Rückert

Rückerts Gedichte über den Islam

mit ausführlichen Erläuterungen von

Yavuz Özoguz

Inhaltsverzeichnis

Josef im Kerker

Josef (a.)[1] war der Sohn Jakobs (a.) und ein großer Prophet des Islam, dem die Fähigkeit zur Traumdeutung offenbart wurde. Ihm und seiner Geschichte ist die zwölfte Sure des  Heiligen Qur´an gewidmet. Josef (a.) sieht in einem Traum, wie sich die Sonne, der Mond und 11 Sterne vor ihm zu Ehren Gottes verneigen. Diese 13 Elemente spiegeln die Ahl-ul-Bait wieder, wobei er selbst die 14. Person, den erwarteten Imam Mahdi (a.) repräsentiert.

Josef (a.) hatte einen leiblichen Bruder (Benjamin) und 10 Halbbrüder (Ruben, Simeon, Levi, Juda, Dan, Naftali, Gad, Ascher, Issachar und Sebulon). Letztere neideten die Liebe des Vaters zu Josef (a.) und baten den Vater, dass sie ihn mitnehmen könnten zum Spielen. Dabei warfen sie ihn in einen Brunnen oder Zisterne und behaupteten vor dem Vater, dass der Wolf Josef (a.) getötet hätte.

Nach einer kleinen Verborgenheit im Brunnen findet ihn eine Handelskarawane der Nachkommen Ismaels (a.), nimmt ihn mit nach Ägypten und verkaufen ihn Potifar, den Oberaufseher der Leibwache des Pharao. Potifars Frau Sulaika versucht den extrem gut aussehenden Josef (a.) zu verführen und scheitert, so dass sie ihn aus Rache in den Kerker werfen lässt. Weil er dort anderen Gefangenen die Träume deutete, wird letztlich nach einiger Verzögerung der Herrscher Ägyptens auf ihn aufmerksam. Josef deutete dem Herrscher schließlich einen Traum, demzufolge  Ägypten sieben reiche und sieben magere Jahre bevorstünden.  Ägypten konnte sich durch diese Weissagung auf die Dürre vorbereiten und ausreichend Getreide lagern. So kam Josef frei und wurde zum Stellvertreter und Finanzverwalter des Herrschers.

Als die Dürre kam, machten sich auch Bewohner Kanaans auf, um vom ägyptischen Herrscher Getreide zu kaufen, unter anderem auch Josefs Brüder und erbaten sich Nahrung. Doch Josef, der sie erkannte, sicherte ihnen soviel Getreide zu, wie sie wollten, wenn sie ihren jüngsten Bruder Benjamin nach Ägypten brächten.

Jakob (a.) ließ seinen Sohn Benjamin trotz großer Bedenken ziehen. Josef hielt Wort und schenkte den Brüdern reichlich Getreide. Als sie jedoch nach Hause aufbrachen, beschuldigte Josefs Verwalter die Brüder, seinen Herrn bestohlen zu haben. Und tatsächlich, in Benjamins Sack fand sich durch eine List Josefs (a.) ein goldener Becher des Hofs. Josef (a.) drohte nun, den Jüngsten ins Gefängnis zu werfen, doch die Brüder setzten sich für ihn ein. Josef, der nun merkte, dass sich seine Brüder geläutert hatten, gab sich ihnen zu erkennen.

Derweil hatte sich sein Vater Jakob derart gegrämt, dass seine Augen vom weinen blind geworden waren, aber der Duft des zurückgebrachten Kleides Josef eröffnet ihm wieder das Augenlicht.

Josef ordnete an, dass sein Vater und der Stamm der Hebräer nach Ägypten kommen sollten. Hier verbrachte Jakob (a.) seine letzten Jahre. Josef selbst soll 110 Jahre alt geworden sein, als er in Ägypten starb.

Ca. 500 Jahre später wurde der Leichnam Josefs in seinem Sarg beim Auszug der Israeliten von Moses (a.) aus Ägypten mitgenommen. Wo er allerdings bestattet wurde, darüber gibt es keine biblischen Berichte. Archäologen und Historiker vermuten jedoch, dass er im Grab seiner Mutter Rachel auf der Straße nach Bethlehem beerdigt worden sein soll.

Rückert gibt die verschiedenen Teile der Geschichte im Heiligen Quran in der eigens Josef gewidmeten Sure 12 in gleich drei Gedichten wieder (hier nur eines wiedergegeben). Darin vergleicht er die Geschichte Josefs (a.) auch mit der Geschichte Abrahams, der von Nimrod ins Feuer geworfen wurde, aber das Feuer wundersam kühl blieb, oder mit der Geschichte Abrahams, als er seinen Sohn opfern sollte. Rückert gibt dabei die biblische Interpretation wieder, dass der zu opfernde Sohn Isaak war, wohingegen die islamische und qur´anische Version auf Ismael verweist:

Als im Kerker Josef hat

Ausgelegt den Traum dem Schenken,

Und den frei Entlassnen hat,

Sein beim König zu gedenken,

Doch ihn der im Glück vergaß,

Josef nun voll Kummer saß,

Und der Welt Undank ermaß

 

Zu ihm eintrat Gabriel

Und im Kerker ward es Licht:

„Was betrübet deine Seel’,

Ob ein Mensch die Treue bricht?

Sprich, wer tat’s dass du dem Bronnen

Und der Brüder Neid entronnen?“

Josef sprich: Gott hat’s begonnen.

 

„Und wer hat dich los gemacht

Von dem Band der Buhlerei,

In den Kerker dich gebracht,

Dass du bliebest sündenfrei?“

Gott. „Wer wird dich nehmen nun

Aus dem Kerker?“ Gott wird’s tun.

„Also lass den Schenken ruh’n.

 

„Schäme dich des Kleinmuts gegen

Deinen Ahnherrn Abraham!

Als ihn ließ in Gluten legen

Nimrod, und ich zu ihm kam:

Womit dienen kann ich dir?

„Helfen kann sein Diener hier,

Nur der Herr wird helfen mir!“

 

„Schäme dich der Zagheit gegen

Isaak, deines Vaters Vater,

Der sich auf den Holzstoß legen

Ließ, und nicht den Mund auftat er.

Als das Messer ward gezückt,

Hat er nicht sich weggebückt,

Darum ward er ihm entrückt.

 

„Gegen deinen eignen Vater,

Jakob, schäme, schäme dich!

Sich um dich gegrämt hat er,

Gräme noch und grämet sich.

Seine Augen weint’ er blind,

Doch es tröstet ihn der Wind

Mit dem Duft von seinem Kind.

 

„Doch weil du in Ungeduld

Menschenhülfe sprachest an,

Sei dein Kerker für die Schuld

Sieben Jahr’ unaufgetan.

Dann wird deiner Gott gedenken,

Er, nicht jene, wird es lenken,

Welche Wein den Kön’gen schenken.“

[1] Abkürzung für das Arabische „aleyhi/aleyha/aleyhumma salam“ (Der Frieden sei mit ihm/ihr/ihnen)

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