,

An dem ich selbst, o Herr, nicht zweifle.

Er bringt den Freitag im Gebet hin;

Vergebens über Mittag wartet

Das Weib daheim bis an den Abend;

Da klopft es, und sie hofft, er ist es.

Allein es ist ein schöner Knabe,

Mit einer goldnen Schal’ in Händen,

In der goldgleiche Früchte liegen;

Dies schickt der Herr, dem heut und gestern

Dein Mann gedient, zum Lohne seines

Getreuen Dienstes und des Wartens.

Der Herr ist mit ihm wohlzufrieden.

Das sag’ ihm, wenn er Abends heimkehrt,

Damit ihn nicht der Dienst verdrieße,

Als ob es der des Feuers wäre,

Daran sein Bruder sich verbrannte.

Er soll, wenn er sonst keinen findet.

Der ihm den Lohn des Tagwerks reiche,

Nur stets an jenen Herrn sich halten.

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